Kommunalwahl in ... (8):Verändern und bewahren in Grafrath

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In Grafrath wird sich auch in Zukunft die politische Diskussion darum drehen, wie viel Zuzug man zulassen und wie viel Ortsbild der idyllischen Ampergemeinde man erhalten will.

Von Manfred Amann

Im Zusammenhang mit der vor einigen Monaten in einem Bürgerentscheid abgelehnten Planung für das Klosterwirt-Gelände ist in Grafrath mehrfach darüber gestritten worden, ob die Gemeinde dem von der Metropole München ausgehenden Siedlungsdruck nachgeben soll. Während ein Teil der Gemeinderäte für mehr Zuzug plädierte, um einer Überalterung vorzubeugen und den Anteil der arbeitenden Bevölkerung und damit die Einnahmen aus der Einkommensteuer zu erhöhen, gab es eine starke Gegenposition, die sich dagegen wehrte, das reizvolle Ortsbild der Ampergemeinde für neue Wohngebiete aufs Spiel zu setzen.

Ewiges Thema der Grafrather Kommunalpolitik: der Klosterwirt. (Foto: Johannes Simon)

Ähnliche Diskussionen gab es bezüglich der Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe. Bürgermeister Hartwig Hagenguth (Bürger für Grafrath), der zu den Kommunalwahlen aus Altersgründen nicht mehr antreten kann, weil eine Ratsmehrheit zukünftig einen Beamten auf Zeit als Gemeindechef haben will, wurde mehrfach vorgeworfen, sich zu wenig um die örtlichen Betriebe zu kümmern und es versäumt zu haben, neue Unternehmen nach Grafrath zu holen.

Letzteres ist leichter gesagt als getan, denn Grafrath ist von etlichen Schutzgebieten umgeben und hat kaum eigene Flächen, die sich dafür eignen würden. Ob es bei rechtzeitigen Bemühungen, wie gelegentlich verbreitet wurde, gelungen wäre, sich am dem Gewerbepark Inning-Wörthsee zu beteiligen, der zurzeit an der Lindauer Autobahn entsteht, ist eher zu bezweifeln.

In Hagenguths zwölfjähriger Amtszeit ist die Gemeinde moderat gewachsen und zählt derzeit knapp 3700 Einwohner. Dabei wurde weitgehend Bauwünschen Einheimischer nachgekommen, man hat aber auch für etwas Zuzug gesorgt. Der Anteil der Gemeinde an der Einkommensteuer ist daher und konjunkturbedingt auf 2200 Euro angestiegen. Die im Firmenregister der Gemeinde aufgelisteten 90 Unternehmen zahlen zwischen 700000 und 950000 Euro schwankend an Gewerbesteuer.

Im Vergleich mit Kommunen ähnlicher Größe liegen diese Einnahmen deutlich unter dem Durchschnitt. Weil bei konjunkturbedingtem Einbruch bei den Steuereinahmen erfahrungsgemäß die Gefahr besteht, die Kosten für den Unterhalt öffentlicher Gebäude und für Pflichtaufgaben nicht mehr bezahlen zu können, und schon gar keine Investitionen, fällt Hagenguths Nachfolger hier eine Schwerpunktaufgabe zu.

Die langwierigen Diskussionen über ein Einnahme-Konzept haben gezeigt, dass es im Verwaltungsetat für Einnahmenverbesserungen und Ausgabenbeschränkungen kaum Spielräume gibt. Einen beachtenswerten Fortschritt, nicht nur wegen der zu erwartenden Gewerbesteuer, hat das Ergebnis des jüngsten Ratsbegehrens gebracht, bei dem die Ansiedlung eines Supermarktes in der Dorfmitte mit deutlicher Mehrheit befürwortet wurde. Damit besteht nach mehreren gescheiterten Versuchen erstmals die reale Chance, ein Ortszentrum zu etablieren, in dem öffentliche Einrichtungen, Wohnen und Einkaufen nahe beieinander liegen.

Wichtig wird dabei, das Verkehrsaufkommen in der Hauptstraße so zu regeln, dass Gefahren für Radfahrer und Fußgänger nahezu ausgeschlossen sind und der Lärm für die Anlieger erträglich wird. Und noch eine Chance ist mit der Bildung eines Ortszentrums verbunden, nämlich die Errichtung einer zentralen Heizungsanlage mit Kraft-Wärmekopplung, von der aus nicht nur der Supermarkt, sondern auch alle öffentlichen Gebäude sowie Privathaushalte in großem Umfang versorgt werden können.

Auch dies ist eine Aufgabe, der sich der neue Bürgermeister und der Gemeinderat stellen müssen. Und zwar umgehend, denn lange wird es die betagte Heizanalage in der Schule nicht mehr machen. Sie teuer zu reparieren und kurze Zeit danach die Versorgung mit Fernwärme einzurichten, wäre letztlich hinausgeworfenes Geld. Sollte die Installation einer zentralen Heizanlage auf der Basis erneuerbarer Energien gelingen, könnte Grafrath seinen Beitrag zur Energiewende enorm steigern und damit einen Ausgleich dafür schaffen, dass es aufgrund der landschaftlichen Lage nicht möglich ist, wie andere Kommunen großflächig Fotovoltaik-Anlagen zu errichten.

Ein staatliches Angebot, die Altlastenflächen beim Ortsteil Unteralting für einen Solarpark zu nutzen, wurde vom Gemeinderat unlängst abgelehnt. Nachdem die Klosterwirt-Planung in einem Bürgerentscheid gekippt wurde, muss mit den Eigentümern des Areals ein neues Konzept entwickelt werden, wenn es weiterhin Ziel der Gemeinde sein sollte, das Ensemble zu erhalten und die Gaststätte wieder zu beleben.

Egal ob von den Bürgermeisterkandidaten Josef Heldeisen (SPD), Martin Söltl (Bürger für Grafrath), Christian Strasdat (Einigkeit) aus dem Dorf oder der parteifreie Markus Kennerknecht aus Hattenhofen das Rennen macht, die größte Herausforderung wird sein, im neuen Gemeinderat schnell zu einer demokratischen Streitkultur zu finden, die frei ist von gegenseitigen Unterstellungen und Misstrauen, denn neben den großen Aufgaben sind auch Alltagsanforderungen zu erfüllen.

Weil die Gemeinde sparen musste und der Abbau von Schulden, von 2001 bis heute von über fünf Millionen auf etwa die Hälfte, ein vorrangiges Ziel sein musste, hängt die Gemeinde bei der Sanierung von Straßen, Kanal und Wasserleitungen den Erfordernissen etwas hinterher und die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude muss fortgesetzt werden. Außerdem ist dem Sozialzentrum Marthashofen über den Bau eines neuen Kinderhauses zu verhandeln, damit dort weiterhin ein Großteil der Grafrather Kinder betreut werden kann.

Auf der Agenda der nächsten Jahre sollte überdies die Umgestaltung einiger Uferbereiche der Amper für die Naherholung der Bürger stehen.

© SZ vom 12.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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