Maisach:Kraftwerk auf der Startbahn

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Auch asphaltierte Zufahrten zur längst außer Dienst gestellten Start- und Landebahn des Fliegerhorsts würden die Umweltschützer gerne mit Solarmodulen überbauen (links der alte, rechts der neue Tower). (Foto: Johannes Simon)

Eine große Photovoltaikanlage im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck könnte 10 000 Haushalte mit Strom versorgen. Das sagt der Bund Naturschutz, der damit den Ausbau der Erneuerbaren voranbringen will.

Von Stefan Salger, Maisach

Eine große Photovoltaik-Freiflächenanlage auf bereits asphaltierten Flächen des Fliegerhorsts, eine Biomüll-Vergärungsanlage für den Landkreis und mehr Windräder - das fordern Eugenie Scherb, die Vorsitzende der Bund-Naturschutz-Kreisgruppe und ihr Stellvertreter Claus Ehrenberg in einer gemeinsamen Erklärung.

BN-Kreisvorsitzende Eugenie Scherb und ihr Stellvertreter Claus Ehrenberg. (Foto: Günther Reger, Carmen Voxbrunner)

Mit Blick auf den Artenschutz ernten sie damit freilich nicht nur Zustimmung - so kommen mahnende Worte aus dem Maisacher Rathaus.

"Wenn nicht jetzt, wann dann?", fragen die Umweltschützer mit Blick auf die Ukraine

"Wenn nicht jetzt, wann dann?", fragen die beiden Umweltschützer mit Blick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien im Landkreis Fürstenfeldbruck, den es deutlich zu beschleunigen gelte und "alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen". Scherb und Ehrenberg sehen darin eine gemeinsame Mission. Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine müsse jedem klar sein, dass es die Abhängigkeit von fossilen Energiequellen zu vermindern gelte und vor allem den Bezug von Kohle, Erdöl und Erdgas von Terrorregimen zu reduzieren oder gänzlich zu vermeiden. Scherb: "Die Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen leisten einen großen Beitrag zur nationalen Energiesicherheit und dürfen ab sofort auch als Symbole für Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit betrachtet werden." Der BN sieht Politiker, Unternehmer und auch Bürger in der Pflicht und führt die Studie der Ludwig-Bölkow-System-Technik GmbH von 2018 als Beleg dafür an, dass der Landkreis beim Ausbau der Erneuerbaren "weit hinter dem bayerischen Landesdurchschnitt zurückliegt".

Module auf 140 000 Quadratmetern könnten 10 000 Haushalte mit Strom versorgen

Sehr konkret und relativ schnell umsetzbar wäre vor allem der Plan für den Fliegerhorst: Auf der asphaltierten, breiten Start- und Landebahn und einem Teil der Zufahrten (Taxiways) wünscht sich der BN eine große Photovoltaik-Freiflächenanlage, wie sie entlang von Bahnstrecken oder Autobahnen, aber eben auch auf militärischen Konversionsflächen zulässig wäre. Kalkuliert wird mit einer nutzbaren Modulfläche von 140 000 Quadratmetern, was einer Leistung von etwa 31 000 Kilowatt in der Spitze entsprechen würde und damit einem jährlichen Stromertrag von mehr als 26 Millionen Kilowattstunden.

Die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen und Beratungen darüber hat deutlich zugenommen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das würde für die Versorgung von um die 10 000 Haushalten reichen und bei aktuell steigenden Preisen wohl sogar mehr als die veranschlagten 1,2 Millionen Euro einbringen. Als Argumente führen Scherb und Ehrenberg den idealen Standort mit 1700 jährlichen Sonnenstunden an. Gleichzeitig sei dies eine sehr verträgliche Nutzungsart für die Anwohner in Maisach und Gernlinden, die sich an der Anlage und den Erträgen im Idealfall auch selbst ebenso beteiligen könnten wie Kommunen sowie Unternehmen. Ein vollständiger Erhalt der wertvollen, 225 Hektar umfassenden Flora-Fauna-Habitat-Flächen (FFH) sei sichergestellt.

Maisach favorisiert bislang die Entfernung des Asphalts zugunsten der FFH-Fläche

Gerade die FFH-Flächen freilich sind der Grund, dass das Maisacher Rathaus allzu große Euphorie dämpft. Auf eine SZ-Anfrage am Freitag bestätigt Geschäftsstellenleiter Peter Eberlein, dass die BN-Vorschläge zwar keinen anderen Maisacher Bebauungsplänen in die Quere kämen - weil es keine gibt. Eher im Gegenteil: Die aktuellen Pläne sehen den Rückbau der asphaltierten Flächen auf dem Gelände des Fliegerhorsts vor und damit eine Vergrößerung der naturbelassenen Wiese.

Die Grünflächen rund um die militärischen Einrichtungen sind zum Naturparadies geworden. (Foto: Günther Reger)

Eberlein: "Nördlich der Umfahrung würde alles zurückgebaut", das gilt auch für versiegelte Flächen, die BMW noch bis 2024 für sein Fahrsicherheitstraining nutzt. Im Zuge einer Verträglichkeitsprüfung müsste in jedem Fall untersucht werden, inwieweit schützenswerte Tiere wie Feldlerche oder Brachvogel durch die Blendwirkung von PV-Modulen gestört würden.

Bioabfälle sollen gesammelt und in einer Vergärungsanlage behandelt werden

Die BN-Kreisgruppe will auch die Energie nutzen, die in den Bioabfällen des Landkreises steckt. Das durch Vergärung entstehende Biogas mit einem Methangehalt von gut 50 Prozent soll entweder direkt vor Ort per Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme umgewandelt oder komprimiert und ins Erdgasnetz eingespeist werden. Bei einer Sammelquote von 45 000 Tonnen pro Jahr wird mit einer Einsparung von 5000 Tonnen CO₂ kalkuliert.

Zwei Windräder sind zu wenig - der BN hält den Bau von 23 solcher Anlagen für machbar

Nochmals deutlich mehr Potenzial steckt in der Nutzung der Windenergie. 2019 erzeugten Anlagen auf dem Land in Deutschland mit mehr als hundert Terawattstunden mehr als doppelt so viel Strom wie PV-Anlagen. Der BN fordert die umgehende Wiederaufnahme der Planungen für den Bau von Windrädern und verweist darauf, dass sich Photovoltaik und Windkraft bestens ergänzen: Windräder erzeugen im Winter etwa doppelt so viel Strom wie im Sommer, Photovoltaikanlagen wiederum im Sommer ein Vielfaches des Stroms, den sie im Winter generieren. Werden nicht schnell mehr Windräder gebaut, dann zeichnet sich Scherb und Ehrenberg zufolge "künftig in Bayern ein massives Stromerzeugungsdefizit im Winter ab".

Eines der beiden Windräder im Landkreis, die seit mehreren Jahren zuverlässig Strom produzieren, steht bereits auf Maisacher Gemeindegebiet. Links unten die Biogasanlage im Mammendorfer Ortsteil Egg. (Foto: Günther Reger)

Ergo: Zwei Windräder im Landkreis sind einfach zu wenig - "23 Anlagen wären angemessen". Die BN-Kreisgruppe FFB setzt große Hoffnungen in den Bund und darauf, dass die von Horst Seehofer einst eingeführte 10-H-Abstandsregel, die in Bayern den Ausbau der Windkraftanlagen so gut wie zum Erliegen gebracht hat, bald durch eine bundesweit einheitliche Regelung abgelöst wird. Die Kommunen im Landkreis sollten deshalb "so schnell wie möglich eine Initiative zum Ausbau der Windenergienutzung starten". Orientieren kann man sich bei der Standortsuche am "Interkommunalen Teilflächennutzungsplan Windkraft" von 2013, der nur aus der Schublade geholt werden muss.

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