Gastronomie:Wenn aus dem Klo eine Kneipe wird

Lesezeit: 2 min

Yilmaz Demir will in einer Sanitäranlage an der Isar ein Lokal eröffnen. (Foto: Robert Haas)
  • Alte Sanitäranlagen, ausgediente Bäder - viele Alt-Immobilien der Stadt werden heute zu angesagten Szene-Bars.
  • An der Ludwigsbrücke kann man bald in der "Boazn" trinken.
  • Am Herkomerplatz in Bogenhausen residiert das "Daherkomma" in einem ehemaligen Klohäusl.

Von Thomas Anlauf

Alte Klohäusl, ein heruntergekommenes Tröpferlbad, ausgediente Toilettenanlagen: Lange Zeit hatte die Stadt keine Verwendung für diese Art von Immobilien. Doch jetzt haben Gastronomen die leer stehenden Anlagen für sich entdeckt und überbieten sich in Wettbewerben, um die alten Toiletten in angesagte Lokale umzuwandeln.

Demnächst übernimmt ein erfolgreiches Unternehmertrio eine ehemalige öffentliche WC-Anlage unter der Ludwigsbrücke am Volksbad.

Yilmaz Demir, Selcuk Durmaz und Michi Kern wollen in der alten Sanitäranlage einen Treffpunkt direkt an der Isar schaffen. Schon vor mehr als zehn Jahren hatte Demir beim Kommunalreferat angefragt, ob er das Klohäusl nicht als Lokal betreiben könnte.

Doch damals hatte man abgewunken. Im vergangenen Winter stieß der heute 39-Jährige dann auf die Ausschreibung im Internet, dass für die Anlage ein Betreiber gesucht wird. Demir bewarb sich und erhielt den Zuschlag. "Eine Kneipe unter einer Brücke kann man eigentlich nur Boazn nennen", sagt er.

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Die Boazn, mit der er mit seinen beiden Kompagnons im kommenden Frühjahr starten will, soll "den typischen Münchner ansprechen. Wie sind hier schließlich nicht auf der Touristenmeile". Die 50 Quadratmeter großen Räume will Demir zum Teil entkernen, die verputzten Backsteinwände freilegen und auf Plexiglasscheiben Zitate von berühmten Münchnern drucken.

Ihm schwebt ein Lokal vor, in dem die Gäste gemütlich Bier trinken oder abends auch ganz romantisch beim Wein sitzen. "Aber es muss auch drin sein, dass die Herrschaften mal auf den Tischen tanzen", sagt Demir.

Darin hat der 39-Jährige langjährige Erfahrung: Sein erstes eigenes Lokal war die "Sonderbar" an der Maximilianstraße, später spezialisierte er sich zunehmend darauf, Gastronomen an der sogenannten Feierbanane und rund um den Gärtnerplatz zu beraten.

"Ich habe viel Eventgastronomie mit aufgebaut", sagt Demiz, der seit einem Jahr mit Selcuk Durmaz einen Sicherheitsdienst betreibt. Auch Michi Kern wird wohl seine langjährige Erfahrung in der Szenegastronomie beim Toilettenprojekt an der Ludwigsbrücke mit einbringen.

Frischekur für den Platz

Doch nicht nur dort versprechen sich Unternehmer viel von der Wiederbelebung alter städtischer Toilettenanlagen. Vor zwei Monaten hat Florian Walter am Herkomerplatz in Bogenhausen das "Daherkomma" in einem ehemaligen Klohäusl eröffnet. Und das ist nun nicht mehr wiederzuerkennen. Die nach wie vor öffentlichen Toiletten sind extrem sauber, auf der Terrasse vor dem Flachbau sitzen bereits am Vormittag zahlreiche Gäste und genießen den neuen Treffpunkt am Rand des Herzogparks.

"Das Schöne ist, dass wir damit den Platz revitalisiert haben", sagt Walter. Morgens kämen oft Schulkinder vorbei, dann deren Eltern, Spaziergänger und Sportler. Am frühen Nachmittag treffen sich dort Manager zum Business-Lunch und auch abends laufe das Geschäft bereits gut. Es sei nun "ein beseelter Platz", sagt Walter.

Am Herkomerplatz sind die Toiletten des "Daherkomma" bereits geöffnet. (Foto: Robert Haas)

Dabei hatte der Unternehmer zunächst lediglich einen Showroom für seine Produkte im Sinn. Mit dem Unternehmen Agourcrea Trade and Production GmbH bietet Walter nach eigenen Angaben "hochwertige Produkte aus den alpenländischen Regionen" an. Eine schwarze Schiefertafel vor dem einstigen Toilettenhäuschen wirbt nun mit "vegan, vegetarisch, Lifestyle" für die Waren.

Die Idee, ehemalige Sanitäranlagen in Lokale umzuwandeln, gibt es im Kommunalreferat seit geraumer Zeit. "Uns geht es darum, dass die Räume wieder genutzt werden", sagt Referatssprecher Bernd Plank. Konkrete Vorgaben, wie die Gastronomie aussehen soll, mache das Kommunalreferat deshalb nicht.

Bei der künftigen "Boazn" unter der Ludwigsbrücke werden auf jeden Fall zwei langjährige Forderungen von Stadträten erfüllt, um die innerstädtische Isar zu beleben: ein Lokal am Fluss und eine öffentliche Toilette.

© SZ vom 23.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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