Wann kann einer schon einmal an einem Tag gleich 151 Jahre herausragende Lebensereignisse feiern? Toni Roiderer, Wirt im Hackerzelt, kann das an diesem Montag. Da wird er 70 Jahre alt, ist auf den Tag genau 44 Jahre mit seiner Frau Christl verheiratet, ist seit 25 Jahren auf dem Oktoberfest und seit zwölf Jahren Sprecher aller Wiesnwirte. Richard Süßmeier, einer seiner Vorgänger im Amt, macht in seiner Ansprache diese Rechnung auf und fügt noch hinzu: "Du bist ein Wirt zum Anfassen, wobei es Dir entgegenkommt, dass genügend Fläche vorhanden ist."
Derartige Scherze kommen nicht nur einmal, was schon deshalb erlaubt ist, weil der Jubilar selber nicht damit geizt. "Jeden Morgen, wenn ich vor dem Spiegel stehe", flachst er, "sage ich zu mir: Diese Schönheit kommt auch von der Ruhe, die in mir herrscht!"
Drei-Gänge-Menüs statt Hendl, Champagner statt Bier: Der Marstall von Siegfried Able hat schon vor der Wiesn für Diskussionen gesorgt. Doch wie ist es wirklich im neuen Zelt? Wir haben erste Eindrücke gesammelt.
Die Paulaner-Brauerei, zu der Hacker-Pschorr gehört, hat in das Hackerzelt geladen, um ihren langjährigen Wirt gebührend zu feiern. Natürlich sind nahezu alle Wiesnwirte versammelt - bis auf Siegfried Able, den Neuen. Gut hundert Gäste haben sich auf der vorderen Empore des Zelts eingefunden. Polizeipräsident Hubertus Andrä ist ebenso gekommen wie der Münchner Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle oder Alexandra Schörghuber. Deren Schwiegervater und Brauereibesitzer Josef hat den Straßlacher Metzger und Gastronomen Toni Roiderer vom dortigen Gasthof zum Wildpark 1989 zum Wiesnwirt gemacht, indem er ihm das Hackerzelt übertrug.
Roiderer schildert die Szene selbst in seiner Rede, in der auch seine Frau eine Rolle spielt. Christl, habe er damals gesagt, sie "das Beste an mir". Und bei so viel Lob für die Gattin kann er dann auch leicht sagen: "Ich glaube, dass sie nach wie vor glücklich ist, auch wenn das mit mir nicht ganz einfach ist."
Für einen markigen Spruch ist Toni Roiderer immer zu haben. Der Sprecher der Wiesnwirte feiert am Montag seinen 70. Geburtstag auf dem Oktoberfest. Im SZ-Interview gibt er Journalisten Tipps für gute Fragen und verrät, warum der Münchner nicht auf die Wiesn schimpfen darf.
Letzteres wollen die Gratulanten dann aber kaum glauben. Münchens Zweiter Bürgermeister und Wiesn-Chef Josef Schmid meint scherzhaft, mit ihm als Abkömmling einer Allacher Metzgersfamilie, dem neuen Wiesnstadtrat Georg Schlagbauer und Roiderer hätten die Metzger jetzt endgültig die Herrschaft über das Oktoberfest. Georg Heide, Wirt in der Bräurosl, sagt, der Jubilar sei zwar erst 70 Jahre alt, befinde sich aber bereits im Himmel, nämlich in dem der Bayern - das als Anspielung auf die Bezeichnung, die sich das Hackerzelt selbst gegeben hat.
"Ausgeschlafen und unbequem"
Paulaner-Chef Andreas Steinfatt hebt einige Qualitäten Roiderers hervor: "Ausgeschlafen und unbequem, tapfer und willensstark." Eigenschaften, von denen auch Straßlachs Bürgermeister Hans Sienerth berichtet - schließlich saß Roiderer dort 20 Jahre lang im Gemeinderat.
Die Wirtekollegen aber haben zusammengelegt und stiften zum Siebzigsten ein Gemälde des Münchner Promi-Malers Bernhard Prinz, auf dem Roiderer als ihr aller Dirigent zu sehen ist. Der wiederum wäre nicht Toni Roiderer, wenn ihm dazu nicht ein Satz einfallen würde: "Ich sage nur: Lieber von der Liebe gezeichnet als von Prinz gemalt."