Freizeit in München:Eingepflanzte Glücksgefühle

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Die Natur genießen, mit den Händen in der frischen Erde arbeiten, die Pflanzen um einen herum bestaunen - Gärtnern spricht alle Sinne an und ist eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen. (Foto: imago images/Cavan Images)

Ob Saattütchen aus der Stadtbibliothek, krasse Kresse in recycelten Milchtüten, Rosentriebe in den Isarauen oder Fuchsien in Schloss Schleißheim: Sechs Freizeit-Tipps für Pflanzenfreunde, mit oder ohne grünem Daumen.

Von Jutta Czeguhn

Je mehr man gärtnert, desto mehr lernt man darüber, und je mehr man darüber lernt, um so mehr wird einem klar, wie wenig man weiß. So in etwa hat es die exzentrische Schriftstellerin und Gartenexpertin Vita Sackville-West formuliert. Und sie hat natürlich recht. Genau so wahr ist aber auch, Menschen, die gärtnern - ob nun in den eigenen Beeten, auf dem Balkon oder der Fensterbank - sind glücklicher, zufriedener. Während der Hochphasen und Wegsperrzeiten der Pandemie haben das viele erkannt. Der Garten, die Welt der Pflanzen, ein unerschöpfliches Thema. Und nun im Frühling gibt es wieder viel Neues zu entdecken.

Gartenlust und Gondelfahrten

Rosenraritäten und alte Tomatensorten locken die Besucher bei der "Gartenlust" in den Schleißheimer Schlossanlagen am Osterwochenende. (Foto: LOCO Veranstaltungs GmbH)

Der Fuchsien-Freundeskreis aus Oberschleißheim ist mit einem Stand dabei, auch "der kleine Garten" aus Pfeffenhausen mit seinen winterharten Stauden und Kräutern. Nach den coronabedingten Absagen in den vergangenen Jahren sind sie nun zurück, die Gartenmessen. Eine der großen findet am Osterwochenende vom 16. bis 18. April statt, die "Gartenlust Schlösser Schleißheim". Spezialitätengärtner bieten dort in den Anlagen nicht nur Beet-, Balkon-, Gemüsepflanzen, Blumenzwiebeln, Rosen-Raritäten oder Steingartengewächse, es gibt auch viel Kunsthandwerk und Garten-Dekor, etwa Frösche aus upgecycleten Ölfässern, zudem Infos über neueste Gartenwerkzeuge oder Vorträge, Live-Musik und Gondelfahrten. Auch wer einfach nur durch die schönen barocken Schlossanlagen flanieren möchte, für den lohnt der Weg nach Schleißheim. Weitere beliebte Gartenmessen schließen sich an, beispielsweise die Freisinger Gartentage am 7. und 8. Mai, die Tegernseer Garten- und Blumentage am 21. und 22. Mai oder zu Pfingsten die Tölzer Rosentage vom 3. bis 6. Juni.

"Gartenlust Schlösser Schleißheim" von Karsamstag, 16., bis Ostersonntag, 18. April, täglich 10 bis 18 Uhr, Tageskarte zehn, Dauerkarte 15 Euro, bis 16 Jahre Eintritt frei, www.gartenlust.eu

Tasten und schnuppern

Die dicken, hellgrünen Blätter der Schwertlilien sind dabei, in Richtung Sonne zu wachsen in einem der vier Hochbeete, die Aurikeln mit ihren doldigen Blütenständen sind deutlich weiter, sie leuchten schon in herrlich violetten Tönen. Was die Menschen, für die der Tastgarten auf dem Gelände der Baumschule Bischweiler angelegt ist, nicht unbedingt wahrnehmen können. Doch auf Täfelchen in Brailleschrift ist alles, was hier wächst, beschrieben. Und blinde und sehbeeinträchtigte Besucher können sich den Wiesensalbei, den Thymian oder geschützte heimische Pflanzen wie Arnika und Iris auch durch Berührung erschließen. Nur bei der gemeinen Küchenschelle sollten sie das lassen, die ist giftig, und Kontakt könnte zu Hautreizungen führen. Der Tastgarten ist einer von fünf öffentlichen Themengärten der seit 1901 existierenden Baumschule Bischweiler, deren Namen sich von der "Bischweilerstraße" herleitet, die einst dort entlang führte. Heute kultiviert das Baureferat auf dem weitläufigen Areal nahe den Isarauen in Untergiesing die Ziergehölze für die städtischen Beete. Neben dem Tastgarten gibt es noch den Giftgarten, den Duftgarten und den Fliedergarten. Der bekannteste und beliebteste Teil bei den Münchnern ist jedoch der Rosengarten mit seinen mehr als 200 verschiedenen Sorten. Von Frühsommer bis Herbst betören sie mit ihrem Duft. Ein Besuch in dieser wunderbaren städtischen Gartenoase lohnt jedoch zu jeder Jahreszeit.

Städtische Baumschul e, Sachsenstraße 2 (Nähe Schyrenbad), April bis September, Mo bis Fr 7 bis 21 Uhr, Sa/So/Feiertag 9 bis 21 Uhr, Oktober bis März Mo bis Fr 7 bis 18 Uhr, Sa/So/Feiertag 9 bis 18 Uhr, Eintritt ist frei

Saatgut aus der Bibliothek

Die erste Saatgutbibliothek in München: Kostenlos gibt es dort Saatgut zum Anbau von Tomaten, Erbsen oder Bohnensorten. Als Gärtner ist man allerdings auch gefordert. (Foto: privat)

Die junge Frau mit dem quengelnden Kleinkind hat eben einen Packen Bilderbücher zurückgebracht, die ältere Dame nach ihr sucht eine Smartphone-Anleitung für Einsteiger. Nun ist man selbst an der Reihe: "Wo bitte bekomme ich das Saatgut?" Keine ungewöhnliche Frage in der Stadtbibliothek Giesing, die Antwort der Dame am Schalter kommt prompt: "Da gehen Sie an die Information im ersten Stock". Dort findet man dann auch das Holzkästchen mit den weißen, durchscheinenden Tütchen. Sie enthalten sortenreines Saatgut, das man sich kostenlos für seinen Balkon oder Garten mitnehmen kann. Seit 22. März läuft dieser Modellversuch, die Giesinger Bücherei ist die erste "Saatgutbibliothek" in München. Ziel ist es, einen kleinen, nachhaltigen Kreislauf entstehen zu lassen. "Die Saatgutbibliothek möchte den Gedanken der Vermehrung, Weitergabe und des Tausches aufgreifen und zu neuem Leben erwecken", heißt es im Beipackzettel. Das Ganze funktioniert so: Man holt sich das Saatgut, es wurde speziell für den urbanen Anbau auf kleinen Flächen und Balkonen oder Terrassen ausgewählt - Tomaten, Erbsen, Salat, die alte Kulturpflanze Melde und verschiedene Bohnensorten. Man bekommt von der Aussaat bis zur Ernte regelmäßig Tipps von der Bibliothek (Newsletter, Infoabende). Wenn alles gut läuft und die Ernte eingefahren ist, gewinnt man aus den Früchten neue Samen, die man dann in die Bibliothek zurückbringt. Höchste Zeit wird's also für die Saat in Tütchen Nummer 13, für Arcadia, die "sehr robuste, schlank hochwachsende Kirschtomate". Denn spätestens im Herbst sieht man sich wieder, am Infoschalter im ersten Stock der Giesinger Bibliothek.

Saatgutbibliothek, Münchner Stadtbibliothek Giesing, Deisenhofener Straße 20, www.muenchner-stadtbibliothek.de , Kooperationspartner: Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e. V. , Ökologisches Bildungszentrum München , Green City e.V. , Urbane Gärten München

Die Hüter alten Pflanzenwissens

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Jahre ist es her, da hat man aus der "Blumenschule" in Schongau ein Pflanzen-Töpfchen mitgebracht, der Sortenname klang spannend: Johannisbeertomate. Der Setzling fand dann irgendwo im Garten zwischen all den anderen, den Ochsenherzen, den Cocktail- und Eiertomaten, einen Nischenplatz, schließlich sind Johannisbeeren ja recht winzig. Das war komplett falsch gedacht, denn die Pflanze hörte gar nicht mehr auf zu wachsen, wurde zu einer veritablen Hecke, mit hunderten köstlich süßer Tomaten-Murmeln. Und im nächsten Jahr tauchten sie an einer ganz anderen Stelle des Gartens wieder auf. Von ähnlich wuchernder Wuchskraft ist der Salbei, ebenfalls erworben in dieser besonderen Gärtnerei von Sabine Friesch und Rainer Engler , er ist längst Boss im Garten geworden. Was machen sie in der Blumenschule anders, dass ihre Pflanzen sich so großzügig vital neu beheimaten, hat man sie einmal aus den Gewächshäusern und vom weitläufigen, urwüchsigen Gelände am Rande der Lech-Stadt entführt? Nun, natürlich wird dort von je her kontrolliert biologisch angebaut, naturlandzertifiziert. Aber das alleine kann es nicht sein. Um das Geheimnis der Blumenschule zu entdecken, fährt man am besten selbst hin und lässt sich vom Ort inspirieren. Geöffnet ist der Direktverkauf immer nur samstags von 10 bis 15 Uhr. Oder man bucht eine der Führungen, in denen es um heimische Kräuter, Ritual- und Räucherkunde, Bräuche oder Pflanzensymbolik geht. Seit 13 Jahren gibt es auf dem Gelände der Blumenschule auch Seminare und die Möglichkeit, in den schlichten Auszeithütten Urlaub zu machen. Auch wenn die Englers sich als Hüter alten Pflanzenwissens verstehen, gehen sie mit der Zeit, mit Online-Shop und YouTube Videos. In einem erklärt Rainer Engler, 75, wie man in Milchtüten-Hälften Kresse ansetzt, und spricht den schönen Satz: "Es kann auch Erde vom Maulwurfshaufen sein..." Die Betreiber der Gärtnerei, die sich auch sozial engagieren, sind nun in der dritten Lebenshälfte angekommen, und die jüngste im Team sei 56, erzählt Sabine Friesch. Weshalb man das Sortiment runtergefahren habe auf Kräuter und Heil-, Räucher- und Ritualpflanzen, die unzähligen Sommersalbeis aber gebe es weiterhin. Mit der Nachfolge sehe es zwar "ganz schlecht" aus, noch aber sei das Ende der Blumenschule nicht unmittelbar in Sicht. Doch haben die Englers bereits Zukunftsideen, es werde etwas "sehr Schönes" sein.

Blumenschule, Augsburger Straße 62, Schongau, Tel. 088 61-73 73, www.blumenschule-schongau.de

Steinigungen im Vorgarten

Palmlilie im Mörtelkübel auf hellem Schotter: In seinem Buch "Garten des Grauens" hat der Biologe Ulf Soltau die erstaunlichsten Exemplare eines absonderlichen Trends zusammengetragen. (Foto: Eichborn Verlag)

Schließt man die Augen und stellt sich den größtmöglichen Kontrast zur Schongauer Blumenschule vor, schlägt man sehr hart auf. In einem dieser Schottergärten, die es auch in München gibt, die aber kurioserweise gerade in Neubausiedlungen ländlicher Gegenden beliebt sind. Da ziehen Leute in die Natur und verwandeln ihre eigenen Gärten in Steinwüsten. Der Berliner Biologe und Autor Ulf Soltau spricht in diesem Zusammenhang gerne und sehr direkt von "Psychopathen"- oder "Suizidalgärten", und hat sich damit schon so manche Drohmail eingehandelt. Kein Wunder, wer ist schon beglückt, wenn er sein Paradies aus Basalt und Granit plötzlich in Soltaus Erfolgsblog "Gärten des Grauens" ausgestellt sieht. Eine riesige Fangemeinde ("Liebe Schotterfreunde und Geröllheimer") folgt seinem Feldzug gegen diesen gestalterischen Unsinn in Zeiten von Klimaerwärmung und Artensterben und versorgt ihn dort mit immer neuen Fotos von Marslandschaften auf Polypropylen-Vlies, von Vorgärten wie im nuklearen Winter. Mit seiner Form der Gartensatire war Soltau so erfolgreich, dass zu seinen Gärten des Grauens mittlerweile zwei hochamüsante und zugleich fassungslos machende Bücher im Eichborn-Verlag erschienenen sind. Die Lektüre animiert dazu, sich mal in der eigenen Stadt nach diesen schönschaurigen Schotterwüsten umzuschauen.

Ulf Soltau, "Gärten des Grauens", "Noch mehr Gärten des Grauens", Eichborn Verlag

Gutes tun mit Gummibäumen

Heidi Nickel, Inhaberin vom Laden Isar Kollektiv, hat im Forum Schwanthalerhöhe ihre Stammkundschaft gefunden. Ein paar weitere Läden mit schönen Dingen könnten aber nicht schaden, findet sie. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Heidi Nickel hat selbst keinen Garten, allerdings einen Balkon, und vor allem diesen ausgeuferten, großen Gummibaum im Wohnzimmer. Ihr Ficus elastica, respektive viele kleine Ableger von der Mutterpflanze, haben mittlerweile allerdings auch bei anderen Münchnern ein Hause gefunden. Die 45-Jährige kam auf die Idee, die robuste Zimmerpflanze zu vermehren und den Nachwuchs weiterzugeben. Gegen eine Spende - jeder darf entscheiden, wieviel er geben möchte - kann man die Mini-Gummibäume in Nickels Geschäft, dem Isar-Kollektiv im Forum Schwanthalerhöhe, bekommen. Im März kamen die Einnahmen den Geflüchteten aus der Ukraine zu Gute, jetzt im April, sagt Heidi Nickel, soll "Save the Children" bedacht werden. Sie will monatlich wechseln und möglichst viele vertrauenswürdige Hilfsorganisationen unterstützen. Bei der Anzucht achtet Nickel, der Nachhaltigkeit sehr wichtig ist, darauf, dass sie ressourcenschonend arbeitet. Die Ableger dürfen in aufgeschnittenen Milchtüten wachsen und werden in hellbraunen Papiertüten angeboten. Was irgendwie auch zum Isar-Kollektiv passt, wo die Wege kurz sein sollen von den Produzenten zur Kundschaft, wo Manufakturen, Kreative, Start-ups und Labels mit Schwerpunkt aus München und Bayern ihre Waren anbieten können. Unter anderem findet sich da übrigens ein "Minigarten" für Balkonien, der gedeiht auch in der Papiertüte und wäre doch ein netter Nachbar für den Gummibaum.

Isar-Kollektiv, Forum Schwanthalerhöhe direkt an der Theresienwiese, (Erdgeschoß - Ausgang Schießstättstraße), Mo.-Sa. 10-19 Uhr, www.isarkollektiv.de

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