Dritte Liga:Handball bleibt im Tor kleben: Fürstenfeldbruck besiegt Konstanz

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Da ist das Ding: Rückraumspieler Falk Kolodziej holt im Kreise der jubelnden Teamkameraden als Erster das Objekt der Freude aus dem Torwinkel, um ihm seinen Dank zu sagen. Später wird der Ball wieder angepappt, weggenommen, angepappt und schließlich landet er zum verdienten Feierabend im Ballnetz. (Foto: Günther Reger)

In letzter Sekunde bekommen die Konstanzer noch einen Freiwurf und die Chance, auszugleichen. Und was macht der Ball? Bleibt einfach im Kreuzeck stecken.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Handballer benetzen ihre Finger gerne mit einer klebrigen Masse, auf dass sie des Spielgeräts besser habhaft werden. Das ist erlaubt, macht aber die nähere Umgebung mitunter ähnlich schmierig. Was sich am Samstagabend in Fürstenfeldbrucks Wittelsbacher Halle ereignet, sprengt freilich die Vorstellungskraft dessen, was ein mit Harz versehener Handball so alles anrichten kann.

Tom Wolf darf noch einen Freiwurf ausführen, obwohl die Spielzeit schon abgelaufen ist und Fürstenfeldbrucks Handballer mit 24:23 Toren führen. Wolf hat Gelegenheit, für die HSG Konstanz auszugleichen, überwindet mit einem geschickten Aufsetzer die von den Brucker Abwehrspielern gebildete Mauer, aber was macht der Ball? Bleibt einfach im rechten oberen Toreck kleben und sichert dem TuS Fürstenfeldbruck den knappen 24:23-Sieg zum Saisonauftakt in der dritten Liga.

"Riesenmannschaftsleistung": Trainer Martin Wild ist nach dem Sieg voll des Lobes

Was dann folgt, hat selbst die für ihre gute Stimmung bekannte Wittelsbacher Halle noch nicht erlebt. Im Kollektiv rennen Fürstenfeldbrucks Handballer, angeführt von ihrem Trainer Martin Wild, zum Tor, lassen sich ins Netz fallen, rütteln entgeistert am Torgestänge und herzen das rot-weiße Spielgerät, das dennoch tapfer seine Stellung verteidigt. Auch die 700 Zuschauer sind völlig aus dem Häuschen, jubeln und brüllen, was die Kehle hergibt. Wann hat es so etwas schon mal gegeben? Was für ein Finale eines intensiven, sehenswerten, umkämpften Drittligaspiels.

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Trainer Wild spricht später von der "perfekten Schlusspointe" und TuS-Torhüter Michael Luderschmid behauptet grinsend, "dass der Ball wollte, dass wir gewinnen". Im Zeitalter der Dauerbebilderung tauchen umgehend bewegte Zeugnisse des Vorkommnisses auf. Die Konstanzer haben die Schlussszene gefilmt, offenbar in der Absicht, ein Unentschieden und einen Punktgewinn für die eigene Mannschaft zu dokumentieren. Das werde wohl ein Internethit werden, vermutet Brucks Rückraumspieler Falk Kolodziej schon gleich nach dem Spiel. Klar doch, Sonntagnachmittag ist das Video bereits 200 000 Mal aufgerufen.

Der Frust auf Konstanzer Seite ist groß, der Zweitligaabsteiger war ja auch von den Bruckern in die Favoritenrolle gedrängt worden, seit sie selbst vier langzeitverletzte Stammspieler zu beklagen haben. Mit schier unfassbarer Arbeitsmoral aber machen Fürstenfeldbrucks Handballer das Fehlen der Kollegen wett. "Eine Riesenmannschaftsleistung", lobt Martin Wild.

Den Konstanzern ist wohl schon vor der Partie kollektiv unwohl, er habe in der Kabine in "ein paar bleiche Gesichter" geblickt, erinnert sich HSG-Trainer Daniel Eblen. Und so habe "der Killerinstinkt auch in der Birne gefehlt". Die Mentalitätsmonster vom TuS Fürstenfeldbruck machen vor, wie das geht. "Wir wussten, dass es ein Kampf wird, und wir haben ihn angenommen", sagt Zugang Max Horner.

Aufopferungsvoll kämpfen die Gastgeber um jeden Ball, immer wieder gibt es Szenenapplaus dafür, wie die Abwehrspieler den Gästen auf die Pelle rücken. Die extrem offensiv aufgestellte Brucker Verteidigung macht der HSG Konstanz zu schaffen. In der neuen Rolle des Abwehrchefs verdient sich Matthias Hild viel Lob und geht seiner Arbeit mit so großer Einsatzbereitschaft nach, dass er drei Zeitstrafen kassiert und für die letzten zehn Minuten per roter Karte ausgesperrt wird.

Was die Verteidiger dennoch durchlassen, wird immer wieder Beute des überragenden Keepers Michael Luderschmid, der ein ums andere Mal mindestens Finger oder Fußspitze an den Ball bringt und dafür vom Publikum mit ähnlich viel Beifall bedacht wird wie seine Vorderleute. Bei seinem Drittligadebüt zeigt sich der 20-jährige Horner ebenso flink wie gewitzt, und cool obendrein: Zweimal trifft er beim Siebenmeter (23., 58.), und Falk Koldziej und der aus der zweiten Mannschaft reaktivierte Christian Haller lassen die Gelegenheit nicht ungenutzt, die ein leeres Konstanzer Tor bietet, als der Wechsel zwischen zusätzlichem siebtem Angreifer und Torhüter nicht schnell genug klappt (24., 58.).

Mit 6:9 liegen die Gastgeber nach einer Viertelstunde hinten, holen sich die Führung beim 11:10 zurück (24.) und bleiben zur Halbzeit 13:11 vorn. Danach bauen sie die Führung auf 21:16 aus (49.), gestatten den Gästen aber einen 22:22-Gleichstand (57.). In den letzten beiden Minuten hält es die Besucher nicht mehr auf ihren Sitzbänken. Stehend und klatschend verfolgen sie, wie Konstanz auf 23:24 verkürzt, die letzte Chance vergibt und dann noch den Freiwurf zugesprochen bekommt, der in die Handball-Historie eingehen wird.

Der Ball hängt noch am Gebälk, als ihm die ersten Fans mit ihren Handys nachstellen. Der Konstanzer Tim Jud will das nicht mitansehen und klopft den Ball mit mürrischer Miene aus dem Winkel, ein Brucker Ordner klebt ihn wieder an. Auch Tom Wolf will nicht mehr an das Menetekel erinnert werden und pflückt den Ball erneut herunter. Aber Fürstenfeldbrucks Handballer drücken ihn später noch einmal im Toreck fest - als Hintergrund für ihr Siegerselfie.

© SZ vom 27.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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