Vor Gericht:Sozialwohnung teuer weitervermietet

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In München gibt es weit weniger Sozialwohnungen als Menschen, die eine bräuchten. (Foto: Alessandra Schellnegger)

"Unverständlich" und "skandalös" nannte die Richterin das Verhalten des Beklagten. Dieser vermietete seine Sozialwohnung ohne Erlaubnis für teures Geld an sogenannte Medizin-Touristen weiter.

Von Stephan Handel

Richter schreiben ihre Urteile sachlich, juristisch, auf Gesetzen, Bestimmungen, Verordnungen fußend - von daher ist es schon bemerkenswert, wenn eine Richterin in der Begründung ihres Spruchs Wörter wie "unverständlich" und sogar "skandalös" verwendet. Das liegt wohl an dem Fall, den sie zu entscheiden hatte: dreist, so könnte man das Verhalten des Beklagten durchaus nennen.

Geklagt hatte eine Wohnungsbaugesellschaft. Bei ihr hatte der Mann seit dem Jahr 2000 eine Sozialwohnung im Stadtteil Am Hart gemietet, knapp 44 Quadratmeter für etwas über 400 Euro im Monat. Er habe aber, so die Gesellschaft, diese Wohnung nicht selbst bewohnt, sondern sie ohne Erlaubnis für teures Geld an sogenannte Medizin-Touristen weitervermietet. Das sei bei einem Polizeieinsatz festgestellt worden, weshalb die Stadt die Vermieterin aufgefordert hatte, den Mietvertrag baldmöglichst zu kündigen.

"Es gibt mindestens 10 000 Wohnungssuchende in München, die dringend auf eine geförderte Wohnung angewiesen sind"

Damit aber noch nicht genug: In einem anderen Räumungsverfahren, dieses Mal wegen einer ebenfalls von dem Mann 2011 gemieteten Sozialwohnung am Arabellapark, hatte er angegeben, er sei auf diese Wohnung angewiesen, weil sie nur drei Gehminuten von seinem Arbeitsplatz entfernt sei, der Garage seines Arbeitgebers, für den er als Chauffeur tätig sei. In dieser Verhandlung allerdings gab der Anwalt des Mannes zu aller Erstaunen an, sein Mandant wohne derzeit in Berlin. Einigermaßen verwirrend - die Richterin gab dennoch der Vermieterin recht, der Mann muss die Wohnung freigeben.

Das Urteil rechnet ihm vor, dass er wohl kaum von der Wohnung am Hart neun Kilometer zum Arabellapark fahren würde, um dort auf den kurzfristigen Anruf seines Arbeitgebers zu warten, wenn der seine Dienste als Chauffeur benötigt. Außerdem sei er unstreitig in Berlin gemeldet. Und dann: "Zudem bleibt der Beklagte eine Erklärung schuldig, warum er im Rahmen staatlich geförderten Wohnraumes einen Anspruch auf eine Zweitwohnung haben sollte. Es muss dem Beklagten doch bekannt sein, dass in München eine massive Wohnungsnot herrscht, insbesondere bezüglich staatlich gefördertem Wohnraum. Es gibt mindestens 10 000 Wohnungssuchende in München, die dringend auf eine geförderte Wohnung angewiesen sind, darunter viele Eltern mit kleinen Kindern." Die Berufung des Mannes wurde zurückgewiesen, das Urteil ist rechtskräftig. (AZ: 473 C 17391/18)

© SZ vom 03.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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