SZ-Adventskalender:Wenn die Zwangsräumung droht

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Etwa 300 Fälle drohender Wohnungslosigkeit betreut die Fachstelle in Fürstenfeldbruck jedes Jahr. (Foto: imago stock/imago images/Westend61)

Menschen, die kurz vor der Obdachlosigkeit stehen, erhalten unbürokratische Hilfe von der Fachstelle Wohnen des Landkreises Fürstenfeldbruck.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Wer in dem spartanisch eingerichteten Büro von Heinrich Baumann und seinen Kolleginnen der Fachstelle Wohnen Platz nimmt, der hat ein Problem. Meist ist es existenziell. Denn an die Einrichtung wenden sich Menschen, die (meist kurz) vor dem Verlust ihrer Wohnung stehen und nicht wissen, wie sie aus dieser Situation herauskommen sollen. Baumann, seine Stellvertreterin Irmgard Alefs und die drei Mitarbeiterinnen tun dann alles, um erst einmal das Schlimmste zu verhindern: die Zwangsräumung. Und danach geht es um die Frage, wie der Klient oder die Klientin seine Situation mittel- und langfristig wieder in die richtigen Bahnen lenken kann. Um diese Arbeit zu unterstützen, möchte der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung der Allgemeine Sozialberatung der Caritas, zu der auch die Fachstelle Wohnen zur Hälfte gehört, bei der Anschaffung von Gutscheinen für deren Klienten finanziell helfen.

Manchmal muss es in der Fachstelle richtig schnell gehen. "Vor vier Tagen habe ich von der Stadt Puchheim einen Anruf bekommen, dass bei einer Frau morgen eine Zwangsräumung ansteht", erzählt Alefs. In solchen Momenten schaltet sie in den Krisenmodus, die Arbeitstage können dann schon Mal länger werden, das Telefon wird zum wichtigsten Werkzeug. Denn es gilt mit dem Vermieter zu sprechen, mit allen möglichen Behörden und manchmal auch eine Institution zu finden, die kurzfristig in die Bresche springt. Irmgard Alefs muss vermitteln, aufklären und vor allem bitten. Und dabei immer nach kreativen Ansätzen suchen. So auch in diesem Fall. Weil die betroffene Frau mehrere Kinder hat, kommt sie auf die Idee, beim Kinderschutzbund nachzufragen. Dort springt man mit einem zinslosen Darlehen ein, auch der Vermieter spielt mit. Damit kann die Räumung im letzten Moment verhindert werden. Die offizielle Bestätigung sei erst vor wenigen Stunden eingegangen, sagt Alefs. Doch gelöst ist das Problem damit noch lange nicht, immerhin belasten nun die Schulden durch den Kredit die Familie, und dann gibt es da ja noch die Gründe, die zur drohenden Räumung geführt haben. Die Arbeit für die Fachstelle geht also weiter.

Heinrich Baumann von der Caritas leitet die Fachstelle Wohnen in Fürstenfeldbruck. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Selbst kann die Einrichtung nicht mit finanzieller Hilfe einspringen, weil sie dafür keine Mittel hat. Die Fachstelle wurde vom Landkreis 2013 initiiert und wird von Caritas und Awo gemeinsam getragen. Irmgard Alefs arbeitet dort als stellvertretende Leiterin in Vollzeit, Heinrich Baumann hat die Leitung, muss seine Vollzeitstelle aber aufteilen. Er ist auch noch für die allgemeine Sozialberatung, das Kap - die Beratungsstelle und Unterkunft für wohnungslose Menschen - und die JuWo - die Beratungsstelle und Unterkunft für junge, akut wohnungslose Menschen - verantwortlich, die alle zur Caritas gehören. Was praktisch sei, weil sich viele Probleme und Fälle in diesen Bereichen überschneiden.

Etwa 300 Fälle bearbeitet die Fachstelle Wohnen pro Jahr. Hinter einem Fall können sich dabei natürlich mehrere Schicksale verbergen, weil oft Familien betroffen sind. Dazu komme eine Vielzahl von Einmalberatungen. Hilfe findet dort jeder, der Probleme mit seinem Mietverhältnis hat, seien es Zahlungsrückstände, Kündigung, Räumungsklage oder Probleme mit dem Vermieter. Immer wieder, erzählen Baumann und Alefs, gebe es Fälle, die sie so auch noch nicht gesehen oder für möglich gehalten hätten. Die Stelle wird außerdem automatisch vom Amtsgericht informiert, wenn eine Zwangsräumung ausgesprochen wird, das Team kann dann aktiv Kontakt zu den Betroffenen suchen.

Krankheit oder ein unerwarteter Jobverlust - die Gründe für drohende Obdachlosigkeit sind vielfältig

Mittlerweile haben die Mitarbeiter der Fachstelle ein weites Netzwerk zu den Behörden aufgebaut, aber auch zu den großen Vermietern im Landkreis. Diese seien oft froh, wenn die Einrichtung einen Fall übernimmt - weil sie dann wissen, dass sich nun Experten darum kümmern und mit ihrer Hilfe oft eine Lösung gefunden wird. Den "klassischen Klienten" gebe es dabei allerdings nicht, betont Baumann. Die Gründe, warum Menschen die Obdachlosigkeit droht, seien genauso vielfältig wie die Hintergründe der Betroffenen. Mal ist es eine Krankheit, mal ein unerwarteter Jobverlust - oder ein persönlicher Streit zwischen Mieter und Vermieter, den die Fachstelle erst einmal schlichten muss, bevor es weitergehen kann. "Ich hatte auch schon einen Vermieter, der gesagt hat, wir können erst weitermachen, wenn sich der Mieter persönlich bei ihm entschuldigt hat", erzählt Alefs. Der einzige gemeinsame Nenner, den er benennen könne, sagt Baumann, sei, dass eben jeder aus irgendeinem Grund Probleme mit seiner Wohnsituation habe. Und so pendelt das Arbeitsprofil der Fachstelle stets zwischen Mediation, Feuerwehr, Seelsorge und Call-Center.

Eine gestiegene Nachfrage nach Beratungen wegen der aktuellen Energiekrise kann Baumann aktuell noch nicht erkennen. Dafür lasse sich in den vergangen Jahren ein anderer Trend erkennen: immer häufiger kommen Klienten wegen Eigenbedarfskündigungen in die Fachstelle. Eine wirkliche Erklärung hat man dafür nicht, über die Gründe kann Alefs nur spekulieren: "Vielleicht wollen gerade viele private Vermieter wegen der allgemeinen Situation nahen Angehörigen Wohnraum zur Verfügung stellen, die Oma für ihren Enkel, der gerade sein Studium beginnt oder ähnliches". Und egal, warum Menschen in eine solche Situation geraten, für alle hat die Fachstelle einen wichtigen Leitsatz, der auch auf dem Flyer der Einrichtung zu finden ist: "Es ist nie zu spät, unser Beratungsangebot wahrzunehmen. Die Erfahrung zeigt aber: Je früher bei drohendem Wohnungsverlust professionelle Hilfe aufgesucht wird, desto größer sind die Erfolgschancen".

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