Klimaschutz:Freie Fahrt für freie Demokraten

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Walter Ulbrich (von links) von Campo Limpo diskutiert mit FDP-Landtagskandidat Ulrich Bode und dem stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion Lukas Köhler. (Foto: Jana Islinger)

In Puchheim diskutiert Walter Ulbrich mit Lukas Köhler, dem stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, über die Einführung eines Tempolimits. Dieser will lieber auf Emissionshandel als Verbote setzen

Von Davide De Luca, Puchheim

Eigentlich hat alles vergleichsweise harmlos begonnen. Der Puchheimer Verein Campo Limpo wandte sich - in Anbetracht einer Studie des Wuppertaler Klimainstituts zum Downsizing-Effekt - an Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Er solle eine Studie in Auftrag geben, die die globale Wirkung eines Tempolimits von 120 in Deutschland berechnet. Daraufhin meldeten sich, mit Bezug auf die Äußerungen von Campo Limpo in der SZ, der FDP-Landtagskandidat Ulrich Bode und der FDP-Kreisvorsitzende Martin Koch zu Wort. Nach einigem Hin und Her wurde klar, es braucht eine Gesprächsrunde. Der FDP-Kreisverband organisierte deshalb eine Podiumsdiskussion zum Thema "Verbote vs. Anreize" und lud Walter Ulbrich von Campo Limpo und den stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, Lukas Köhler, in die Bürgerstuben in Puchheim ein. Ulrich Bode moderierte den Abend.

Das erste Wort hatte Walter Ulbrich. Beim Klimaschutz gehe es um Solidarität, sagte er. Solidarität zwischen dem "Globalen Norden" und dem "Globalen Süden". Er zitierte einen Satz, der im hölzernen Nord-Süd-Tor - dem Mahnmal am Bahnhof Puchheim - eingeritzt ist. "Nur ein Wir - nur eine Erde". Immer währendes Wachstum sei in Anbetracht dessen, dass es planetare Grenzen gebe, nicht möglich. Es müsse global gesehen um die Einsparung von Ressourcen gehen. "Wir müssen mehr den Weg hin zu einer Kreislaufwirtschaft gehen." Ein Tempolimit von 120 könne dazu beitragen, so der 79-jährige. Durch den Downsizing-Effekt könne der Ausstoß von Kohlendioxid in der Bundesrepublik jedes Jahr um 400 Millionen Tonnen sinken, und zwar deshalb, weil Automobilhersteller dann kleinere Autos bauen würden, da dies unterm Strich für sie günstiger sei. In Ulbrichs Augen ein guter und praktikabler Anfang, um zumindest einige der so wertvollen Ressourcen einzusparen.

Der Bundestagsabgeordnete setzt auf Emissionshandel statt eines Tempolimits

Nach Ulbrichs Plädoyer ergriff Lukas Köhler das Wort. Er ist Abgeordneter des Deutschen Bundestages und war bis 2017 Geschäftsführer des Instituts für Umweltethik an der Hochschule für Philosophie in München. "Zunächst müssen wir den Ausführungen zum Tempolimit einige grundlegende Überlegungen voranstellen", sagte der promovierte Philosoph. Dem politischen Kern der FDP entsprechend seien die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger besonders schützenswert. Für die FDP gehe es darum, einen starken, aber schlanken Staat zu haben. Also einen, der, wenn nötig, gezielt eingreift, sich ansonsten aber so weit wie möglich zurückzieht. Es gehe um die Abwägung, wann es Ordnungsrecht brauche und wann es besser sei, Anreize zu schaffen. Köhlers Ansicht nach sei der Emissionshandel dasjenige Werkzeug, das am wirksamsten und daher am sinnvollsten sei. Besonders einen volkswirtschaftlichen Schaden gelte es unbedingt zu vermeiden. Ein Tempolimit könne das nicht leisten, es sei ein unnötiger Freiheitseingriff. Und ob es dadurch tatsächlich zu einem Downsizing kommen würde, stehe keinesfalls sicher fest.

In der Puchheimer Bürgerstuben wird auf Einladung der FDP über das Für und Wider eines Tempolimits diskutiert. (Foto: Jana Islinger)

"Ich verstehe nicht, was Rasen mit Freiheit zu tun haben soll", entgegnet Walter Ulbrich. Ein Tempolimit sei ein wirksames Mittel, das schnell umsetzbar sei, Deutschland das letzte Land weltweit, das keines habe, erklärte der promovierte Elektroingenieur. "Wir machen uns sich schlicht unglaubwürdig." Außerdem sei die Studienlage erdrückend, neben der Studie zum Downsizing-Effekt gebe es Berechnungen des Bundesumweltamts, die auf Einsparmöglichkeiten von 6,7 Millionen Tonnen CO2 durch ein Tempolimit 120 hinweisen. Köhler entgegnet, dass diese Zahlen viel zu hoch gegriffen seien und dass die Einsparungen maximal bei 1,1 Millionen Tonnen CO2 liegen würden. Er berief sich dabei auf eine Kurzstudie, die im Auftrag der FDP angefertigt worden ist. Zudem sei es einfach wirkungsvoller, den Verkehrssektor in den Emissionshandel einzufügen. Der Emissionshandel greife zu kurz und sei zu langsam, entgegnete Walter Ulbrich.

Der ehemalige Kreisvorsitzende betont, dass es auch um gesellschaftliche Akzeptanz geht

Zwischen den Diskussionsrunden hatten die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung die Gelegenheit, selbst Fragen zu stellen. Ulrich Bode ging mit dem Mikrofon herum und ließ sie zu Wort kommen. Ein Besucher aus Puchheim etwa wollte wissen, worin genau der volkswirtschaftliche Schaden bestehen würde, wenn ein Tempolimit eingeführt wird. Lukas Köhler gestand daraufhin, er habe die Einzelheiten der Studie, die er dazu gelesen hat, nicht parat genug, um diese in der gebotenen Präzision wiederzugeben. Er versprach jedoch, diese nachzureichen. Walter Ulbrich warf ein, dass es auch Untersuchungen geben würde, die auf Wohlfahrtsgewinne und nicht auf Schäden hinweisen würden. Der ehemalige FDP-Kreisvorsitzende Hendrik Grallert gab in einer Wortmeldung zu bedenken, dass auch die gesellschaftliche Akzeptanz solcher Maßnahmen eine entscheidende Rolle spiele. Für den 43-jährigen sei es persönlich beispielsweise kein Problem, auf das Skifahren zu verzichten, weil es keines seiner Hobbys ist. Für passionierte Skifahrer allerdings sei es ein massiver Eingriff.

Lukas Köhler bemühte sich, die Fragen aus dem Publikum zu beantworten, hatte allerdings einen Anschlusstermin und daher wenig Zeit. Walter Ulbrich bedankte sich dennoch. Er wisse, dass Köhlers Terminkalender sehr voll sei und schätze es daher, dass er sich die Zeit genommen hatte. Als die Veranstaltung schon längst offiziell beendet war, saßen Ulrich Bode und Walter Ulbrich noch immer am Podiumstisch und diskutierten. Bei allen inhaltlichen Differenzen waren sie sich in einem einig: dass ein Austausch wichtig ist und dass dieser demokratisch stattfinden müsse.

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