Fürstenfeldbruck:In Sorge um die Ukraine

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Für die Friedensaktion bilden Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Niederbronner Platz aus Windlichtern ein Peace-Symbol. (Foto: Günther Reger)

Am Freitagabend kommen am Niederbronnerplatz Menschen für eine Friedensaktion zusammen. Was versprechen sie sich davon?

Von Carim Soliman, Fürstenfeldbruck

In München tagen am Wochenende mächtige Amtsträgerinnen und Amtsträger. Sie eint ihr Einfluss - und einige ihre Feuerkraft. Zivile und militärische Staatsvertretungen, aber auch Personen aus Wirtschaft und Wissenschaft sowie Lobbyisten beraten eigentlich über die globale Sicherheitslage. Eigentlich, weil die Ukraine-Krise in diesem Jahr alle anderen Themen der Münchener Sicherheitskonferenz überschattet. Auch in Fürstenfeldbruck wird der Konflikt zum Thema, und so kommen am Freitagabend Menschen anlässlich des drohenden Krieges zusammen. Ganz bewusst in Abgrenzung zum Politik- und Medienspektakel 25 Kilometer weiter östlich.

Hinsichtlich der Größenordnung ist ihnen das schon mal gelungen. Während in München ein Riesenaufgebot der Polizei die halbe Innenstadt abriegelt, steht kurz vor Sieben genau ein Streifenwagen am Niederbronnerplatz. Für den Moment. Kurz darauf wird es selbst der einsamen Streife zu bunt - beziehungsweise nicht bunt genug. Sie rollt davon. Gut zwei Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind für die Friedensaktion zusammengekommen. Sie stehen vor dem kleinen Holzplateau am Nordende des Platzes.

Windlichter bilden ein Peace-Symbol

Ein bisschen mehr hat sich Organisator Jürgen Schulz schon erhofft. Er sei aber sehr glücklich über diejenigen, die trotz des schlechten Wetters gekommen sind. Beinahe hätte der Sturm die ganze Aktion abgeblasen. So weit kam es nicht, aber die starken Böen stellen den Ablauf vor Herausforderungen. Inmitten des Menschenkreises sollen Windlichter in Gläsern ein Peace-Symbol in die Dunkelheit leuchten. Nur sind Windgläser eben keine Sturmgläser. Immer wieder gehen sie aus, immer wieder eilen Helferinnen und Helfer mit Stabfeuerzeugen herbei und entzünden sie erneut. Eine Sisyphusarbeit, völlig aussichtslos. Was man nicht tut für den Frieden.

Und nur darum geht es den Teilnehmenden. Sie wollen, dass es friedlich bleibt zwischen Russland und der Ukraine. Gut stehen die Chancen nicht. Mittlerweile spricht das US-Außenministerium von bis zu 150 000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine. Die ukrainische Armee und mit Russland verbündete Separatistengruppen werfen sich gegenseitig Raketenangriffe vor. Die Diplomatie scheint zu scheitern. Die russische Seite verlangt für den Abzug ihrer Kräfte eine Garantie, wonach sich das westliche Militärbündnis Nato nicht weiter gen Osten ausdehnen soll. Die Bündnismitglieder lehnen das kategorisch ab. Und nun?

Auch am Niederbronnerplatz kann darauf niemand so recht antworten. Aber ist das ohnehin nicht Sinn der Sache. "Mich stört, wie die Medien die Situation in Kurzmeldungen polarisiert darstellen", erklärt Jürgen Schulz. Auf den ersten Blick ist Schulz nicht die imposanteste Erscheinung. Er ist jenseits der 80, schmächtig, bewegt sich sehr behutsam. Doch in seinen Worten liegt eine Unerschütterlichkeit, manchmal sogar Widerspenstigkeit. Selbst, wenn sie unverständlich scheinen.

Auf Kommando schlägt jemand andächtig auf eine Klangschale

"Die Medien schaffen Feindbilder", referiert er. "Die mögen richtig sein oder falsch. Aber für mich gibt es keine Feinde. Es gibt Menschen, die Böses tun. Aber sie müssen keine Feinde sein." Mit der Friedensaktion möchte er lediglich Menschen eine Möglichkeit bieten, abseits "der Medien" ihre Besorgnis über die Ukraine-Krise auszudrücken und sich gegenseitig zum Nachdenken darüber anzuregen. Sie stünde für keine konkrete Forderung, kein Verhaltens- oder Denkmuster.

Immerhin: Monika Glemnitz ist für etwas. Genauer gesagt gegen etwas, die Münchener Sicherheitskonferenz. Dass an der ukrainischen Grenze Krieg drohe, mache ihr große Angst. Besonders bewusst wurde ihr das durch den US-Präsidenten Joe Biden. "Als er sagte, am Mittwoch bricht der Krieg aus - das ging mir durch Mark und Bein." Doch bei der Siko ginge es nicht um globale Sicherheit, sondern den Machterhalt der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Als Teil des Sozialforums Amper habe sie an der Demo gegen die "Siko" teilgenommen.

Im Vorhinein war die Organisation der Friedensaktion eher bemüht, sich von gewissen Denkrichtungen abzugrenzen. Ursprünglich sollte die Aktion auf dem Volksfestplatz stattfinden. Keine gute Idee, "weil die Querdenker da immer ihre Spaziergänge starten", erklärt Willi Dräxler. Christian Götz und er sitzen für die Brucker Bürgervereinigung im Stadtrat und haben den Niederbronnerplatz als Alternative vorgeschlagen. Während sie die Entscheidung begründen, werden sie von einem eintreffenden Mann herzlich begrüßt. Er zieht sich eine FFP2-Maske auf, obwohl Schulz ihn darauf hinweist, dass sie im Freien nicht vorgeschrieben sei. "Ich trage sie besser", erwidert der Mann. "Nicht, dass die Leute denken, wir gehören zu diesen Impfgegnern."

Und so eröffnet Jürgen Schulz die eigentliche Veranstaltung mit dem Hygienekonzept. "Haltet Abstand", bittet er von der Bühne herab. Ein Mikrofon und ein Verstärker stehen dort für seine Moderation und darauf folgenden Lesungen. Zwei Leserinnen tragen Auszüge aus Werken von Dietrich Bonhoeffer und Sophie Scholl vor. Ein Leser rezitiert zum Schluss ein Gedicht von Hıdır Eren Çelik. Zwischen den Beiträgen schlägt jemand abseits der Bühne auf Kommando mit einem Holz andächtig gegen eine Klangschale. Dann ist die Friedensaktion schon wieder vorbei. Punkt 19.24 Uhr spricht Jürgen Schulz ins Mikrofon: "Die Veranstaltung ist beendet."

Spontan stimmen zwei Frauen aus dem Kreis der Zuhörenden doch noch ein Lied an. "Herr, gib uns deinen Frieden", singen sie, andere steigen ein. Eine der Frauen ist Sabine Wagner-Rauh. "Es kann nicht sein, dass mitten in Europa ein Krieg ausbricht", sagt sie anschließend. Aber lässt sich das mit Gesang, Lesungen und ein paar Kerzen verhindern? Wagner-Rauh lacht. Natürlich sei das nur eine kleine Geste. Aber als langjährige Mitarbeiterin von Amnesty International habe sie die Erfahrung gemacht, dass auch kleine Dinge Großes bewirken können.

Als die Teilnehmerinnen auseinander gehen, fangen Helferinnen und Helfer der Friedensaktion an, abzubauen. Die packen die Technik ein, eine Regenbogenfahne wird eingerollt. Als sie die Windlichter einsammeln, leuchten einige von ihnen noch. Wind und Wetter zum Trotz. Die Hoffnung stirbt eben zuletzt.

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