Haidhausen/Berg am Laim:Experten-Paar mit neuen Perspektiven

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Tatkräftiges Duo: Rudolf Hartbrunner (links) und Hermann Wilhelm. (Foto: Stephan Rumpf)

Hermann Wilhelm und Rudolf Hartbrunner vermitteln mit der Reihe "Blickpunkt München" Stadtgeschichte mit speziellem Format

Von Renate Winkler-Schlang, Haidhausen/Berg am Laim

Beide sind echte Münchner und profunde Kenner der Heimat-Geschichte und haben einen Teil davon selbst bereits mit wachen Sinnen erlebt. Beide vermitteln die Geschichte mit großer Freude, kritisch und bodenständig-sympathisch. Sie sind sich bei einschlägigen Veranstaltungen in den vergangenen 30 Jahren immer wieder begegnet. Fast ein Wunder also, dass Hermann Wilhelm, 67, und Rudolf Hartbrunner, 64, nicht schon längst zusammen etwas auf die Beine gestellt haben.

Wilhelm ist Initiator und Leiter des Haidhausen-Museums, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt hat er die Ausstellung "München und der Wilde Westen" im Gasteig konzipiert. Hartbrunner vermittelt Geschichte und Geschichten am liebsten bei seinen bebilderten Stadtführungen, sein Logo "Münchner Zeitensprünge" ist zum Markenzeichen geworden. Die wachsende Hartbrunner-Fangemeinde hat zudem wöchentlich seine neuen Geschichts-Kapitel im Mail-Postfach. Nun haben sie sich zusammengetan für die neue Reihe "Blickpunkt München".

Wer ihn eigentlich ausgesprochen hat, diesen Satz "Wir könnten doch eigentlich mal etwas zusammen machen", das wissen sie schon gar nicht mehr. Er lag einfach in der Luft. Das Projekt mussten sie nicht langwierig definieren, denn Wilhelm und Hartbrunner, der eine Sozialdemokrat, der andere früherer Betriebsrat und Gewerkschafter, interessieren sich für die kleinen Leute, ihren Alltag und ihre Arbeitsbedingungen. Mit ihrem Projekt wollen sie aber einen neuen Blick auf München ermöglichen, neue Seiten aufzeigen.

Neu in vielerlei Hinsicht: Da gebe es zum einem Geschichten und Klischees, die immer wieder bemüht werden und einfach nicht stimmen, etwa die Story vom Affen im Alten Hof, der das Kind, das später zu Kaiser Ludwig der Bayer werden sollte, nicht fallen lässt. "Spannend, aber stimmt nicht", grinst Hartbrunner: Wer genau recherchiere, stelle fest, dass der besagte Erker erst sehr viel später angebaut worden ist. In den Fokus werde aber mancher der historischen Akteure gerückt, die bisher keiner auf dem Schirm hatte, ergänzt Wilhelm. Da lasse sich einiges ergänzen. Eine Bereicherung könne ferner sein, dass die Jahre der NS-Herrschaft nicht mehr verschämtübersprungen würden.

Neu wird vor allem das Veranstaltungsformat von "Blickpunkt München" sein: Die beiden haben bei Lydia Jackson, der Chefin des Kim-Kinos an der Einsteinstraße, jeweils den dritten Sonntagvormittag im Monat reserviert. Das Duo will in historischem Gewölbe die bisher vor allem aus Führungen und Ausstellungen bestehende Arbeit ergänzen zu einem Matinee-Gesamtpaket mit besonderen Filmen, kleinen Vorträgen externer Experten und Auftritten von Kabarettisten. "Das Augenzwinkernde, der kleine Dreh bei jedem Termin, das ist uns auch ganz wichtig", sagt der eine - und der andere nickt. Sie freuen sich drauf, dass das Publikum miteinander ins Gespräch kommt, Fragen stellt. An Antworten wird es nicht mangeln, denn jeder der beiden Partner verfügt über die Fähigkeit, auf irgendein Stichwort hin loszusprudeln, Verbindungen aufzuzeigen, Anekdoten einzuflechten.

Probleme, die Termine voll zu bekommen, hatten die beiden nicht, denn jeder von ihnen nennt eine seit Jahrzehnten wachsende Sammlung an Büchern, Bildern, Dokumenten sein eigen und hat den Kopf voller Ideen. Wie eine "Session" sei die Planung verlaufen. Jedes Stichwort des einen fand Resonanz beim anderen. So stehen sogar schon die ersten Programmpunkte für 2017.

Bereits im Januar hatte "Blickpunkt München" Holger Paetz zu Gast. Der Saal war voll, genauso wie im Februar, als sie die Führung durch die Ausstellung zum Wilden Westen kombinierten mit einem Filmausschnitt "Der lange Weg nach Sacramento" aus der Kultserie "Münchner G'schichten". Geplant sind nun unter anderem Matineen über Karl Valentin, über den Rüben-Winter im Ersten Weltkrieg mit Texten von Carla-Maria Heim und Filmen von der sogenannten Heimat-Front oder ein Termin über die Sendlinger Mordweihnacht.

Beide werden deswegen in ihren bisherigen Aktivitäten nicht nachlassen. "Blickpunkt München" kommt einfach als Ergänzung dazu. Ihre Zielgruppe, das sind die vielen an Stadtteil-Geschichte interessierten Münchner, weniger die Touristen. Erfahrungsgemäß seien es auch die Älteren. Zunehmend aber kämen auch junge Leute, die etwa zum Studium hergezogen sind und nun wissen wollen, wo sie da gelandet sind. "Und je tiefer man gräbt, um so spannender ist die Geschichte, dann zeigen sich auch mal die Widersprüche", lacht Wilhelm. Die Beschäftigung mit der Geschichte, das sei nichts Rückwärtsgewandtes, denn die Frage, ob die Leute damals es hätten anders machen können, die führe immer auch in die Gegenwart.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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