München/Fürstenfeldbruck:Klamme Finger und Lampenfieber

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Wer sich beim Regionalwettbewerb von "Jugend musiziert" in München der Jury stellt, muss vor allem seine Aufregung besiegen. 31 Talenten aus dem Landkreis gelingt dies besonders gut. Sie erreichen den Landesentscheid

Von Manuel Kronenberg, München/Fürstenfeldbruck

Für kurze Zeit herrscht große Aufregung in der Opernschule, ausgelöst durch eines der Jurymitglieder. Es ist kurz nach 12 Uhr. Luise Bachmayer soll gleich mit der Violine vorspielen, hier in dem kleinen Veranstaltungsraum der Hochschule für Musik und Theater. Die Sechsjährige gehört zu den jüngsten Teilnehmern, die an diesem Wochenende beim Regionalwettbewerb "Jugend musiziert" dabei sind. Etwa zwanzig Leute haben auf den Stühlen Platz genommen. Sie tuscheln, ein kleiner Junge ermahnt seine Mutter: "Mama, Handy aus!"

Dann setzt sich Luise auf einen Hocker, der neben dem Flügel steht. Ein Herr aus der Jury tritt vor das Publikum, um das Vorspiel des Mädchens anzumoderieren. Mit Beethoven werde die junge Geigerin beginnen, sagt er, und zwar mit einem "Siciliano". "Nein!", ertönt es da aus den Zuschauerreihen. Eine Dame steht auf und läuft nun ebenfalls vor. Es solle doch das Lied "Marmotte" von Beethoven sein! Nicht dass die Kleine etwas präsentieren muss, was sie gar nicht vorbereitet hat. Es herrscht Verwirrung, was spielt Luise denn nun? Die Dame dreht den Musikständer herum, sodass der Juror das Notenblatt sehen kann. Dieser nickt. Stimme doch alles, sagt er: das Lied "Marmotte" im Siciliano-Rhythmus. Das junge Mädchen lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und beginnt mit ihrem Vorspiel, welches sie souverän meistert. Die ganze Aufregung war umsonst - meistens sind Eltern und Familie eben viel nervöser als die eigentlichen Stars, ihre Töchter und Söhne, die sich vor Publikum und Jury wagen.

Haben beim Wettbewerb "Jugend musiziert" den Landesentscheid erreicht: Benjamin Darabi Far und die Geschwister Clara (Violine) und Christoph Kilian (Violoncello) aus Olching. (Foto: Manuel Kronenberg)

In den Räumlichkeiten der Hochschule ist einiges los. Hier und im Steinway-Haus wird der Wettbewerb ausgetragen. Schon im hellen Eingangsbereich tummeln sich die Leute. Junge Menschen mit Instrumentenkoffern auf dem Rücken laufen durch den Lichthof, meist in Begleitung der ganzen Familie. Durch die geschlossenen Türen der Einspielräume dringen Klangfetzen von Aufwärmübungen auf die Korridore hinaus. Ungefähr 330 Kinder und Jugendliche treten beim Wettbewerb an, entweder als Solisten mit einem Streichinstrument, als Begleitmusiker oder zusammen mit anderen in einem Ensemble. Sie kommen aus der Stadt München und verschiedenen umliegenden Landkreisen. Von den Wettbewerbern wird ein Programm mit Musik aus verschiedenen Epochen gefordert. Und so sind von Renaissance über Barock und Romantik bis hin zur klassischen Moderne viele verschiedene Stile vertreten. Eine dreiköpfige Fachjury vergibt bis zu 25 Punkte. Ab 21 Punkten erhält man einen ersten Preis, ab 23 Punkten obendrein eine Weiterleitung an den Landeswettbewerb.

Richtige Konzert-Atmosphäre kommt im großen Saal der Hochschule auf. Über den grünen Zuschauerrängen hängen altmodische Leuchter, die den Saal in gelbliches Licht hüllen. Auf der Bühne, vor den unzähligen Orgelpfeifen, steht ein schwarzer Flügel. Und im Mittelpunkt des ganzen Spektakels: die zwölfjährige Maya Wichert aus Gröbenzell. Von der hintersten Sitzreihe wirkt sie älter als sie ist. Man erkennt kaum ihr Gesicht, nur den schwarzen Rand ihrer Brille. Dazu trägt sie ein schickes Kleid. Hauptsächlich ist es aber ihr virtuoses Spiel, was man so nicht unbedingt von einer Zwölfjährigen erwartet.

Außerdem das Gitarrenduo Thomas Klokkers (im Bild links) und Tobias Sonneck. (Foto: Stephan Rumpf)

Maya bringt schon Erfahrung mit, sie hat bereits einige Male teilgenommen. Als sie fünf Jahre alt war, spielte sie zum ersten Mal beim Wettbewerb mit. Drei Stücke aus verschiedenen Epochen hat sie heute in ihrem Programm. Darunter Schumann und Schostakowitsch. Sie beschließt ihr Vorspiel mit zwei Sätzen aus der Sonate in d-Moll von Eugène Ysaÿe. Ein Stück, das getragen beginnt, dann schneller wird und der jungen Geigerin mehrstimmiges Spiel und schwierige Läufe abverlangt. Als sie fertig ist, ertönt großer Jubel aus dem Publikum. Maya verbeugt sich und läuft schon von der Bühne, noch lange bevor der Applaus überhaupt verebbt. Draußen vor dem Saal zeigt sie sich etwas selbstkritisch. "Manches ist nicht so gelaufen, wie ich es wollte", sagt sie. "Aber insgesamt war es schon okay." Spaß gemacht hat es ihr aber allemal. Sie spielt nun schon seit acht Jahren Geige. Ihre ältere Schwester spielte schon vor ihr, erzählt Maya und lächelt. "Das fand ich dann so schön, dass ich es auch lernen wollte." Nun hofft sie, dass ihr Vorspiel heute für eine Teilnahme am Landeswettbewerb reicht und ist gespannt, was die Jury später sagen wird.

Fürstenfeldbruck ist ein Landkreis, aus dem im Vergleich sehr viele junge Menschen teilnehmen. Neben Maya sind noch 45 weitere Musikerinnen und Musiker dabei. Etwa der Akkordeonist Leoš Frahnke aus Germering. Aber nicht nur Solisten, auch Ensembles spielen vor. Wie zum Beispiel die Geschwister Clara und Christoph Kilian aus Olching, die mit Geige und Cello zusammen mit dem Dachauer Benjamin Darabi Far am Klavier auftreten. Oder Gloria Eismann aus Puchheim und Sophia Schatz aus Alling, die mit Klavier und Querflöte im Duo spielen.

Auf dem Gang, der die beiden Lichthöfe der Hochschule verbindet, öffnet sich eine Tür. Aus dem Orgelsaal strömen Leute hinaus. Die meisten von ihnen bleiben auf dem Flur stehen und besprechen sich. Gerade hat hier die Ergebnisbekanntgabe für die Zupf-Ensembles stattgefunden. Thomas Klokkers und Tobias Sonneck, 17 und 15 Jahre alt, haben mit ihren Eltern einen Kreis gebildet. Die beiden Jugendlichen aus Gröbenzell sind zuvor als Gitarren-Duo aufgetreten und haben nun ihre Bewertung erhalten: 23 Punkte. Sie sind überglücklich, denn obwohl sie schon öfter aufgetreten sind, waren sie ganz schön aufgeregt. Da passiere es schon mal, dass man sich verspiele, weil die Finger klamm werden, erzählt Thomas. "Jetzt haben wir den ersten Platz und auch noch eine Weiterleitung an den Landeswettbewerb bekommen", sagt Tobias und strahlt. Alle Musiker, die ein ähnlich gutes Ergebnis erzielt haben, dürfen wie die beiden in die nächste Runde. Dann werden sie sich in den Osterferien in Hof wiedersehen, wo es um den Einzug in den Bundeswettbewerb geht.

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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