Landtagswahlkampf:"Der spricht uns aus der Seele"

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Hubert Aiwanger, stellvertretender bayerischer Ministerpräsident und bayerischer Wirtschaftsminister, ist zum dritten Mal zu Gast in Maisach. (Foto: Johannes Simon)

Der Andrang beim Auftritt von Hubert Aiwanger in Maisach ist so groß, dass nicht alle ins Festzelt eingelassen werden. Drinnen gibt sich das Publikum begeistert.

Von Heike A. Batzer, Maisach

Mit hochgekrempelten Ärmeln betritt Hubert Aiwanger das Festzelt in Maisach. Schwül-warm ist es an diesem Montag, obwohl oder gerade weil es auch noch regnet. Aber das Hochkrempeln ist ja immer auch ein Statement: Da arbeitet einer. Und keiner will das so verkörpern wie Hubert Aiwanger. "Zu viele Leute, die noch nie eine Schaufel in der Hand gehabt haben", würden das Land regieren, wird er später sagen. Eine Stunde lang wird der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und bayerische Wirtschaftsminister den Menschen seine Sicht der Dinge erläutern: Was schiefläuft in Deutschland und wie es aus Sicht der Freien Wähler besser zu machen ist. Die Besucher feiern ihn.

Und immer ist ja ein bisschen CSU dabei, wenn die Freien Wähler auftreten. In Bayern regieren sie zusammen, und wenn es nach den Freien Wählern geht, soll es nach der Landtagswahl auch so weitergehen. Einen Wettbewerb mit der CSU um die meisten Besucher gebe es natürlich nicht, sagt hinterher Gottfried Obermair, der umtriebige Gemeinde- und Kreisrat aus Maisach, der den Abend mitorganisiert hat. Aber so viel steht fest: Hubert Aiwanger wollten mehr Menschen hören als Markus Söder an gleicher Stelle zehn Tage zuvor. 1200 Besucher hatte die CSU damals gezählt, am vergangenen Montag waren nach offiziellen Angaben 1400 Besucher im Zelt. Die Differenz dürfte dem Augenschein nach eher größer gewesen sein. Aiwanger spricht auf seiner Facebookseite sogar von 1800 Gästen.

Manche müssen draußen bleiben: Das Festzelt ist bereits voll. (Foto: Johannes Simon)

Der Landtagsabgeordnete Hans Friedl gibt für jeden im Zelt eine Mass Freibier aus

Zwanzig Minuten vor Beginn der Veranstaltung stehen immer noch Menschen draußen, das Zelt ist eigentlich voll. Einzelne kommen noch unter, weil sich statt acht nun zehn Leute an einen Tisch quetschen müssen. Manche müssen trotzdem draußen bleiben. Auch ihnen spendiert der Landtagsabgeordnete Hans Friedl später je eine Mass Freibier - wie auch den Gästen drinnen im Festzelt. So geht Wahlkampf: erst mal eine Runde für alle ausgeben. "Auf meine eigene Rechnung", betont Friedl. Derweil entschuldigt sich Obermair bei allen, die nicht mehr eingelassen wurden. Von dem immensen Andrang wurden die Freien Wähler völlig überwältigt, vielleicht auch ein wenig überrascht. Dreimal war Aiwanger bislang in Maisach, hat 2013 vor 200 und 2019 vor 800 Zuschauern gesprochen - und nun das.

Als Aiwanger die Bühne betritt und zur freien Rede ansetzt, geht er gleich in die Vollen und sichert sich den ersten Beifall mit der Ansage, dass "lauter Bürger mit gesundem Menschenverstand da sind". Woher will er das wissen? Es folgt seine Diagnose zum Zustand des Landes: "Nie war Deutschland orientierungsloser. Der Zug fährt in die falsche Richtung." An die Bundesregierung gerichtet rät er: "Machts Politik für die ganz normalen Bürger und nicht für die Verrückten!"

Das Publikum ist begeistert. (Foto: Johannes Simon)

Das Bierzeltpublikum reagiert geradezu enthusiastisch. In den nächsten 65 Minuten wird es im Akkord klatschen - statistisch gesehen gibt es alle anderthalb Minuten Applaus für das, was Aiwanger sagt. "Des war gut", befindet am Ende einer, der eigentlich einer anderen Partei angehört. Und eine Besucherin an einem der vorderen Tische ist überzeugt: "Der spricht uns aus der Seele."

Warum bloß kommt der Mann bei den Menschen an? Wer sind die Normalen, die er zu vertreten vorgibt? Wahrscheinlich sitzen sie im Maisacher Zelt: Menschen, durchaus politisch interessiert, aber möglicherweise verunsichert durch Umbrüche und Krisen, die die Welt derzeit erlebt und die durchschlagen auf das Leben jedes einzelnen. Menschen, die arbeiten und finden, dass nicht genügend dabei rumkommt. Die sich überfordert und ungerecht behandelt fühlen. Aiwangers Rezepte könnten als einfach durchgehen, möglicherweise aber fühlen sich viele durch seine direkte Art der Ansprache abgeholt, wertgeschätzt.

Aiwanger und seine Partei wollen die Erbschaftsteuer abschaffen

Die heftige Kritik, die es an seinem Auftritt bei einer Demo in Erding gab, hat er einfach weggesteckt. In Maisach sagt Aiwanger: Es werde jetzt wohl wieder drei Wochen über "Merz seine Äußerungen" - zur AfD - diskutiert. Dabei sollten "die lieber schauen, dass wieder Häuser gebaut werden". Gerne sagt der bayerische Wirtschaftsminister "die", wenn er die Mitglieder der Ampelregierung meint. Überhaupt: "Eigentum und Leistung muss sich wieder lohnen." Die derzeitige Bundesregierung bringe die Leute stattdessen "um Haus und Hof". Siehe auch die Erbschaftsteuer. Die wollen die Freien Wähler abschaffen. "Das ist tausendprozentig richtig", betont Aiwanger.

Im Gespräch: Hubert Aiwanger und Maisachs Altbürgermeister Gerhard Landgraf. (Foto: Johannes Simon)

Er rechnet vor, dass es sich rechne, Bürgergeld zu beziehen und nicht zu arbeiten: "Wohnen und Heizen gratis, das ist schon mal ein Tausender. Dann noch 500 Euro in bar." Das bekomme ein Mindestlohnbezieher nicht zusammen. Man müsse deshalb "bei denen sparen, die Geld kriegen. Junge, gesunde Leute sollen arbeiten!" Jeder vierte Unternehmer denke darüber nach, Deutschland zu verlassen, zitiert er Umfragen. Deshalb: "Kümmerts euch darum, dass Deutschland nicht ein Auswandererland wird!" Wenn die Wirtschaft Deutschland verlasse, "ist Schluss mit Wohlstand".

Dann reitet er durch möglichst viele Themen: Energie ("Wir wollen weiter dürre Bäume einheizen dürfen."), Ernährung ("Der Mensch ist ein Allesesser, seit Jahrzehntausenden."), Landwirtschaft ("Die wahren Tierschützer sind die Bäuerinnen und Bauern und nicht Kampagnen-Tierschützer, die noch nie eine Kuh oder eine Sau gesehen haben."), innere Sicherheit ("Wer die Polizei angreift und Autos anzündet, gehört eingesperrt."), das Klima ("Schon im Winter wird jeden Tag gesagt, dass Sie im Sommer verbrennen."). Junge Menschen sollten sich weiterhin Auto, Urlaub, den Hausbau und die Familiengründung leisten können. Pflegekosten dürften nicht zur Verarmung der gesamten Familie führen. Und: Es gehe nicht an, Gesetze zu verabschieden, die von 80 Prozent der Bevölkerung abgelehnt würden wie das Heizungsgesetz, sagt der 52-jährige Niederbayer. Durch solche Gesetze werde "dieses Land gespalten". Stattdessen sei es nötig, für bezahlbares Wohnen zu sorgen, für bezahlbare Energie, gute Arbeitsplätze, gute Lehrer und Kita-Plätze. Dafür dass der Mittelstand nicht in Bürokratie ersticke, Bauern Zukunft und Rentner ein auskömmliches Dasein haben.

Zusammen mit allen Besuchern werden am Ende Bayern- und Nationalhymne gesungen. (Foto: Johannes Simon)

Am 8. Oktober ist Landtagswahl. "Ich will keinen Grünen in der Regierung in Bayern", ruft Aiwanger aus diesem Anlass. "Und ich hoffe, dass die Grünen das nächste Mal aus der Bundesregierung rausfliegen." Das Zelt antwortet mit größtmöglicher Zustimmung. Potenziellen Denkzettel-Wählern, die erwägen würden, der AfD ihre Stimme zu geben, rät er: "Wählts keinen Unsinn! Wählts die Freien Wähler!" Er, Aiwanger, glaube "an die Zukunft und nicht an den Weltuntergang".

Die Menschen in Maisach sind begeistert. Bis halb elf bleibt Aiwanger noch, lässt sich eineinviertel Stunden lang mit Menschen fotografieren, die er nicht kennt, die ihm aber wohlgesonnen sind. Zuvor formiert sich die Freie-Wähler-Prominenz samt lokaler Wahlkämpfer noch auf der Bühne. Listig bitten sie auch noch CSU-Vertreter nach oben zum gemeinsamen Absingen der Hymnen. Und so finden sich die CSU-Bürgermeister aus Maisach und Hans Friedls Heimatgemeinde Alling, Hans Seidl und Stefan Joachimsthaler, auf der großen Bühne der Freien Wähler wieder.

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