Auf der Spur des Bösen:Bekenntnisse eines Krimipfarrers

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Als ein fesselnder Geschichtenerzähler erweist sich der Gast des Frühlingsempfangs der Gröbenzeller CSU. Dem Krimiautor Felix Leibrock lauschen gebannt Barbara Eichler, Vorsitzende der Frauen-Union, und der CSU-Chef Michael Schweyer. (Foto: Johannes Simon/Johannes Simon)

Der evangelische Theologe und Autor Felix Leibrock macht aus dem Frühlingsempfang der Gröbenzeller CSU eine kurzweilige Veranstaltung.

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Krimiautor und Pfarrer zu sein, ist kein Widerspruch. Beides ergänzt sich. Das erfährt, wer am Sonntagmittag dem evangelischen Theologen Felix Leibrock beim Frühlingsempfang der Gröbenzeller CSU im Bürgerhaus zuhört. Schließlich schöpft er selbst aus einem Fundus an Lebenserfahrung und Weisheit.

Zudem verfügen Krimiautoren laut Leibrock über Eigenschaften, die Priester nicht mehr haben. Ganz nebenbei erfährt man auch, ob die etwas mehr als 60 CSU-Anhänger im Saal den Menschen von Natur aus für böse oder für gut halten. Doch davon später. Leibrock ist ein fesselnder Geschichtenerzähler. Vor allem, wenn er selbstironisch über die Höhen und Tiefen seines Lebens berichtet. Sein Auftritt ist wie ein guter Krimi: kurzweilig, unterhaltsam, spannend.

Woher kommt das Böse?

Woher kommt das Böse? Diese Urfrage der Theologie treibt Leibrock seit dem zwölften Lebensjahr um. Der Grund, sich so jung mit dem Bösen zu befassen, liegt an einem gruseligen Erlebnis. In dem Dorf im Saarland, in dem er aufwuchs, lebte in seiner Nachbarschaft ein Mörder. Und jedes Mal, wenn der Bub mit Schaudern an dessen Wohnhaus vorbeiging, dachte er, dort sitzt ein Mörder, und wechselte vorsichtshalber die Straßenseite. "Deshalb schreibe ich Krimis", so seine Erklärung. Auch wenn es noch Jahrzehnte dauern sollte, bis er damit anfing.

Wozu braucht die Kirche Krimis? Diese Frage beantwortet der Theologe im Handumdrehen. Weil sie nach landläufiger Ansicht erstens als langweilig und zweitens als weltfremd gelte, wobei die Bibel doch eine "einzige Verbrechensgeschichte" sei. "Mord am Sonntag", also der obligatorische Fernsehkrimi am Abend des Tags des Herrn, fesselt regelmäßig acht bis zwölf Millionen Zuschauer. Dem "Wort zum Sonntag" von Theologen folgen dagegen bis zum Ende gerade mal 500 000.

Der Theologe und der Tiefschlaf

Der Grund für den gewaltigen Unterschied an Zuschauern liegt für ihn daran, dass Krimis Themen aufgreifen, die Menschen umtreiben. Zudem seien sie spannend. Fangen dagegen Theologen an zu predigen, "ist Tiefschlaf angesagt". So das vernichtende Urteil. Dies begründet der Leiter des evangelischen Bildungswerks in München, der Leibrock zurzeit unter anderem auch ist, humorvoll mit Erfahrungen aus seiner Zeit als Pfarrer in Thüringen. So seien in einer Dorfkirche einmal die einzigen drei Besucherinnen eines Sonntagsgottesdienstes vor seiner Predigt eingenickt. Obwohl er dann auf diese verzichtete, hieß es nachher, er habe wieder wundervoll gepredigt.

Auf die Gretchenfrage zur Natur des Menschen hebt die überwältigende Mehrheit der Gröbenzeller im Saal die Hand, als es heißt, dieser sei böse. Nur etwa zehn Prozent heben die Hand, weil sie ihn für gut halten. Offenbar ließ sich die Mehrheit von den Ausführungen über die Lust an der Aggression und den Unterhaltungswert der Geschichten über Bösewichte aufs Glatteis führen. Der Krimiautor hält den Menschen nämlich im Grunde genommen für gut, und meint, er werde erst im Laufe des Lebens böse. Aber jeder könne das Böse wieder überwinden. Deshalb gebe es Maßnahmen zur Resozialisierung.

Persönliche Tiefschläge

Persönliche Tiefschläge führten den späteren Krimiautor zum Theologiestudium. Eigentlich strebte er eine Unikarriere als Literaturwissenschaftler an. Nach der Doktorarbeit wurde jedoch nichts aus der versprochenen Anstellung an der Uni. Also probierte er sein Glück als Selbstständiger mit eigenem Antiquarat, das er 1989 am Tag des Mauerfalls eröffnete. Doch das Geschäfte lief schlecht. So besann er sich auf die Zeit bei der evangelischen Jugend und studierte Theologie. Bücher schreibt er erst seit der Jahrtausendwende. Und zwar neben Krimis auch solche zu Lebenshilfe-Themen. Zwischendurch leitete er das Kulturamt in Weimar. Nebenbei ist er Dozent bei der Bereitschaftspolizei und ehrenamtlich in der Obdachlosenhilfe tätig.

Ein viel zu kurzer Streifzug durch die Kriminalliteratur lässt die Vielfalt der Antworten aufs Böse erahnen. Was die Beantwortung der philosophisch-theologischen Frage nach dessen Ursprung nicht erleichtert. So entlässt der Krimipfarrer, als den er sich mal bezeichnete, die christsozialen Zuhörer unter Applaus mit einer neuen Frage. Hält Gott sich vielleicht einige Dichter? Und wenn ja, wozu?

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