Kultur:Radikal Kunst

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Aus der Vogelperspektive beobachtet der Betrachter die jungen Künstler und ihre Ängste (Foto: Vivid)

Im Kollektiv "Vivid" sammeln sich junge Künstler aus der Region. Gleich ihr erster gemeinsamer Auftritt ist ein Paukenschlag: An diesem Wochenende stellen sie im Lenbachhaus aus.

Von Florian J. Haamann, Puchheim

Aus der Vogelperspektive darf der Betrachter dabei zusehen, wie eine Gruppe junger Menschen ihren Ängsten entgegentritt. Schicht für Schicht malen sie sie auf eine Leinwand. Zukunft, Vertrauen, Leben, Liebe, Sexualität. Es sind also die ganz großen Themen, die da in gemeinsam gemalte Bilder übersetzt werden. Diese so ursprüngliche und kraftvolle Auseinandersetzung mit den tiefen Verunsicherungen des erst seit wenigen Monaten bestehenden Künstlerkollektivs "Vivid" ist so eindrucksvoll und überzeugend, dass sie von diesem Freitag an im renommierten Münchner Lenbachhaus zu sehen sein wird. Das gut fünf Minuten lange Video ist Teil der Ausstellung "Junge Gruppendynamik", mit der das Lenbachhaus jungen Künstlern eine Stimme geben will.

Jüngster Träger des Kunstförderpreises

"Wir haben gemerkt, dass wir alle ähnliche Ängste haben, dass das etwas ist, was uns Junge verbindet", sagt die 19-jährige Melanie Paeschke. In der Videoinstallation werden diese Ängste aber nicht nur gezeigt. Dadurch, dass nach jedem Bild die Leinwand erst einmal gemeinsam wieder weiß bemalt wird, überwindet die Gruppe sie auch. Entstanden ist die Arbeit in einem langem Treffen, die Künstler sind am Abend zusammengekommen und haben bis zum Morgen durchgearbeitet. "Irgendwann haben wir einfach die Zeit vergessen. Und auch, dass die Kamera alles mitfilmt", sagt Paeschke, die an der Akademie der bildenden Künste in Wien studieren möchte. Es sei viel gesprochen worden, die Aktion habe die Gruppe noch näher zusammengebracht. "Man kann diese gruppendynamischen Prozess auch im Video sehen", sagt Nikos Georgalas. Als jüngster Träger bisher ist er im vergangenen Jahr als 18-Jähriger mit dem Kunstförderpreis des Landkreises ausgezeichnet worden, gerade erst hat die Kunstakademie in München ihn für das kommende Semester angenommen.

Bei der Kunstpreisverleihung im vergangenen Oktober ist Georgalas direkt von Marta Zientkowska-Schulz angesprochen worden, die damals gerade einen Monat Vorsitzende des Kulturvereins Puchheim war - und seitdem der Kunstszene im Landkreis ordentlich aufmischt und belebt. "Sie hat mich angesprochen und mir von ihrer Idee einer jungen Gruppe erzählt. Ich habe sofort gesagt, ich kriege bis Ende des Jahres zehn Leute zusammen", erinnert sich Georgalas, der mittlerweile unter dem Künstlernamen Ilion auftritt. Denn eigentlich besteht die Gruppe schon, ein Freundeskreis, in dem sich viele Kunstschaffende finden. Nur die Plattform hat damals noch gefehlt. "Vivid ist das Dach, das wir gebraucht haben. Das Resultat sieht man an Projekten wie jetzt dem Lenbachhaus", sagt Ilion. "Es ermöglicht uns, uns künstlerisch weiterzubilden. Man spricht miteinander, präsentiert eine Idee und dann wird daraus das, was es werden sollte, was man alleine aber vorher nicht wusste. Das ist einfach diese Gruppendynamik", ergänzt der 18-jährige Lafayette.

Raum für Fantasie

In der mittlerweile 16-köpfigen Gruppe finden sich Künstlerinnen und Künstler quasi aller Medien, vom klassischer Malerei über Literatur bis Musik. Bei regelmäßigen Treffen wird über Kunst, Literatur und das Leben philosophiert, man besucht Ausstellungen und arbeitet freilich auch an eigenen Werken. "Wir verstehen uns als Raum für Fantasie. Alles, was du an Gedanken und Emotionen hast, ist Kunst. Du bist Kunst. Wir machen die Kunst für uns, aber vielleicht kann man sagen, dass es das ist, was wir den Menschen näher bringen wollen", sagt Paeschke.

Erste Arbeiten der Gruppe konnten die Besucher bereits bei der Ausstellung "Nude" sehen, die der Kulturvereins im Mai im Puchheimer Kulturzentrum gezeigt hat. "Sonst haben wir uns bisher eher an sozialen Aktionen beteiligt", sagt Ilion. So hat die Gruppe für ein Benefizkonzert für die Ukraine eine fünf auf fünf Meter große Friedenstaube auf die Wiese vor dem Puc gemalt, bei Veranstaltungen der Stadt mit Kindern gezeichnet und die Kinderbetreuung bei einem Treffen ukrainischer Mütter übernommen. Der nächste künstlerische Auftritt ist aber bereits in Arbeit. Im September bekommt Vivid die erste Einzelausstellung im Puchheimer Kulturzentrum. Was genau da zu sehen sein wird, wird bei den nächsten Treffen entwickelt. Aber die ersten Ideen, von denen die drei Mitglieder erzählen, klingen spektakulär. Vivid, das wird schnell deutlich, ist keine Eintagsfliege. Vivid ist ein Phänomen, das dem Landkreis die Poesie zurückgibt. Vivid ist Kunst.

"Junge Gruppendynamik", Ausstellung im Lenbachhaus, Eröffnung am Freitag, 15. Juli, 19 Uhr. Danach zu sehen Samstag und Sonntag, 16. und 17. Juli, 10 bis 18 Uhr

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