Fast 30 Jahre ist es her, dass Hefei Huang nach Deutschland kam. Mit einem Koffer und 500 D-Mark in der Tasche reiste sie als junge Frau mit dem Orient-Express einmal um den halben Globus. Die Germanistik-Studentin aus China wollte in dem Land, in dem wenige Jahre zuvor die Mauer gefallen war, weiter studieren: internationales Marketing. Doch statt zu einer Karriere in der Wirtschaft führte Huangs Lebensweg in eine andere Richtung. Die Gröbenzellerin hat eine eigene Sprachschule mit ihrem eigenen Didaktikkonzept sowie einen Verlag. Gemeinsam mit ihrem Mann Dieter Ziethen hat sie bereits rund 70 Bücher geschrieben, allesamt Lehrbücher für Chinesisch oder Deutsch für Chinesen.
Hefei Huang gibt auch Kurse in Kalligrafie. Beim interkulturellen Fest "Gröbenzell ist bunt" hat sie die meditative, alte chinesische Schreibkunst vor ein paar Jahren präsentiert. "Das Leben ist so aufregend", berichtet die 54-jährige in ihrer Wohnung in Gröbenzell, in der sie mit Mann und 16 Jahre altem Sohn lebt und arbeitet. Gerade habe sie eine Anfrage aus Dresden bekommen: Ob sie in zwei Tagen für 200 Technik-Studenten einen Kalligrafiekurs abhalten könne? Sie hat zugesagt, musste deshalb ein paar Termine verschieben. Noch wartet sie auf 30 Kalligrafiepinsel, die sie bestellt hat. Aber sie ist zuversichtlich, dass ihre Bestellung noch rechtzeitig vor ihrer Abfahrt geliefert wird.
Angefangen hat alles 1995 mit ersten Sprachkursen in Deutschland und den USA. "Ich habe während des Studiums viele Jobs gemacht", sagt sie. Als sie dann vor etwa 16 Jahren, ihr Sohn war noch ein Baby, ihren ersten Chinesisch-Kurs, an der Technischen Hochschule Mittelhessen gab, kam der Anstoß, eine eigene Lehrmethode zu entwickeln. "Diese ganze Didaktik habe ich eigentlich von meinem Mann gelernt", denn durch sein kritisches Feedback realisierte sie die Mängel des vorhandenen Unterrichtsmaterials. Es gab zu wenig praktische Übungen und ging zu schnell; die Aussprache und Schriftzeichen der fremd klingenden chinesischen Laute wurden getrennt voneinander vermittelt. Von der Kritik ihres Mannes motiviert, setzte sich die junge Mutter kurzerhand selbst an den Computer und entwarf ihre ersten eigenen Arbeitsblätter. Aus diesen ersten Blättern entstand bald das erste gemeinsame Buch des Ehepaars: "Unvergessliches Chinesisch".
Zwei bis drei Bücher pro Jahr
Eigentlich hatte die Gröbenzellerin nicht vorgehabt, dazu noch einen Verlag zu gründen. Aber nachdem Anfragen bei den einschlägigen Verlagen abgelehnt worden waren, war die Gründung der nächste logische Schritt. 2009 entstand der Huang-Verlag. "Und jetzt sind wir die größten in Deutschland", erklärt sie stolz. Etwa zwei bis drei Bücher schreiben sie und ihr Mann, der als Informatiker arbeitet, pro Jahr. "Das ist unser Hobby." Es sind inzwischen viele Bücher und andere Lehrmaterialien für Kinder entstanden, zum Beispiel ein Memory-Spiel oder eine Audio-CD mit den 20 bekanntesten deutschen Kinderliedern, von Hefei Huang und ihrem Mann in der eigenen Wohnung aufgenommen.
"Die Lernmaterialien gehören zu den Bestsellern auf dem deutschsprachigen Markt." So steht es auf der Homepage der Sprachschule Huang. Und wenn man erfährt, mit welchem Herzblut die 54-Jährige ihre Ideen verwirklicht, glaubt man das gerne. "Wir wissen schon genau, jeden Tag um 22.30 Uhr gibt es ein Flugzeug nach Thailand", das sei dann immer der Zeitpunkt, an dem sie ihre Tonaufnahmen unterbrechen müssten. Und auch von einer Silvesterparty berichtet die in schwarze Stoffhose und rosa Trachtenjanker gekleidete 54-jährige. Die hätten ihr Mann und sie vor Mitternacht verlassen, um zu Hause Lieder für ihren Verlag aufzunehmen. "Das ist Begeisterung", lacht sie.
Deutschkurse für Chinesen
Hefei Huangs neuestes Angebot sind Deutschkurse für Chinesen, die nach Deutschland kommen wollen. "Ich liebe Sprachen. Ich habe jetzt schon 20 Lektionen geschrieben für Deutschkurse für Chinesen." Das Angebot entwickelte sie, nachdem sie entsprechende Anfragen aus China von Studierenden erhalten hatte sowie von Chinesen, die in Deutschland arbeiten möchten. Viele ihrer Kurse hält sie online ab. Das ermöglicht es ihr, Kunden aus der ganzen Welt anzunehmen.
Neben der Vermittlung sprachlicher Kenntnisse will Hefei Huang, ihren Schülern auch die jeweils andere Kultur näherbringen. Im April zum Beispiel war sie am Gymnasium Freising bei einem W-Seminar eingeladen, um über China zu berichten und Fragen der Schülerinnen und Schüler zu beantworten. Über ihre Sprachschule bietet die Gröbenzellerin entsprechende Kurse an: Vorträge, Kalligrafiekurse oder auch einen Workshop für chinesisches Kochen. Über die verschiedenen Essgewohnheiten unterschiedlicher Kulturen hat die 54-Jährige viel nachgedacht. Während die Speisen in Deutschland klar getrennt seien in süß oder deftig, ein Stück Fleisch, Gemüse und andere Beilagen, sei die chinesische Küche vom Mix geprägt: Alles werde klein geschnitten und vermischt, auch die Geschmäcker. Große kulinarische Unterschiede also, zwischen China und Deutschland liegt ja auch die halbe Welt.