Gräfelfing:Schule der Brauer

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In der Doemens-Academy werden Fachkräfte für die Getränkebranche ausgebildet. Das Bier aus den hauseigenen Sudkesseln ist Mitarbeitern und Kursteilnehmern vorbehalten

Von Bernhard Lohr, Gräfelfing

Der Weg zur Doemens-Academy führt vom Parkplatz an einem Stapel Biertische vorbei. Im Souterrain des Altbaus ist durchs Fenster eine rustikal eingerichtete Stube zu sehen. "Zur Stanglwirtin" steht an einer Tür. Und bevor man um die Ecke biegt, um sich dem Eingang unter dem Doemens-Schriftzug zu nähern, geht man unter einer schmiedeeisernen Konstruktion hindurch, an der Wappen vom "St. Georgen Bräu" und vom "Bischofshofbier" hängen. In dieser Akademie geht es ums Bier, das ist klar.

GeschäftsführerWerner Gloßner hält das Praxiswissen hoch. (Foto: Catherina Hess)

Dabei herrscht an der Stefanusstraße nahe dem Gräfelfinger Zentrum nicht immer solch ein Auftrieb, als gäbe es Freibier. Aber nun bereitet man sich auf die Bierverkostung für den European Beer Star 2019 vor, für die außer Biertischen Kühlanlagen und Partyzelte herangeschafft wurden. Aus dem Trubel taucht plötzlich Werner Gloßner in Trachtenjacke auf, stellt sich als Geschäftsführer vor, um dann durch sein Haus zu führen. Es hat sich seit seiner Gründung 1895 dem Ziel verschrieben, in "konsequenter Verbindung von Theorie und Praxis" Wissen um Bierbrauen und Getränkeproduktion weiterzugeben.

Es ist ein Thinktank der Bierbrauer, für dessen Philosophie die Biografie des Chefs beispielhaft ist. Gloßners Familie führt eine kleine Brauerei in Mittelfranken, er hat als studierter Braumeister bei der Unternehmensberatung Roland Berger gearbeitet und stand der Vereinigung privater Brauereien vor. Seit drei Jahren führt er die Doemens-Academy, in der unter anderem Braumeister sowie Brau- und Getränketechnologen ausgebildet werden. Laut Gloßner gibt es kaum eine Brauerei und kaum einen Getränkehersteller ohne "Doemensianer", wie er die Absolventen nennt. Stolz erzählt er, dass die solide Ausbildung selbst die Chemiebranche schätze.

Ein Schulungsraum im zweiten Stock erinnert durchaus an ein Chemielabor. Technische Analysegeräte und Reagenzgläser mit einer bräunlichen Flüssigkeit stehen auf einem Tisch, an dem ein junger Mann im weißen Kittel hantiert. "Du musst lernen, ein Präparat anzulegen und ein Mikroskop zu bedienen", sagt Geschäftsführer Gloßner. Ein Absolvent müsse Flüssigkeiten analysieren können. Im Untergeschoss befinden sich die Räume, in denen sich die Auszubildenden lieber aufhalten. Im "Technikum", wie es heißt, sieht es dann auch aus wie in einer Brauerei im Kleinen.

Raum an Raum reihen sich Bereiche aneinander, in denen Getreide geschrotet, in der Mälzerei verarbeitet und Maische angesetzt wird. Ein Sudhaus mit vier Kesseln gibt es und einen Gär- und Lagerkeller. Es wird jede Menge Bier gebraut, aber nicht verkauft, sondern im Haus getrunken oder weggeschüttet. Wobei bis hin zur Abfüllanlage mit Etikettiermaschine alles vorhanden wäre. Eine Destilliermaschine steht im Eck. "Ein neues Baby, das Thema Spirituosen", sagt Gloßner. Davor hat ein Ausbilder zur besseren Anschauung auf einem Tisch ein Gerät in Einzelteile zerlegt. Eine Maschine kann die Härte von Brauwasser ändern. Kanister mit Reinigungsmitteln stehen herum. Auch deren richtige Anwendung werde geschult, sagt Gloßner, nichts werde ausgelassen.

Doch Doemens wirkt auch über seine Mauern hinaus. Seit dem Jahr 2000 sind gemeinsam mit dem Siebel Institute of Technology in Chicago in der World Brewing Academy englischsprachige Ausbildungsangebote im Programm. Die Gräfelfinger sind Berater und Dienstleister. Brauereien, die ein Bier kreieren wollen, finden Beistand und können mit Hilfe der Fachleute eine Rezeptur erarbeiten und ein Bier im kleinen Maßstab produzieren und verkosten lassen. Auch Kleinbrauer werden beraten, aber natürlich, so Gloßner, "leben wir vom Geldverdienen". Doemens versteht sich als Akteur auf internationalem Parkett und nutzt die Reputation, die ein Wettbewerb wie der vom Verband privater Brauereien in Gräfelfing ausgerichtete European-Beer-Star-Wettbewerb mit sich bringt. 2483 Biere aus allen Kontinenten wurden dieses Mal von Kennern aus 40 Ländern begutachtet. An der eigenen Genussakademie werden Biersommeliers geschult.

Für Doemens als Dienstleister steht besonders die Analytik und Mikrobiologie im Haus, die Sensorik und die Hefedatenbank. Laborleiter Christopher Holtz pflegt etwa 200 unter- und obergärige Brauereihefe-Kulturen. Auf Anfrage werden Hefen bis zu Brauereien auf den Philippinen verschickt. "Wir beliefern mit unserer Hefedatenbank Kunden in 47 Ländern weltweit", sagt Gloßner. Um Personal in Brauereien oder bei Getränkeherstellern zu schulen, hat Doemens Aroma-Zyklen, Flavours, kreiert, die zum Sensorik-Training eingesetzt werden. Derzeit baut Doemens einen neuen Firmensitz an der Lohenstraße, einen großzügigen Bau aus viel Beton und Glas, ein Abschied von Enge und Stüberl-Flair. 2021 soll der Umzug über die Bühne gehen.

© SZ vom 18.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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