Bayerisches Brauchtum:Der Seuche davonreiten

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Der Ritt durch die Kirche in Jesenwang ist Ritual beim Willibaldritt. (Foto: Günther Reger)

Mehr als 4000 Besucher schauen sich in Jesenwang den Willibaldritt an. Zuschauer und Teilnehmer erfüllen damit zum 300. Mal ein Gelöbnis.

Von Manfred Amann, Jesenwang

Wenn es denn immer so einfach wäre, Gefahren abzuwehren. Jedes Jahr einmal in die Kirche, Frauen und Männer in schönem Gewand, die Pferde geschmückt - das sind die Voraussetzungen für einen ganz besonderen Brauch in Bayern. Und eine Portion Gottesfürchtigkeit gehört natürlich auch dazu. Zum 300. Mal hat nun der Willibaldritt in Jesenwang stattgefunden, und er wird den Teilnehmern wie den Veranstaltern als besonders schön und gelungen in guter Erinnerung bleiben. Denn aus ganz Oberbayern und darüber hinaus waren Pferdefreunde mit ihren Tieren angereist, um ein besonderes Gelöbnis einzulösen. Jesenwanger Bauern haben es im Jahre 1712 Bauern abgelegt haben, um von einer Viehseuche verschont zu bleiben. Weil nach dem Gelöbnis die Krankheit abgeklungen war, wird jedes Jahr wieder, mit wenigen, meist kriegsbedingten Ausnahmen, mit einem Willibaldritt das Gelöbnis erneuert.

"Dass die größte Brauchtumsveranstaltung im Landkreis Fürstenfeldbruck im Jahr 2018 mit dem Heimatpreis ausgezeichnet wurde, 2020 in das Landesverzeichnis Bayern sowie in diesem Jahr in das nationale Verzeichnis Deutschlands für immaterielles Kulturerbe aufgenommen wurde, hat den Willibaldritt noch bekannter gemacht", befand der Vorsitzende des Freundeskreises, Martin Schmid.

Auch die Kleinsten dürfe am Umzug teilnehmen. (Foto: Günther Reger)

Besonderen Dank zollte er allen Helfern und Pferdefreunden, "denn Ihr seid mit eurer Teilnahme die Garanten dafür, dass dieses Brauchtum bewahrt werden kann". Erfreulich sei, dass sich etliche Pferdepensionen oder -ställe in der Region mit mehreren Tieren beteiligten. Martin Schmid lobte ausdrücklich das Engagement von Susanne Poller, die als Kreisheimatpflegerin den Freundeskreis bei der Antragstellung für die Aufnahme als Kulturerbe unterstützt habe. "Der Willibaldritt mit dem in Europa einmaligen Ritt durch die Kirche ist einer von 131 aufgelisteten Brauchtumsveranstaltungen in Deutschland, davon kommen 33 aus Bayern", sagte die Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler, die auch für die vielen anwesenden Landes- und Bezirks- und Kommunalpolitiker Grüße überbrachte.

Vereine und Organisationen sind bei der Brauchtumsveranstaltung mit ihren Fahnen vertreten. (Foto: Günther Reger)

"Weiße Wolken am blauen Himmel und angenehme Temperaturen, ein Wetter, wie wir es uns gewünscht haben", freute sich Bürgermeister Erwin Fraunhofer nahezu schwärmerisch, nachdem der Ritt mit knapp 300 herausgeputzten Pferden und Ponys eine rekordverdächtige Länge erreicht hatte. Als Leo Schmid an der Spitze als Kreuzreiter an der Willibaldkirche ankam, waren im Ort noch nicht alle Reiter angetreten. Geschätzt säumten mehr als 4000 bis 5000 Besucher den Weg und winkten den Reitern oder den Kindern, Senioren und Honoratioren zu, die in geschmückten Truhen- und Leiterwägen oder in Kutschen mitfahren durften. Schon am Vormittag hatten sich viele Gäste an der Willibaldkirche und im Biergarten unter den Kastanien versammelt und sich die besten Plätze für die Pferdeprozession gesichert. Nach drei coronabedingt kleineren Veranstaltungen konnte der Freundeskreis St. Willibald das Gelöbnis wieder im gewohnten Rahmen feiern. "Endlich wieder, es hat uns gefehlt, der Ritt gehört zu Jesenwang", meinte Stefanie Buser, die sich mit ihrem Haflinger "Obea" in den Zug einreihte.

Die Honoratioren dürfen in der Kutsche fahren. (Foto: Günther Reger)

Im Gelöbniszug mit fünf Blaskapellen wurden auch zwei Ochsen und der Wagen mit den Fahnen der Vereine mitgeführt. Auf Wägen wurden zudem Modelle von Willibaldkirche gezeigt und aus Türkenfeld war ein Wagen mit der dortigen Kirchennachbildung überführt worden.

Verkleidet: Bischof Willibald mit Bruder Wunibald und Schwester Walburga (Foto: Günther Reger)

Martin Schmid schlüpfte "wegen Ausfall" kurzerhand selbst in ein Bischofsgewand, um als Heiliger Willibald die historische Gruppe mit Bruder Wunibald und Schwester Walburga zu ergänzen. Pfarrer Wolfgang Huber, der mit Diakon Tomislav Rukavina abwechselnd vor dem Durchritt durch die Kirche Pferde und Reiter segnete, war diesmal in einer Kutsche mitgefahren, da sich sein Pferd "wegen einer Viehkrankheit in Quarantäne" befand, wie er selbst erzählte. Jesenwangs Bürgermeister Fraunhofer lobte und dankte vom Hügel im Kastanienhain herab den etwa 500 ehrenamtlichen Helfern, die unter Leitung des Freundeskreises St. Willibald wieder dafür gesorgt hätten, dass die Tradition bewahrt wird. Für die Teilnehmer am Jubiläumsritt gab es heuer zum Andenken eine besonders schöne Rosette.

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