Gedenken:Hildegard Hamm-Brücher - eine Münchner Institution

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Hildegard Hamm-Brücher beim Starkbieranstich in München, 1974. (Foto: Fritz Neuwirth)

Sie war jüngste Stadträtin und erste Ehrenbürgerin, nun trauert die Stadt. Wie sich prominente Münchner an Hildegard Hamm-Brücher erinnern.

Von SZ-Autoren

In München war sie eine feste Größe über die Jahrzehnte, das fing schon mit ihrem Start in die Politik an. 1948 wurde Hildegard Hamm-Brücher als damals jüngste Stadträtin für die FDP gewählt. Es folgten Abgeordnetenmandate im Landtag und im Bundestag, aber in vielerlei Hinsicht blieb die Politikerin immer eine Münchner Institution, bis hin zu ihren letzten öffentlichen Auftritten. Im Mai sah man sie noch beim Trauergottesdienst für Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter, deutlich geschwächt und auf einen Rollator gestützt, an seinem Sarg vorbeigehen. Später erwies sie im Landtag den Opfern des Münchner Amoklaufs die letzte Ehre bei einem Trauerakt.

Nun trauern die Münchner um sie selbst: Am Montag, 19. Dezember, wird es um 10.30 Uhr für die frühere FDP-Politikerin eine Trauerfeier in St. Lukas geben, wahrscheinlich kommt auch Bundespräsident Joachim Gauck. Die Beisetzung selbst soll dann im Familienkreis stattfinden. Es wird ein Ehrengrab der Stadt werden, denn Hildegard Hamm-Brücher war Münchner Ehrenbürgerin, als erste Frau überhaupt. Alt-Oberbürgermeister Christian Ude, der ihr diese Auszeichnung verlieh, erinnerte am Freitag daran, wie wichtig ihr diese gewesen sei: weil sie als junge Frau im Rathaus heftig angefeindet worden sei.

Zum Tod von Hildegard Hamm-Brücher
:Eine "freischaffende Liberale", die ihren Prinzipien treu blieb

Hildegard Hamm-Brücher verkörperte die Sehnsucht vieler Menschen nach aufrichtigen Politikern. Als die FDP mit antisemitischen Klischees jonglierte, trat sie aus der Partei aus - im Herzen blieb sie bis zuletzt Liberale.

Nachruf von Detlef Esslinger

Immer wieder waren das Alte und das Neue Rathaus die Schauplätze, an denen Hildegard Hamm-Brücher in Erscheinung trat, das hob Oberbürgermeister Dieter Reiter hervor. Auszeichnungen und Ehrungen erhielt sie dort, ihr Buch "In guter Verfassung?" stellte sie vor, auch ihr 80. Geburtstag wurde im Alten Rathaus gefeiert, mit einer Ausstellung unter dem programmatischen Titel "Freiheit ist mehr als ein Wort". Reiter sagte, in all der Zeit sei Hamm-Brücher "ein demokratisches Beispiel und Vorbild" gewesen. Sie habe "nicht nur voll Elan und mit herzerfrischendem Temperament, sondern auch ohne eine Spur von Opportunismus und erst recht auch ohne parteipolitische Rücksichtnahmen für ihre Ideen und Ideale gestritten". Auch Landtagspräsidentin Barbara Stamm sagte, die frühere Abgeordnete sei sich immer treu geblieben. "Das hat mich tief beeindruckt."

Das verbinden prominente Münchner mit Hamm-Brücher

"Wir hatten eine ganz herzliche Beziehung, die über ein halbes Jahrhundert hinweg dauerte. Als ich einmal als Schülerzeitungsredakteur Probleme mit dem Kultusministerium bekam, schickte sie mir als Landtagsabgeordnete einen Brief, in dem sie Hilfe anbot. Das fand ich bemerkenswert. 30 Jahre später schickte ich ihr eine Kopie des Schreibens zurück und bat sie tatsächlich um Hilfe in meinem damaligen ersten Wahlkampf um den Oberbürgermeister-Posten. Sie engagierte sich für mich mit einer liberalen Wählerinitiative für Christian Ude, zum Ärger ihrer Partei. Mag sein, dass dieses Engagement den einen Prozentpunkt gebracht hat, der mir sonst gefehlt hätte." Christian Ude, Ehemaliger Oberbürgermeister (SPD)

"Die jüdische Gemeinschaft trauert um eine wahre Freundin. Hildegard Hamm-Brücher war für mich ein außergewöhnliches Vorbild. Sie konnte sich nie verbiegen und hat sich nie verbogen, hat sich immer für Minderheiten und für junge Menschen eingesetzt, und durch die saubere und geradlinige Art, wie sie Politik betrieb, hat sie sich selbst ein Denkmal gesetzt. Ich habe sie kennengelernt, als mein Vater noch die Israelitische Kultusgemeinde leitete. Dabei hat er mit ihrem Ehemann zusammengearbeitet, der Stadtrat war. Damals habe ich noch nicht wissen können, welche Bedeutung diese Frau hatte. Aber ich habe gemerkt: Sie hatte etwas zu sagen. Und mir ist aufgefallen, dass die Männer plötzlich sehr zurückhaltend geworden sind, wenn sie das Wort ergriffen hat." Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern

"Sie war der anrührende Beweis dafür, wie Menschen Schlimmes, das sie selbst erlebt haben, in Tatkraft für die Zukunft umwandeln können. Die persönliche Nähe, die sie zur Weiße Rose hatte, und das Schicksal der Geschwister Scholl prägte sie zeitlebens und war ihr Ansporn, bis ins hohe Alter junge Menschen für den Kampf für die Demokratie zu sensibilisieren. Ohne Hildegard Hamm-Brücher hätte es die Weiße-Rose-Stiftung vielleicht nie gegeben. Und auch hier wirkte sie durch die persönliche Nähe, die sie aufbauen konnte, immer wieder ermunternd und wohltuend lobend. Bei jeder Begegnung umarmte sie mich und bestärkte mich in der Arbeit für die Stiftung und die Demokratie. Diese Stimme wird hier fehlen." Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weißen-Rose-Stiftung

"Es war die Landtagswahl von 2008, und ich war ein absoluter Quereinsteiger. Ich fragte Hildegard Hamm-Brücher über eine gemeinsame Bekannte, ob sie sich für mich im Wahlkampf einsetzen würde. Ihre rasche Antwort hat mich wirklich überrascht: ,Ja, das mache ich', sagte sie. Wir waren dann zusammen bei Veranstaltungen am Platzl, mit Rainer Brüderle, der damals FDP-Vizechef war. Hildegard Hamm-Brücher legte sich ins Zeug für mich, das hat sicher zum guten Abschneiden bei der Landtagswahl beigetragen, das uns dann in die Regierung brachte. Sie war eine Frau, vor der man wirklich Respekt hatte." Wolfgang Heubisch, Ehemaliger FDP-Wissenschaftsminister und heutiger FDP-Stadtrat in München

© SZ vom 10.12.2016 / fmue - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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