Fürstenfeldbruck:Von unbekannt für unbekannt

Lesezeit: 4 min

Zwischenlager: Fabian Schilleders Aktenschrank sowie sein ganzes Büro im Rathaus Gröbenzell ist kurz vor Weihnachten voller Präsente, die noch von ihren Empfängern abgeholt werden. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Mit Wunschbäumen organisieren Sozialeinrichtungen und Kommunen Weihnachtsgeschenke von Privatpersonen für Menschen mit geringem Einkommen.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Geben ist seliger denn nehmen. So steht es schon in der Bibel geschrieben. Auch heutzutage steht das Schenken bei vielen höher im Kurs als das Geschenke bekommen. Davon zeugen die vielen Wunschbäume, die es im Landkreis gibt: Soziale Einrichtungen und Kommunen ermöglichen so, dass auch Menschen mit wenig Geld zu Weihnachten ein Geschenk bekommen, das sie auspacken und über das sie sich freuen können.

Die Beschenkten äußern einen Wunsch, die Schenkenden dürfen sich aus einer langen Liste aussuchen, was sie schenken möchten. Oberstes Gebot dabei ist Anonymität. Ansonsten variieren die Regeln für die jeweiligen Wunschbäume, die unter anderem von der Caritas Fürstenfeldbruck mit der Hans-Kiener-Stiftung organisiert werden, sowie von den Kommunen Germering, Gröbenzell, Maisach, Olching und Puchheim; viele fordern einen Nachweis über die Hilfebedürftigkeit, manche haben eine Altersgrenze, in Puchheim ist die Aktion mit den örtlichen Geschäften verbunden.

Wer etwas über die Menschen erfahren möchte hinter den Wunschbäumen, hat es nicht leicht. Denn alle sind äußerst bedacht darauf, die Anonymität zu wahren. "Davon lebt die Aktion", erklärt Fabian Schilleder, der im Gröbenzeller Rathaus die von sozialen Einrichtungen gesammelten Wünsche bündelt und an Ingrid Streibel vom Bund der Selbständigen, dem ursprünglichen Initiator der Aktion, weitergibt.

Streibel verantwortet die Vergabe der Wünsche an Schenker, Schilleder nimmt die verpackten, mit Nummern versehenen Päckchen entgegen, lagert sie in und vor seinem Aktenschrank und gibt sie kurz vor Weihnachten mit seinen Kolleginnen und Kollegen an die Beschenkten aus; diese müssen innerhalb eines gewissen Zeitfensters ins Rathaus kommen. Dass die Anonymität dabei auffliegen könnte, befürchtet er nicht. "Wir haben so viel Publikumsverkehr im Rathaus."

Der Moment der Geschenkübergabe ist für Schilleder mit großer Freude verbunden. "Wir nehmen uns dann auch Zeit für die Geschenkeausgabe", häufig werde etwas miteinander geredet. Und die Übergabe selbst sei oft bewegend, manchmal mit ein paar Tränen verbunden. Denn die Schenkenden geben sich nach seiner Beobachtung viel Mühe und machen sich Gedanken, mit welchen weiteren Präsenten sie der Person noch eine zusätzliche Freude machen können.

"Oft sind die Leute selber überrascht, wie groß das Geschenk ist, wenn sie sich nur einen Gutschein gewünscht haben", erzählt er. Auch er wundere sich manchmal über Größe und Gewicht der liebevoll verpackten Geschenkpäckchen - ihr Inhalt bleibe ihm aber verborgen. Bisweilen kommt es sogar vor, dass die Tasche des Abholers für das Präsent zu klein ist; in solchen Fällen findet sich ein passender Beutel im Rathaus.

Viele Schenkende erweitern den Wunsch noch um ein weitere Präsente - ob der kuschelige Plüschhund auch dazu gehört, ist nicht bekannt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der lokale Charakter der Wunschbäume ist nach den Erfahrungen von Streibel und Schilleder sowie von Martina Fink von der Hans Kiener Stiftung für die Schenkenden offenbar einer der Hauptgründe zur Teilnahme. "Dass es hier vor Ort ist und den Menschen direkt zugute kommt", habe sie mehrfach in Gesprächen als Motiv fürs Mitmachen gehört, berichtet Fink.

Sie hat bei der landkreisweiten Aktion Schilleders Funktion inne. Die anonymisierten Wünsche bekommt sie von sozialen Einrichtungen im Landkreis, unter anderem den vier Tafelläden im Landkreis. Die Stiftung beteiligt sich seit 2017 an der ursprünglich von der Caritas initiierten Aktion - die Besucher des Christkindlmarktes kennen den mit den Wunschkarten geschmückten Wunschbaum. "Es ist jedes Jahr mehr geworden" - begonnen hat Fink vor fünf Jahren mit 362 Wünschen, in diesem Jahr sind es 571. In Gröbenzell waren es 59.

Auch Fink beobachtet ein großes Engagement und viel Hilfsbereitschaft bei den Schenkenden. "Heute war eine Frau da, die hat acht Geschenke gebracht." Sie habe eine große Familie, erzählt sie. Der jüngste Sohn, 13 Jahre alt, habe vorgeschlagen, auf gegenseitige Geschenke zu verzichten und stattdessen beim Wunschbaum mitzumachen. "Und es gibt ganz viele Namen, die seit Anfang an dabei sind." Fink freut sich, wie treu viele Menschen die Aktion unterstützen. Ebenfalls erwähnenswert: "Wir haben eine Teilnehmerin aus Oldenburg, die schickt ihr Paket immer per Post."

Freudvolle Momente: Das Ausgeben der Geschenke ist häufig mit positiven Emotionen verbunden. Diese Freude bleibt Fabian Schilleder und seinen Kolleginnen und Kollegen vorbehalten. Bürgermeister Martin Schäfer ist bei der Aktion Wunschbaum lediglich der Hausherr, Ingrid Streibel vom Bund der Selbständigen betreut die Vergabe der Wünsche. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Eine Frau aus Gröbenzell ist eine dieser treuen Schenkenden. Als sie den mit den Gröbenzeller Weihnachtskugeln und den durchnummerierten Wunschkärtchen geschmückten Weihnachtsbaum vor mehreren Jahren im Ortszentrum erstmals bewusst wahrgenommen hatte, war es sozusagen Liebe auf den ersten Blick. "Ich hatte diese Nummern entdeckt und mich gefragt, was die wohl zu bedeuten haben." Sie recherchierte im Internet und erfuhr, wie der Wunschbaum funktioniert.

"Ich fand die Idee so besonders und toll", schwärmt sie. Gleich im nächsten Jahr hat sie mitgemacht, seither ist sie immer dabei - fast. "Tatsächlich habe ich es einmal verpasst, weil ich zu langsam war", das habe sie sehr bedauert. Damit ihr das nicht noch einmal passiert, erkundigt sie sich jetzt immer schon Anfang November, wann der Wunschbaum aufgestellt wird. Denn einen Wunsch zu ergattern und zu erfüllen ist sehr begehrt, so erleben es auch Fink, Schilleder und Streibel.

Für die Gröbenzellerin, die zwei erwachsene Kinder hat und ebenfalls anonym bleiben will, ist es selbstverständlich, anderen zu helfen - noch dazu mit einer lokalen Aktion. Als ihre Kinder noch klein waren, unterstützte sie über eine Hilfsorganisation ein Patenkind in Südamerika - den Wunschbaum gab es damals noch nicht. "Ich fand das wichtig, dass meine Kinder mitkriegen, dass man anderen hilft, wenn es einem selbst gut geht."

Hat die Schenkerin aus Gröbenzell einen Wunsch ergattert, so überlegt sie, "über was könnte sich der Empfänger noch freuen". Sie kennt nur den Wunsch und weiß, welche Personengruppe dahintersteht (Alleinstehende, Familien, Rentner). Für ein älteres Ehepaar habe sie zum Beispiel zu einem Gutschein für eine Apotheke noch eine Packung Tee, ein paar Lebkuchen und eine Kerze dazugepackt. Das anonyme Schenken macht der Gröbenzellerin große Freude, nur manchmal plagen sie ein paar Zweifel an ihren Zusatzgeschenken: "Meine Sorge ist: Hoffentlich gefällt das überhaupt."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Adventskalender
:"Wir wollen nicht mehr als Last bezeichnet werden."

Eine Mutter flieht alleine mit ihren drei Kindern aus Afghanistan. Der Vater ist verschollen. Das Trauma der Flucht und Feindseligkeiten in Deutschland erschweren ihr das Leben. Nun kommen steigende Kosten dazu.

Von Ingrid Hügenell

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: