Open Air in Gröbenzell:Alles Schlager - aber nicht nur

Lesezeit: 3 min

Howard Carpendale verbreitet in Gröbenzell nicht nur gute Laune, sondern auch Nachdenklichkeit. (Foto: Carmen Voxbrunner)

1300 Fans kommen zum Stockwerk, um Howard Carpendale, Michelle und Julian David zu erleben.

Von Karl-Wilhelm Götte , Gröbenzell

Die etwa 1300 Schlagerfans warten natürlich auf Howard Carpendale - den Hauptakt des Open-Air-Schlagerabends. Doch der wird erst 90 Minuten später kommen. Bis dahin gibt es ein Vorprogramm. Nein, kein Vorprogramm, denn Sängerin Michelle ist allen Schlagerliebhabern ein Begriff. Doch auch bis zu Michelle und "Die Liebe lebt" dauert es. Zuerst tritt beim Gröbenzeller Kultur-Sommer, organisiert von Thomas Breitenfellner, vor dem "Stockwerk" Sänger Julian David, 31, auch als Animateur auf. Routiniert bringt er das Publikum mit einem Potpourri der bekanntesten Schlager an diesem lauen Samstagabend in Schwung.

Fröhlichkeit und Unbeschwertheit sind Trumpf

Dabei läuft das Ritual immer ähnlich ab. Zunächst sitzen bei einem Schlagerkonzert die allermeisten Besucherinnen und Besucher noch auf ihren Stühlen; einige stehen auch an Tischen und trinken, andere laufen herum. Dann kommt das Kommando von David: "Gröbenzell - die Hände." Sofort streckt das Publikum die Arme in die Höhe und wippt im Takt der Musik. David singt: "Am Ende des Tages ist am Anfang der Nacht." So sind die Texte. Dazu wird rhythmisch geklatscht. Geklatscht wird viel an diesem Abend. Aber auch getanzt oder sich nur mit dem Körper hin und her bewegt. Fröhlichkeit und Unbeschwertheit sind Trumpf. Das Gros des Publikums ist 40 Jahre oder älter, viele jenseits der 60. Ein tätowierter Fan mit Jeansjacke hat einen diversen Musikgeschmackgekommen. Die Aufnäher verraten das: "Black Sabbath", "Iron Maiden" und "Helene Fischer Ultras" ist da zu lesen.

Das Publikum jubelt. Die meisten sind älter als 40. (Foto: Carmen Voxbrunner)
Michelle und Julian David in der Mitte mit zwei Fans auf der Bühne. (Foto: Carmen Voxbrunner/Carmen Voxbrunner)

Julian David verabschiedet sich mit "An Tagen wie diesen" und mit "Feuerfunkenregen - wir stehen im Heute voller Leben". Davids Single "Feuerfunkenregen" - "Wir sind Leuchtraketen in der Nacht" wurde von Radiosendern nach Beginn des Ukraine-Krieges nicht mehr gespielt. Dann erklingt schon mal ganz laut "Wer Liebe lebt", aber es dauert noch ein wenig, bis Michelle im dunkelblauen Glitzer-Outfit auf der Bühne erscheint. Die ersten Reihen im Publikum stehen auf. Besonders einige ältere Männer geraten in Ektase, bewegen ihre rundlichen Körper und singen klatschend alle Texte mit. Michelle ist nur 1,56 Meter groß und wirkt alleine klein auf der Bühne, ist aber ein Energiebündel. "Wer Liebe lebt, der wird unsterblich sein" singt sie noch einmal und ihre Fans sind begeistert. Michelle hieß Tanja Gisela Hewer, als sie vor 50 Jahren in Villingen/Schwenningen geboren wurde.

Bei Michelle geraten Teile des Publikums in Ekstase. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Sie hat nach ihrem sehr respektablen achten Platz 2001 beim Eurovision Songcontest viele Höhen und Tiefen - auch gesundheitliche - erlebt. "Das war's noch nicht", heißt ihr neues Album. Das klingt trotzig, soll es auch sein, "nach 30 Jahren auf der Bühne", fügt sie hinzu. Das Publikum singt und klatscht mit - besonders wieder die Männer -, als sie "Und heute Nacht will ich tanzen" singt. Die Bühnen-Fröhlichkeit ist so ansteckend, dass selbst eine elegant gekleidete Dame schließlich die High-Heels von sich wirft und barfuß auf dem Parkplatz tanzt. "Sie ist ein wahnsinniger Profi", raunt eine Besucherin auf dem Nachbarstuhl anerkennend. Wohl wahr. Nach "In 80 Küssen um die Welt" und einer Stunde Programm verabschiedet das Publikum Michelle mit riesigem Applaus.

Kaum ist Howie auf der Bühne, bekommt er schon die erste Rose

Das zehnminütige Warten auf Howard Carpendale verkürzen sich die Besucherinnen und Besucher, indem sie seine Lieder singen. Dann kommt "Howie", das "Hello Again" erklingt und der ganze Platz singt und schwingt mit. Kurz danach gibt es für ihn schon die erste Rose einer Bewunderin.

Es folgt "Ti amo", sein großer Hit vor 45 Jahren. "Hier stehen viele junge Männer vorne", stellt Carpendale fest und fragt schmunzelnd: "Wie kommt das?". Er erzählt, dass er "Grobenzell", wie er sagt, kennt vom Durchfahren nach Olching ins Fitnessstudio. Es folgt sein Hit "Das Mädchen von Seite eins". Dann wird es ernster. "Mir geht es nicht immer nur um Party", sagt der inzwischen 76-jährige Carpendale, bevor er "Astronaut" anstimmt. Das Lied ist 25 Jahre alt, "aber aktueller denn je", bekräftigt der Sänger. " Astronaut, du schaust herunter auf die Erde, und du siehst einen kleinen blauen Stern, keine Länder, keine Grenzen, keine Fahnen", lauten die ersten Verse.

Klar spricht sich Carpendale gegen Krieg aus

Carpendale spielt in seinem Stundenauftritt mit dem Publikum, gerade auch wenn das Mikrofon ausfällt. Die Fans hängen an seinen Lippen, auch als er von seiner Begegnung mit Donald Trump in Florida erzählt und sich sehr kritisch über diesen äußert. Sein Repertoire umfasst 700 Lieder, eine kleine Dutzend-Auswahl beglückt die Fans in Gröbenzell. Zwei Zugaben folgen. Darunter auch "Unter einen Himmel". Das Lied leitet er mit einer politischen Aussage ein: "99,9 Prozent aller Menschen haben kein Interesse an euren beschissenen Kriegen." Schlagersänger Carpendale hält mit seinem Standpunkt auf der Bühne nicht hinter dem Berg. Respekt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: