Google Jahresbilanz:Was München 2015 am meisten bewegt hat

Lesezeit: 3 min

SZ-Grafik (Foto: N/A)

Bier? Isar? Frauenkirche? Alles falsch, sagt die Jahresbilanz von Google.

Von Laura Kaufmann, München

Jahresrückblicke sind meist eine Auswahl der als am wichtigsten empfundenen Themen des Jahres. Themen, welche die Gesellschaft bewegt haben. Die München beschäftigt haben. Aber zu oft ist es so, dass wir uns nicht eingestehen wollen, was uns beschäftigt hat, oder mit was wir uns wirklich beschäftigt haben; wenn wir etwa an einem Arbeitstag ständig im Internet herumgesurft haben. Und wer wüsste somit besser, was heuer wichtig war, als Google, für die meisten ein vermeintlich harmloses Einlasstor ins World Wide Web?

In Wahrheit sammelt Google so eifrig Daten wie das Christkind Wunschzettel, und so weiß es sogar, was die Menschen in diesem Jahr in Bezug auf München am meisten interessiert hat. Und das mag den ein oder anderen Münchner erstaunen, in seinem Selbstverständnis erschüttern. "München, schönste Stadt der Welt" etwa ist nicht dabei, und wo, bitteschön, ist nur das Bier geblieben?

Es vermag zu trösten, dass sich die Top Ten aus den Suchabfragen ergibt, die heuer öfter als in Vorjahren in die Suchleiste getippt wurden; vielleicht suchen Menschen auf der ganzen Welt tagtäglich nach "München, schönste Stadt der Welt Bier", weswegen die Suche nun in dieser Hitliste nicht vorkommt.

Nichts hat die Stadt so sehr bewegt, wie die Flüchtlinge

Was die Menschen stattdessen dieses Jahr laut einer Google-Statistik auf die Stadt bezogen suchten, und zwar am häufigsten: "Flüchtlinge München". So weit, so einleuchtend. Nichts hat die Stadt so sehr bewegt, hat sie international in die Schlagzeilen gebracht wie das herzliche Willkommen am Hauptbahnhof. Es hat die Münchner stolz gemacht.

Aber völlig offen ist, was die Menschen wissen wollten, die das Netz so allgemein nach "München Flüchtlinge" durchforsteten. Suchten da Münchner nach allgemein lobpreisenden Artikeln zur Selbstbeweihräucherung? Menschen, die sich fragten, warum die Flüchtlinge ausgerechnet in München ankommen? Google weiß es nicht.

Auf Platz zwei "ACDC München". Zwei verregnete Mai-Konzerte im Olympiastadion als Event des Jahres? Gut, AC/DC sind eine Rocklegende, aber ist München eine Rocker-Stadt? Eine gute Stunde, nachdem die Tickets für die neun Deutschlandtermine auf den Markt kamen, waren über 300 000 schon verkauft. Und München ergatterte ein Zusatzkonzert. Gut möglich, dass da Neidgoogler aus Gelsenkirchen und Hockenheim am Werk waren. "Highway to Hell" grölen die Münchner alle Jahre wieder im Herbst, auf Bierbänken stehend, was möglicherweise doch noch eine innige Verbundenheit von Band und Stadt erklären könnte.

Ausgerechnet das "Mathäser" landet auf Platz 5

Und dieses Event schafft es dann immerhin auf Platz 3 der Liste, "Oktoberfest München 2015". Nur Platz 3, das ist verständlich, denn viele Menschen setzen keine Jahreszahl zu ihrer Suche. Die 235 000 Besucher der Baumesse können mit den 5,9 Millionen der Wiesn zwar nicht ansatzweise mithalten - trotzdem schafft die Messe es auf Platz 4, immerhin hat sie für die Branche international Bedeutung.

Soweit, so gut, hat die Stadt doch herausragende Veranstaltungen geboten dieses Jahr, hat im September, als Zehntausende Flüchtlinge am Hauptbahnhof ankamen, ihren Ruf als Weltstadt mit Herz bekräftigt.

Aber "Mathäser Kinoprogramm München" an Platz 5, das lässt den Einwohner dann doch an seinen Mitmenschen zweifeln. Es ist rein gar nichts Verwerfliches daran, ins Kino zu gehen. Es ist auch nichts Verwerfliches daran, online nach dem Kinoprogramm zu suchen. Aber dass eine Mehrheit der Einheimischen - Auswärtige dürfte das hiesige Kinoprogramm eher weniger interessieren - ausgerechnet explizit nach dem Programm des gesichtslosen Multiplexkinos sucht, das so auch in jeder anderen Stadt, in jedem anderen Land stehen könnte: Das enttäuscht dann doch.

SZ PlusFlüchtlinge
:Herzlich willkommen

Friedland in Mecklenburg-Vorpommern nimmt sehr gerne mehr Flüchtlinge auf als gefordert. Über einen Ort, der die neuen Einwohner vor allem als Chance für sich selbst sieht.

Von Peter Burghardt

Helene Fischer darf wohl nie in den Charts fehlen

Auch nach der "Sonnenfinsternis München" haben wohl die Münchner selbst gesucht. Hier verschwand die Sonne nur zu etwa 75 Prozent hinter dem Mond, was nichtsdestotrotz ein eindrucksvolles Himmelsspektakel abgab, aber: In Hamburg und Berlin etwa schaffte es die Sonnenfinsternis nicht in die Top Ten. Woran das liegen mag, steht in den Sternen. Vielleicht kürt der Münchner dergleichen Ereignisse gern zum einmaligen Spektakel, während man im Norden die Sachen nüchterner angeht.

Eher traumatisch hingegen die Google-Ergebnisse für "Bayern München Barcelona", zumindest für Bayernfans; eine Lektion in Demut, rausgeflogen in der Champions League. Was, so gesehen, beinahe wieder historische Bedeutung hat. Die Suche nach der "Meisterfeier Bayern München 2015" hingegen schafft es nur auf Platz 10. Gab eben kein Triple zu feiern.

Als Sandwichkinder zwischen dem Fußball rangiert zum einen die "Handwerksmesse München 2015" mit über 1000 Ausstellern aus 60 Gewerken auf Platz 8. Und dann ist da noch eine, die wohl nie in den Charts fehlen darf, nicht einmal bei Google: "Helene Fischer München", sie gab eines ihrer bombastisch inszenierten Konzerte hier. Warum aber ausgerechnet nach dem hiesigen Konzert wild gegoogelt wurde, wo die Schlagerprinzessin doch in ganz Deutschland auftrat, ist ein weiteres Geheimnis, was sich hier nicht lüften lässt. Vielleicht hatte das Mathäser an diesem Junitag zusätzlich noch eine schöne Matinee im Programm.

© SZ vom 22.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Dienst
:SZ München-News per WhatsApp, Telegram oder Insta

Wissen, was München bewegt: Der WhatsApp-Kanal der Süddeutschen Zeitung bietet einen schnellen und bequemen Nachrichtenservice für die Stadt. Abonnieren Sie ihn kostenlos.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: