Ein Tusch jetzt, bitte. Dann den Defiliermarsch. Und die Bayernhymne gleich hinterher. Denn wenn der Bayerische Ministerpräsident kommt, darf man auf einen großen Auftritt hoffen. So ähnlich läuft das im August 2018 auf dem Volksfest in Maisach. Drinnen 1500 Menschen, vor dem Festzelt die CSU- und JU-Entourage in "Söder-Team"-T-Shirts. Es ist Wahlkampf, da muss ein Landesvater mal ordentlich auf den Putz hauen. Mag er diesmal auch in Zivil da sein und den Hut des CSU-Vorsitzenden aufhaben. Eine Pflichtveranstaltung, per Beweisfoto dokumentiert: der Eintrag ins goldene Buch. Im Jahr darauf darf an gleicher Stelle ein noch größeres politisches Schwergewicht vom Leder ziehen, ordentlich Wind machen - und sich sogar ein paar Seiten hinter Söder mit selbstbewusstem Schwung ins goldene Buch der Gemeinde Maisach eintragen: Hubert Aiwanger! So was nagt am größten aller Ministerpräsidenten (1,94 Meter, Schuhgröße 49). Deswegen überlegt Söder, ob er seinen aufmüpfigen Vize künftig der bislang Windrädern vorbehaltenen 10H-Abstandsregel unterwirft.
Am Mittwoch hat Söder die Gemeinde Olching besucht. Das jedenfalls ist dem goldenen Buch der Gemeinde zu entnehmen, das Andreas Magg zur Strafe für sein SPD-Parteibuch persönlich auf den Hartlhof in Esting bringen muss. Darin steht schwarz auf weiß: "Besuch des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder"... Aufgelistet sind quasi unter "Ferner liefen" auch seine Minister Michael Piazolo und Michaela Kaniber. Die sind auch auf den Beweisfotos zu sehen, nachdem sie brav die "Lernstation Alltagskompetenzen auf dem Bauernhof" inspiziert haben.
Aber wo ist der Landesvater? Nicht anwesend! Es wird kolportiert, ein Beweisfoto zeige ihn bei Verhandlungen mit dem Bahnchef und Münchens OB über die S-Bahnröhre. Mag sein. Das widerspricht aber nicht dem Verdacht, dass sich der Ministerpräsident mit Aiwanger-Trauma entschlossen hat, mit Omnipräsenz die absolute Mehrheit in den goldenen Büchern des Freistaats zu erringen. Koste es, was es wolle. Notfalls als Phantom der Oper und ohne Defiliermarsch. Vielleicht kommt er ja im nächsten Wahlkampf noch zum Unterschreiben nach Olching.