Garching/Würmtal:"Die Arbeit wird sogar immer mehr"

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Schuldnerberaterin Sonja Hausner dos Santos über die Armut in einer reichen Region

Von Christina Hertel, Garching/Würmtal

Am Ende einer langen Kette von Rechnungen, Briefen und Mahnungen steht der Gerichtsvollzieher. Seit zwölf Jahren hilft Sonja Hausner dos Santos als Schuldnerberaterin der Caritas in Garching und im Würmtal, diesen abzuwenden. Sie beobachtet, dass vor allem die hohen Mietkosten zu einem immer größeren Problem werden. Noch bis Freitag veranstaltet die Caritas dazu eine deutschlandweite Aktionswoche.

SZ: Der Landkreis München gehört zu den reichsten Gegenden Deutschlands. Haben Sie dort als Schuldnerberaterin überhaupt etwas zu tun?

Sonja Hausner dos Santos: Die Arbeit wird sogar immer mehr. Wir haben im vergangenen Jahr 1425 Menschen beraten. Das ist ein Zuwachs von zwölf Prozent im Vergleich zu 2017. Hinzu kommen all diejenigen, die zwar Schulden haben, aber nicht bei uns landen, weil sie versuchen, ihre Probleme selbst in den Griff zu bekommen. Wir beobachten auf jeden Fall, dass der Druck der Menschen hier in der Region zunimmt.

Woran liegt das?

Ein wesentlicher Faktor ist, dass die Mieten so hoch sind und immer weiter steigen. Der Puffer, der übrig bleibt, wird dann immer kleiner, und es wird immer schwieriger, Unvorhersehbares zu bewältigen - etwa wenn die Stromkosten höher sind als erwartet. Gleichzeitig haben die Menschen große Angst, ihre Wohnung zu verlieren. Andere bräuchten - etwa nach einer Trennung - eigentlich eine kleinere Wohnung mit einer günstigeren Miete, finden aber keine.

Inwiefern unterscheiden sich die Probleme Ihrer Klienten hier in der Region zu anderen Gegenden Deutschlands?

Vielleicht ist es besonders schlimm, arm in einer Gegend zu sein, die so reich ist. In fast 40 Prozent der Haushalte, die wir beraten, leben Kinder. Für Eltern ist es schwierig, dass sie ihnen nicht das kaufen können, was aber alle Freunde haben.

Was ist im Leben der Menschen, die Sie beraten, schiefgelaufen?

Wir beraten nicht nur Hartz-IV-Empfänger. Mehr als die Hälfte der Leute, die zu uns kommen, arbeiten. Doch sie haben oftmals Brüche hinter sich. Eine Scheidung zum Beispiel kann jedem passieren, aber auf einmal sind die Ausgaben viel größer, weil man sich vorher alles geteilt hat. Auch die Umstellung vom Job in die Rente ist oftmals schwierig.

Wie helfen Sie diesen Menschen?

Zuerst erstellen wir einen Haushaltsplan, um Klarheit zu bekommen, was im Monat zur Verfügung steht. Viele tun sich bei der Flut von Briefen, Forderungen und Rechnungen schwer zu sortieren, was sie am dringendsten bezahlen müssen. Wir machen eine Gläubigerliste, um herauszufinden, bei wem welche Schulden bestehen. Außerdem ist vielen nicht klar, welche Rechte sie trotz der Schulden haben. Man kann zum Beispiel ein Pfändungsschutzkonto einzurichten, um das alltägliche Leben der Familie aufrechtzuerhalten.

Wie belastend ist es, Schulden zu haben?

Natürlich ist es nicht nachgewiesen, aber ich glaube, dass Menschen von Schulden krank werden können. Viele Klienten erzählen, dass sie grübeln, wenig schlafen, dass ihnen die Situation auf den Magen schlägt. Außerdem leiden viele unter Einsamkeit. Sie ziehen sich zurück, weil sie es sich nicht leisten können, mit Bekannten auszugehen oder sie einzuladen.

Im Zuge der Aktionswoche können sich Bewohner des Landkreises München am Freitag, 7. Juni, von 8 bis 10 Uhr mit ihren Fragen unter der Telefonnummer 089/32 18 32 21 an einen Berater werden.

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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