Gröbenzell:Eine Frage der Geschwindigkeit

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Ein Mitarbeiter des Gröbenzeller Bauhofs baut ein Tempo-30-Schild an der Eschenrieder Straße ab. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ein Autofahrer klagt gegen einen Modellversuch zur Temporeduzierung in Gröbenzell. Just an dem Tag, an dem das Verwaltungsgericht einen Ortstermin angesetzt hat, verschwinden die Verkehrsschilder

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Eberhard Ramm wirft der Gemeinde Gröbenzell vor, im Zusammenhang mit dem Abbau der Tempo-30-Schilder in der Eschenrieder Straße im Oktober "getrickst" und den Sachverhalt in einer Presseerklärung unvollständig wiedergegeben zu haben. Der Gröbenzeller hatte gegen das Tempolimit geklagt und sieht sich als Gewinner des Rechtsstreits. Just für den Tag, an dem die Schilder abgebaut wurden, war vom Verwaltungsgericht München ein Ortstermin in der Gemeinde anberaumt und dann kurzfristig abgesagt worden. Letzteres geschah erst, als feststand, dass ein Modellversuch zur Klärung der Frage, ob die beanstandeten Tempo-30-Schilder das Verhalten der Verkehrsteilnehmer verändern, in der Eschenrieder Straße beendet wird und die Schilder abmontiert werden.

Damit erübrigte sich eine Entscheidung des Gerichts, das mit Billigung des Klägers das Verfahren einstellte. Die Gemeinde wurde jedoch dazu verpflichtet, die Verfahrenskosten zu tragen. Dieser Hintergrund wurde in der Pressemitteilung nicht erwähnt. Der Fürstenfeldbrucker SZ erläuterte die Rathaussprecherin im Oktober, es sei Zufall, dass die Absage des Gerichtstermins und die Demontage der beanstandeten Schilder nach fast zwei Jahren auf den selben Tag gefallen seien. Konfrontiert mit den Vorwürfen, bestätigte Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) nochmals diese Sicht der Dinge. Über die Beendigung des Versuchs sei die Gemeinde erst auf Nachfrage hin informiert worden und habe unmittelbar danach den Abbau der Schilder veranlasst.

Dass es einen Zusammenhang zwischen dem Ende des Rechtsstreits und dem mit dem Abbau der Schilder vollzogenen Ende des Modellversuch gibt, belegt Ramm anhand von E-Mails des Anwaltsbüros der Gemeinde mit der Projektleitung der Technischen Hochschule Nürnberg und dem Gericht sowie anhand eines Telefonats mit einem der zuständigen Richter. Dieser habe ihm zwei Tage vor dem Abbau der Schilder mitgeteilt, "dass vor kurzem der Anwalt der Gemeinde telefonisch ein Schreiben der Gemeinde Gröbenzell angekündigt habe, in dem mitgeteilt wird, dass der Verkehrsversuch beendet sei und die Gemeinde jetzt umgehend die angegriffene Anordnung Tempo 30 km/h aufheben und die Beschilderung anpassen würde". Erst aufgrund des Modellversuchs der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Bayern war per Ausnahmegenehmigung die Möglichkeit geschaffen worden, auf der Eschenrieder Straße die Höchstgeschwindigkeit für eine befristete Zeit auf 30 Stundenkilometer zu beschränken, was der Kläger nicht hinnehmen wollte.

Eberhard Ramm steht dazu, gerne Auto zu fahren. Er mutmaßt sogar, "dass die Gemeinde das Ende des Verkehrsversuchs entweder verschlafen oder ignoriert hat oder ignorieren wollte", um Tatsachen zu schaffen. Seine Klage begründet er folgendermaßen. Er wolle nicht hinnehmen, dass Schäfer "willkürlich" Verkehrsregeln setze, obwohl in der Eschenrieder Straße keine außergewöhnliche Gefahrenlage gegeben sei. "Es geht nicht um die Verkehrssicherheit, es geht um Ideologie", sagt Ramm. Die Eschenrieder Straße ist eine der Haupterschließungsstraßen von Gröbenzell mit einem hohen Fahrzeugaufkommen.

In noch einem zweiten Punkt widerspricht Schäfer dem Kläger. Da hierfür die gesetzlichen Grundlagen fehlen, bestehe zurzeit keine Möglichkeit, Aktivitäten zur Einführung von Tempolimits auf der Eschenrieder Straße zu entwickeln. Der Bürgermeister setzt darauf, dass sich aus den Ergebnissen des Modellversuchs, der sich nicht auf die Situation in Gröbenzell als Einzelfall bezieht, Überlegungen ergeben, die in einen entsprechenden Gesetzesentwurf des Bundes einfließen. Erst dann gäbe es eine Handlungsgrundlage.

Ramm erwägt weiterzumachen und vom Verwaltungsgericht auch die Tempolimits in der Zillerhofstraße und im Gröbenzeller Industriegebiet auf Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Ob er das macht, sei noch nicht entschieden, sagt er. CSU-Ortsvorsitzender Andreas Keefer teilt die Kritik des Verkehrsberuhigungsgegners am Bürgermeister. Es sei typisch für dessen Amtsführung, den Gröbenzellern wichtige Informationen vorzuenthalten.

Die Behörden hatten schon vor Jahren unter Berufung auf die Straßenverkehrsordnung verhindert, dass Gemeinderatsbeschlüsse zur Temporeduzierung in der Eschenrieder Straße umgesetzt werden. Die Polizei berief sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes, nach der Regelungen durch Verkehrszeichen keine neuen Gefahren schaffen dürfen. Aktiv geworden war die Gemeindeverwaltung damals aufgrund einer Initiative von Anwohnern, die Unterschriften für ein Tempolimit gesammelt hatten.

© SZ vom 09.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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