Gröbenzell:Die Heilige Familie nimmt Gestalt an

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Holzbildhauer Michael Jaumann erklärt, warum bekleidete Krippenfiguren nicht so arbeitsaufwendig sind: Bei ihnen müssen nur Kopf, Hände und Füße geschnitzt werden. (Foto: Leonhard Simon)

Wie aus groben Klötzen kunstvolle Figuren von Maria, Josef und dem Jesuskind werden und was Krippen mit Modelleisenbahnen verbindet, erklärt Holzbildhauer Michael Jaumann.

Von Stefan Salger, Gröbenzell

1725 wurde Gröbenzell erstmals urkundlich erwähnt. Steigt man im Ortszentrum diese Treppe ganz hinauf ins Dachgeschoss über dem Restaurant Alte Schule, dann taucht man ein in die noch recht junge Heimatgeschichte. An einem Sonntag stehen dort, im kleinen, aber feinen Heimat- und Torfmuseum Weihnachtskrippen Spalier. Da gibt es kleine, modern wirkende Varianten mit runden Linien und glattpolierten Flächen, aber auch große, aufwendig bemalte Figuren und solche, bei denen die Spuren des Schnitzeisens deutlich erkennbar sind. Mittendrin liegen zwei Figuren in unterschiedlichem Bearbeitungsstadien und neben einer Bleistiftskizze ein eingespanntes Vierkantholz mit ersten Schnitzspuren.

Viele Stunden Handarbeit stecken in einer solchen Holzfigur. (Foto: Leonhard Simon)

Hier ist, in heller Cordhose, mit dunkelgrüner Samtweste über dem Hemd - im Arbeitsalltag freilich eher mit Lederschürze, ein Holzbildhauer am Werk. Um noch genauer zu sein, in diesem Fall: ein Krippenbauer. Michael Jaumann, 58, zeigt in einem Seminar des historischen Vereins der Gröbenhüter, wie aus groben Holzklötzen in vielen Stunden oder sogar Tagen wunderbare Krippenfiguren entstehen, wo die maschinelle Vorarbeit endet und die gleichermaßen kreative wie zeitraubende Handarbeit beginnt. Etwa 15 Besucher, darunter mehrere Kinder, interessieren sich für das Seminar.

Unter den Besuchern an dem Sonntag im Dezember sind auch einige Kinder. (Foto: Leonhard Simon)

Das Schnitzen von Krippenfiguren ist eine Handwerkskunst, die weit länger zurückreicht als die Historie Gröbenzells. Franziskus von Greccio wird oft als erster Krippenbauer genannt, um 1220 soll er Abbilder der Heiligen Familie mit dem Christuskind sowie Maria und Josef angefertigt haben. Im Laufe der Jahre kamen über die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland, Ochs und Esel hinaus weitere Figuren hinzu wie Hirten oder Schafe. Auf den Internetseiten der an der Gröbenzeller Kreuzbreitlstraße ansässigen Holzbildhauerei Kreutz ist zu lesen, dass in Italien etwa seit 1550 in der Vorweihnachtszeit regelmäßig Krippen aufgestellt werden. Seit etwa 1600 wird dieses Brauchtum auch in vielen bürgerlichen Häusern im süddeutschen Raum gepflegt. 1945 hat Michael Jaumanns Großvater den Handwerksbetrieb gegründet. Sein Enkel benutzt immer noch dessen Schlegel und die Schnitzmesser. Die haben ordentlich Patina angesetzt, liegen einfach gut in der Hand, und der heutige Stahl sei "eh eine Katastrophe".

Figuren aus Lindenholz sind in der Regel komplett handgeschnitzt und deshalb auch teurer, während jene aus härteren Hölzern maschinell kopiergefräst werden können. (Foto: Leonhard Simon)

Für den geborenen Gröbenzeller ist es viel mehr als ein schönes Hobby, es ist Beruf und Berufung. Natürlich kann er allein vom Schnitzen solcher Krippenfiguren nicht leben. Er fertigt auch Schrifttafeln an oder Grabkreuze und viele andere Dinge, die aus Holz sind. Unterstützt wird er in dem Familienbetrieb noch von seinem 85 Jahre alten Vater, seiner Mutter und seiner Frau sowie Aushilfen. Früher gab es im Betrieb bis zu 30 Angestellte und elf Lehrlinge. Krippenfiguren erleben zwar so etwas wie eine Renaissance - vor allem junge Leute kämen deshalb häufiger ins Geschäft. Das ändert aber wenig daran, dass der ehrbare Handwerksberuf des Holzbildhauers insgesamt eher zur "brotlosen Kunst" geworden ist, wie Jaumann einräumt, ohne sich davon freilich beirren zu lassen. Ohne Idealismus geht es halt nicht. In seinem Abschlussjahrgang seien sie 16 Lehrlinge gewesen - "ich bin der einzige, der davon bis heute in der Branche geblieben ist."

Bereut hat er das nie. Das merkt man, wenn Jauman seine Handwerkskunst erläutert. Wenn er vom Holz redet, diesem so vielseitigen und immer einzigartigen Werkstoff mit seinen Maserungen und Farbnuancen, der sich im Laufe der Zeit verändert. Seit etwa hundert Jahren werden Krippenfiguren vor allem aus geeigneten und reichlich abgelagerten Hölzern wie Ahorn und Esche maschinell kopiergefräst, als erste grobe Nachbildung eines Ton- oder Bronzemodells. Dann folgt das eigentliche Schnitzprozedere. Von "holzgeschnitzt" spricht man in solchen Fällen. Im Gegensatz zu "handgeschnitzt", wenn wegen des weichen Materials ganz auf den Maschineneinsatz verzichtet wird, wie im Fall von Linde oder Zirbel. Figuren, die größer als 40 Zentimeter sind, werden in der Regel aus Lindenholz handgeschnitzt. Meist sind sie aus vier Einzelteilen zusammengeleimt. Die Nahtstellen sind nur beim Blick auf die Standseite zu erkennen. Auch die Hände der Figuren werden meist erst eingesetzt, wenn die restliche Figur schon Gestalt angenommen hat. Werden die Figuren bemalt, ist keine ganz so akribische Bearbeitung der Oberflächen nötig, im Fall von bekleideten Krippenfiguren sind ohnehin nur Köpfe sowie Hände und Füße zu sehen. Bei Krippenfiguren gilt also: Arbeitsaufwendig und damit auch teurer sind tendenziell die unbemalten Figuren, bei denen noch der Einsatz des Schnitzwerkzeugs erkennbar ist.

Rechts eine Figur, der noch der Feinschliff fehlt - und die rechte Hand. (Foto: Leonhard Simon)

Jaumann zeigt eine glatt polierte Figur aus Ahornholz, die schon für 37 Euro zu haben ist. Und dann eine aus Lindenholz für 180 Euro. In dieser stecken allerdings auch gut zehn Stunden Arbeit. Jaumann verkneift sich deshalb lieber die allzu genaue Berechnung seines Stundenlohns. Eine komplette Krippe summiert sich trotzdem schnell auf 800 Euro. Allerdings ist es bei den Krippen wie bei den Modelleisenbahnen: Der Reiz liegt darin, die vorhandene "Anlage" Jahr für Jahr um ein Schmuckstück zu erweitern. Komplett ist also auch eine Krippe nie - sofern genügend Platz in der Wohnung vorhanden ist. "Sie muss wachsen", sagt Michael Jaumann und schmunzelt. Er ist gerüstet: In seinem Lager sind 17 0000 Krippenfiguren in allen erdenklichen Variationen vorrätig.

Michael Jaumann benutzt noch das Werkzeug seines Großvaters. Das liegt gut in der Hand. Aufpassen muss man trotzdem. Viele Holzbildhauer sind denn auch an Narben auf Oberschenkel und Zeigefinger zu erkennen. (Foto: Leonhard Simon)

Der Meister seines Fachs freut sich aber auch, wenn jemand sich Zeit nimmt und selbst zum Schnitzeisen greift. Mindestens zwölf Jahre sollten solche Heimwerker aber schon sein, empfiehlt Jaumann. Denn der Umgang mit den scharfen Messern birgt Gefahren. Auch mancher Profi ist dagegen trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Routine nicht gefeit: Narben auf Oberschenkel und Zeigefinger zeugen von Ausrutschern und sind so etwas wie das ungewollte Markenzeichen eines Holzbildhauers.

So etwas wie ein "Testballon" ist das von Michael Jaumann angebotene Seminar übers Schnitzen von Krippenfiguren im Heimat- und Torfmuseum. Der promovierte Historiker Sven Deppisch, 40, ist jüngst im Zuge des Generationswechsels zum Vorsitzenden der Gröbenhüter gewählt worden und will in dem kleinen, von seinem Vize Jaumann geführten Museum "Bewährtes erhalten, aber auch neue Wege gehen", um den Gröbenzellern - und ausdrücklich auch den jüngeren Jahrgängen - ihre Ortsgeschichte nach zwei Jahren coronabedingter Pause wieder näherzubringen. Er habe "schon so einige Ideen in der Pipeline", sagt Deppisch. Seminare sind ebenso denkbar wie gemeinsame Ausflüge. Botschaft vor allem für die etwa 180 Mitglieder des historischen Vereins soll sein, dass man für ganze 19 Euro Jahresbeitrag "richtig Spaß haben" könne.

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