"Go Drag! Festival" in München:"Es ist nicht alles Glitzer und Glamour"

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Die Berliner Gender-Performance-Künstlerin Bridge Markland, kuratiert zusammen mit der Münchner Drag-Künstlerin Ruby Tuesday das Festival "Go Drag! Festival" in der Landeshauptstadt. (Foto: Manuela Schneider)

Zum ersten Mal findet das queere Festival in München statt. Im Gespräch erzählt die Berliner Drag- und Gender-Performerin Bridge Markland von "Go Drag!", dem Loslösen von traditionellen Geschlechterrollen und anderen Herausforderungen.

Von Marlene Block

Bridge Markland sitzt im Münchner Café Jasmin und bestellt einen Jasmin-Tee. Ihr Outfit, nonchalant androgyn: ein lila Rollkragenpullover unter dem Nadelstreifenanzug. Während sie über das bevorstehende "Go Drag! Festival" in der bayerischen Landeshauptstadt spricht, spürt man ihre Begeisterung, aber auch eine gewisse Nervosität.

"Man fragt sich natürlich schon, ob genügend Leute kommen und ob die Leute verstehen, was wir wollen", sagt sie und erzählt: Die Idee für das "Go Drag! Festival" sei ursprünglich in Zusammenarbeit mit Diane Torr in Berlin entstanden, einer Pionierin der Drag-Kunst, die für ihre provokativen Arbeiten bekannt war. Das Festival, das nun erstmals in München stattfindet, von 1. Mai an, unterscheide sich heute von anderen Drag-Events, denn es zeige diese Kunst jenseits der traditionellen Männer-in-Kleidern-Stereotype.

2002 fand das erste Festival in Berlin statt, dann folgten 20 Jahre der Stille. "Ich habe mehrmals versucht, Anträge zu stellen, aber kein Geld bekommen. Ich wollte eine Community aufbauen, aber das hat sich wieder zerfasert", erinnert sich Markland. Doch dann, zwei Jahrzehnte später, meldeten sich zwei junge Berliner Drag-Performerinnen bei ihr, Nancy Lund und Olive Baldwin. Sie wollten das Festival mit neuer Energie wiederbeleben.

Während der Vorbereitung für das Festival in Berlin 2022 erhält Markland dann eine Einladung nach München. Das Pathos-Theater zeigt Interesse an ihrem Projekt, und plötzlich öffnen sich Türen in der Münchner Kulturszene. Von Drag-Künstlerin Ruby Tuesday, über die Gasteig-Theaterleitung bis zu engagierten Produktionsteams entsteht im Verlauf eine Gemeinschaft, die bereit ist, das Festival in München Wirklichkeit werden zu lassen.

Bridge Markland versucht, mit "Go Drag!" einen Raum zu schaffen, der nicht nur Drag-Kunst in all ihren Facetten feiert, sondern auch politische und gesellschaftliche Fragen aufwirft. Ihr Anliegen, Drag von Frauen, Transpersonen und Nichtbinären zu fördern, geht weit über den bloßen Show-Aspekt hinaus. In Diskussionen und Panels wird auch über Themen wie Geschlechteridentität gesprochen. "Es ist nicht alles Glitzer und Glamour, das Leben hat auch andere Aspekte, und das ist ein Teil dieser Kunst", betont Markland.

Die Münchner Drag-Kunstszene beeindruckt die Performerin. Bei einer "Kings of Munich"-Show bemerkte sie, wie vielfältig das Publikum ist. "Da sitzt ein amüsierwilliges Publikum in der Drehleier, das sich eine Drag-Kingshow anschaut - und das mit großer Begeisterung", erzählt sie fasziniert. Diese Mischung aus queeren und heteronormativen Zuschauern, Jung und Alt, findet sie erstaunlich. Sie sieht die Offenheit der Stadt als ein Zeichen dafür, dass die Drag-Kunst hier auf fruchtbaren Boden trifft. Auch wenn 2023 die Lesung zweier Drag-Künstler aus Kinderbüchern in einer Bibliothek in München von Demonstrationen begleitet war.

Sie habe schon früh in ihrem Leben begonnen, sich von traditionellen Geschlechterrollen zu lösen, erzählt die heute 63-jährige Bridge Markland. (Foto: Bernd Ott)

Über sich selbst spricht Markland mit einer Art Leichtigkeit. Sie erzählt von der Entdeckung ihrer eigenen Identität. Früh in ihrem Leben habe sie begonnen, sich von traditionellen Geschlechterrollen zu lösen. Diese Freiheit, sich unabhängig von gesellschaftlichen Normen auszudrücken, sei für sie ein natürlicher Schritt gewesen. Sie selbst bezeichnet sich als androgyne Frau. "Ich rasiere mir seit 1990 den Kopf und habe schon immer gerne Männersachen getragen. Aber manchmal auch gerne mit Lippenstift", erklärt sie mit tiefer, gelassener Stimme und lächelt. Die Kombination aus männlichen und weiblichen Attributen spiegle ihre Persönlichkeit wider, die sich keiner festgelegten Rolle unterordne. Ihre Performances seien geprägt von dieser kreativen Mischung aus Gender-Ausdruck und Rollenspiel.

Die Begeisterung für Performance-Kunst entwickelte sich bei der heute 63-jährigen Berlinerin früh. Nach dem Abitur 1979 absolviert sie eine Ausbildung zur Gymnastiklehrerin und nimmt Tanzunterricht. Zwischen 1991 und 1996 lebt sie regelmäßig in New York, um die Tanz- und Performancekultur der Stadt zu erkunden.

Mit ihrem Theaterprojekt "Classic in the Box" schafft sie es, klassische deutsche Theaterstücke wie etwa Lessings "Nathan der Weise" für ein heutiges Publikum zugänglich zu machen. Dabei setzt sie auf eine Kombination aus Playback, Puppenspiel und Musik. In ihren Aufführungen schlüpft sie in zahlreiche Rollen und wechselt zwischen ihnen, oft inmitten von Liedern und Kostümwechseln. "Ich entdecke immer neue Nuancen und verändere die Stücke. Sie werden auch nicht länger als 90 Minuten - länger, ist zu lang", erklärt sie pragmatisch. Die Aufführungen enthalten zahlreiche Songs, die den klassischen Text ergänzen.

Da ist etwa der Song "Burning Down the House" von den Talking Heads, der den dramatischen Auftakt der Aufführung "Nathan in the Box" untermalt, in dem Nathans Haus in Flammen steht. Die Relevanz dieses Stückes liegt für Markland in der zeitlosen Botschaft von Lessings Original: Toleranz, Verständnis und interreligiöser Dialog. In einer Zeit, in der religiöse und kulturelle Spannungen weltweit präsent sind.

"Eigentlich war mir Nathan zu pädagogisch, zu sehr Lernstück. Als ich dann doch beschloss, ihn zu machen, brach kurz danach der Krieg in der Ukraine aus. Jetzt muss man leider sagen, ist das Stück aktueller denn je." Die Puppen und Kostüme, die sie verwendet, sind das Werk der englischen Puppendesignerin Eva Garland. Für die Kostüme und Puppen benutzt sie ausschließlich recycelte Materialien. Bridge Markland tritt auch mit ihrer Perfomance "Kinging the Drag - Dragging the King" auf. "Der Prozess des Umziehens ist hier ein Teil der Handlung. Es gibt eine Szene, in der ich einen Nadelstreifenanzug anziehe. Während ich den Anzug anziehe, spreche ich einen dramatischen Text. Das Ganze ist eine Performance, in der ich Schritt für Schritt immer männlicher werde."

Neben Bridge Markland erlebt man beim "Go Drag! Festival" in München viele weitere Künstlerinnen und Künstler. Drag-Performer Majic Dyke teilt in einer Lecture seine Erfahrungen als Drag-Künstler in Kenia. Pandora Nox, Gewinnerin von "Drag Race Germany", leitet einen "Drag-Move-Workshop".

Bridge Markland freut sich darauf, ihre Leidenschaft für die Drag-Kunst mit dem Publikum zu teilen. Sie bleibt optimistisch, dass das "Go Drag! Festival" dazu beiträgt, die Grenzen der Kunst zu erweitern und Diskussionen über Identität und Geschlecht anzustoßen. "Diane Torr und ich haben immer gesagt, Drag-Kings müssen groß denken" - und genau diesen Gedanken setzt Bridge Markland mit dem Festival in München um.

"Go drag! Munich" , Mittwoch, 1., bis Sonntag, 5. Mai, Gasteig HP8, Pathos Theater, im Gasteig HP8 und an weiteren Spielorten

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