Landgericht München:Der Anwalt hat das letzte Wort

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Gericht spricht 33-Jährigen vom Vorwurf der räuberischen Erpressung frei.

Von Andreas Salch, Germering

Es war ein kurioses Verfahren, das da vor dem Landgericht München II stattfand: Ein Sachverständiger übersieht einen Fingertapser auf dem Objektiv einer Überwachungskamera. Dennoch sind sich Polizei und Staatsanwaltschaft sicher, dass es sich bei dem Mann, der auf dem Video zu sehen ist, um Fidan H. handelt. Im September 2014 soll er gemeinsam mit einem Komplizen einen Raubüberfall auf einen Baumarkt in Germering verübt und dabei etwas mehr als 62 000 Euro erbeutet haben. Seit Anfang Dezember vergangenen Jahres musste sich der 33-Jährige vor dem Landgericht München II verantworten. Letztlich konnte er aber aufgrund der schlechten Qualität des Videos nicht überführt werden. Deshalb sprachen die Richter der 7. Strafkammer Fidan H. jetzt frei. Das Urteil war keine große Überraschung mehr. Denn schon am vorletzten Verhandlungstag, Mitte März, hatte der Vorsitzende Richter Christoph Oberhauser den Haftbefehl gegen den 33-Jährigen aufgehoben. Ausschlaggebend dafür war das Gutachten eines zweiten Sachverständigen. Er war zu dem Ergebnis gelangt, dass unter anderem wegen des Fingertapsers auf dem Objektiv der Überwachungskamera sowie physiognomischer "Unvereinbarkeiten" zwischen dem Mann auf dem Video und Fidan H. nicht festgestellt werden könne, ob er der Täter ist.

Der Prozess endete mit einer weiteren Kuriosität. Fidan H. erschien nämlich nicht zu der Verhandlung. Das war mehr als verwunderlich, da er nämlich wegen eines anderen Delikts derzeit noch eine Haftstrafe verbüßt. Wie sich herausstellte, war der 33-Jährige nach dem letzten Verhandlungstag versehentlich mit einem Gefangenentransport nach Lübeck "verschubt" worden. Wo sich Fidan H. während des letzten Prozesstages genau befand, ließ sich nicht ermitteln. "Irgendwo zwischen Hannover und Hamburg" in einer Justizvollzugsanstalt, sagte sein Verteidiger, Rechtsanwalt Adam Ahmed auf Anfrage.

Verhandelt wurde trotzdem. Nach einstündigem Studium der Strafprozessordnung fanden Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung schließlich eine Lösung, wie das Verfahren ohne den Angeklagten über die Bühne gebracht werden konnte. Das führte dazu, das Rechtsanwalt Ahmed nach seinem Plädoyer auch noch das letzte Wort sprach - das eigentlich in einem Strafprozess immer der Angeklagte hat.

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