Höhepunkt der Reihe im Veranstaltungsforum:Jazz als verbindende Volksmusik

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Das Jazz-Duo Tasiya & Sammy Lukas versprüht ganz ohne Worte und Töne etwas Friedensstiftendes: Der Pianist stammt aus Russland, die Sängerin aus der Ukraine. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Fürstenfeldbrucker Konzert des ukrainisch-russischen Duos Tasíya & Sammy Lukas wird zu einem bewegenden Ausdruck der Freiheit.

Von Jörg Konrad, Fürstenfeldbruck

Ist Jazz politisch? Hier gehen die Meinungen (manchmal auch recht deutlich) auseinander. Im Grunde verlangt diese Musik aber schon immer einen gewissen, gefestigten Charakter, um ihn zu spielen und auch um ihn zu mögen. Denn Jazz ist letztendlich aufgrund seiner Stellung innerhalb der Gesellschaft immer mit einer inneren (und äußeren) Haltung verbunden. Er war und ist eben in seinem rudimentären Anliegen nicht das Produkt rein kommerziellen Interesses, oder einer Versinnbildlichung konservativer Glückseligkeit. In seiner weit über 100jährigen Geschichte galt er stets als Sprachrohr für gewisse gesellschaftliche Schichten, für ihre Sorgen und Nöte und Hoffnungen, die sehr häufig mit dem Begriff der Freiheit verbunden waren und dies bis heute sind. Anders ausgedrückt: Ohne Freiheit kein Jazz! Autokratische Regime werden nie bewusst eine freie Musikszene und damit eine zeitgenössische Auslegung des Jazz befördern. Auch wenn ganz wenige Ausnahmen die Regel bestätigen können.

Vor kurzem war das Duo Tasíya & Sammy Lukas Gast der Reihe "Jazz First" in Fürstenfeld. Die Sängerin aus der Ukraine und der russische Pianist haben Zeichen gesetzt - sowohl musikalisch, als auch in humanistisch-völkerverbindenden Charakter. Hier fand auf der Bühne etwas Friedensstiftendes statt. Möglich macht diesen menschlich-zivilisierten Akt des persönlichen Miteinanders die Kultur. Unter ihrem Dach kann jeder Widerstand und jedes Vorurteil auf der Grundlage gemeinsamer Kreativität gebrochen werden, sofern der Wille hierzu vorhanden ist. Das haben auch in einer kurzen Ansprache die künstlerische Leiterin der Reihe, Irina Frühwirt, und Norbert Leinweber, Chef des Veranstaltungsforums, deutlich zum Ausdruck gebracht.

So stand der Abend deutlich unter dem Zeichen gefühlter Solidarität, im Miteinander der Völker dieser Welt. Dann Tasíya & Sammy Lukas, die mit einem furiosen Auftritt Jazz als Volksmusik feierten. Tasíya hat mit ihrer Gabe und ihrer ganz persönlichen Herangehensweise an die zeitgenössische Improvisation, Marksteine verschoben. Sie klingt zum Glück nicht wie eine dieser wirklich mittlerweile zum Mainstream zu zählenden Sängerinnen im Jazz, die die schönen, aber leider auch live viel zu häufig interpretierten Standards präsentieren.

Die an der Hochschule für Musik in Weimar studierte Tasíya Anastasiya Volokitina, wie sie mit vollem Namen heißt, sucht ganz individuelle Zugänge zur Musik. Natürlich spielt der konservative Jazzgesang dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Aber zugleich nutzt sie ukrainische und russische Volksliedmotive, arbeitet mit verschiedenen Vokaltechniken, um ihren Stimmumfang zu erweitern. Zudem steht sie elektronischen Techniken offen gegenüber, handhabt kleine aber typische Instrumenten ihrer Heimat und formt letztendlich eine ganz eigene musikalische Sprache, die völlig fasziniert. Sie will nicht unbedingt schön klingen. Ihr geht es um den Ausdruck, um die Interpretation vor allem der eigenen Kompositionen.

Da tauchen plötzlich auch Dissonanzen auf, Verschattungen, Verschleifungen und jede Menge Melancholien. Ihre Stimme schlägt regelrechte Purzelbäume, sie explodiert, um im nächsten Moment flüsternd einen emotionalen Gegenentwurf zu formulieren. Sollte man diese Art der Interpretationen an Namen festmachen, dann könnte dies ein Spektrum sein, das von Norma Winston, ihrer persönlichen Favoritin bis hin zur brasilianischen Vocalistin Flora Purim reicht.

Sammy Lukas ist der ideale Begleiter und auch Solist am Klavier. Er versteht es harte Akkorde zu setzen, beherrscht das lyrische Spiel, dann wieder perlen die Melodien und Improvisationen wie selbstverständlich aus dem Instrument. Er nimmt die Dynamik der Sängerin auf und motiviert mit seinem Tastenzauber wiederum Tasíya. Letztendlich wird so der Jazz (bewusst!) politisch - auch als Ausdruck der Freiheit.

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