Reinhold Messner:Routen zu Ruhm und Tod

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Reinhold Messner spricht im Stadtsaal über den Nanga Parbat, der auch sein persönlicher "Schicksalsberg" ist. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Nanga Parbat ist sein Schicksalsberg, doch Reinhold Messner hat noch nicht genug von diesem Achttausender. In Fürstenfeldbruck fasziniert er 800 Zuhörer im Stadtsaal

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Gegen Ende seines Vortrags zeigt Reinhold Messner den 800 Zuhörern im Fürstenfeldbrucker Stadtsaal ein Bild von sich und seinen Geschwistern. Messner, erst vor ein paar Tagen 78 Jahre alt geworden, blickt auf die riesige Leinwand auf der Bühne und erzählt, dass sie alle Akademiker geworden seien. Er dagegen sei ein "Eroberer des Nutzlosen". Sein Publikum scheint dankbar zu sein für diesen kleinen selbstironischen, auflockernden Einschub in die schon mehr als eine Stunde dauernde Erzählung von Wagemut, Entbehrung, Angst, Tod und Trauer. Was der ehemalige Extrembergsteiger und Achttausenderbezwinger erzählt, ist mit Sicherheit sehr vielen im Stadtsaal schon bekannt. Doch das Publikum ist gekommen, um es von einer Ikone im Alpinismus selbst zu hören. Messner hat für seine neue Vortragsreihe, die ihren Auftakt am Donnerstagabend in Fürstenfeldbruck hat, wieder den Nanga Parbat als Thema gewählt. Dieser Berg steht wie kein anderer für das Schicksal und die Legende des Südtiroler Expeditionsbergsteigers. Und auch wenn schon vieles bekannt ist, so hörten und vor allem sahen die Zuschauer auch einiges Neues, was Reinhold Messner dafür zusammengetragen und hatte filmen lassen.

Anders als bei seinen Expeditionen, nimmt sich Reinhold Messner in seinem Vortrag wenig Zeit für die, die sich mit ihm nun auf die Reise in die sauerstoffarmen Regionen aufmachen. Er darf voraussetzen, dass alle daran interessiert sind, Neues über den sogenannten deutschen Schicksalsberg zu erfahren. In den Dreißigerjahren kam ein Dutzend deutschsprachiger Bergsteiger bei der Besteigung des Nanga Parbat ums Leben, ohne dass einer der Alpinisten den Gipfel erreicht hätte. Das gelang erst 1953 dem Österreicher Hermann Buhl in einem Alleingang. Auch wenn Messner nun in seinem Vortrag, in der ihm eigenen Art von ruhig bis energisch, die Bilder und Filmeinspielungen erklärt, von den ersten Versuchen englischer Bergsteiger Ende des 19. Jahrhunderts bis zu den touristischen Besteigungen dieser Tage, so geht es ihm über alle Fakten hinaus um die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur.

Natürlich muss man wissen, wer diese Menschen waren und welche Motive sie hatten, welcher Wahnsinn sie an- und oft auch in den Tod trieb. Aber es ist nicht lustig, was Messner da von der 4500 Meter hohen Rupalwand berichtet, es ist aufregend, wenn er die Merklrinne anspricht, das letzte, besonders gefährliche Teilstück des Rupal, und es macht betroffen, wenn er von jenen Stellen berichtet, an denen sich die erschöpften Bergsteiger hinlegten, um für immer einzuschlafen. Messner weiß, was er seinen Zuhörerinnen und Zuhörern zumuten kann, und doch geht ein tiefes Durchatmen durch den Saal, als er einen Filmausschnitt aus dem Jahr 2005 zeigt, wie Einheimische im Diamirtal die sterblichen Überreste eines Menschen bergen. Messner ist dort zu hören, wie er einen Bergschuh als den seines Bruders Günther identifiziert, er erklärt anhand der gefundenen Haare, dass sie die Haarfarbe seines Bruders hätten, während die Knochen- und Hautfragmente, die der Gletscher 35 Jahre nach dem Bergtod seines Bruders ausgespuckt hat, mittig und riesengroß auf der Leinwand der Stadtsaalbühne zu sehen sind.

Spätestens dann ist auch dem Letzten im Saal klar, dass es natürlich auch der Schicksalsberg des Reinhold Messner ist. Weil am Nanga Parbat, den Der Spiegel einen "Menschenfresser aus Eis und Stein" genannt hat, die Brüder im Juni 1970 zwar den Gipfel erreichten, aber nur Reinhold Messner ins Tal zurückkam. Geschunden vom Berg und voller Trauer um den Tod des zwei Jahre jüngeren Bruders und Seilpartners. Der Schock damals hat nicht ausgereicht, um mit dem Extrembergsteigen aufzuhören und immer wieder darüber zu erzählen. So nutzlos können Messners Eroberungen also nicht gewesen sein.

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