Aktionswoche in Fürstenfeldbruck:Gefangen in der Gewalt

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Selbst Frauen, die verprügelt werden, realisieren oft erst nach Jahren, was ihnen geschieht. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Toxische Beziehungen sind geprägt von Abhängigkeit, Isolation und Kontrolle. Täter können Männer und Frauen sein. Wie schwierig ein Entkommen ist, zeigt ein Abend in Fürstenfeldbruck. Eine Betroffene aus dem Landkreis meldet sich zu Wort.

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Eine Zeitlang war die Frau im mittleren Alter obdachlos, nachdem sie sich von ihrem gewalttätigen Mann getrennt hatte. So erzählt sie es selbst. Sie habe sich wieder hochgekämpft, auch mit Hilfe der Sozialpädagoginnen von "Frauen helfen Frauen". Nun sei sie wieder "top", sagt sie selbstbewusst - aber immer noch in Therapie. Sie ist in die Stadtbibliothek Fürstenfeldbruck in der Aumühle gekommen, um den Film "Hinter Türen" zu sehen. Darin erzählen drei Betroffene, die Gewalt in der Partnerschaft erfahren haben, ihre Geschichten, zwei Frauen und ein Mann. Der Filmabend mit Diskussion bildet den Auftakt der Aktionswoche gegen Gewalt an Frauen in der Kreisstadt, veranstaltet von der Bibliothek, dem Verein "Frauen helfen Frauen" und Amnesty International.

"So war es bei mir auch. Ich sehe mich in allen Dreien wieder", sagt die Frau in der Aumühle nach dem Film mit fester Stimme. Was Lisa, Diana und Tami widerfährt, ist beispielhaft. Die Partner machen die Opfer abhängig, emotional wie finanziell. Sie beschränken die Kontakte nach außen, zu Freunden, Freundinnen und zur Familie. Sie kontrollieren sie und üben so Macht aus.

Das Frauenhaus in Germering. (Foto: Frauen helfen Frauen FFB)

Weil das schleichend geht, rutschen auch Lisa, Diana und Tami in die gewalttätige Beziehung, ohne es recht zu merken. Jahrelang leiden sie unter den Prügeln ihrer Ehemänner beziehungsweise ihrer Freundin, bevor sie die Kraft finden zu gehen. "Wir hatten auch viele schöne Zeiten", sagt Diana. "Ich habe ihn doch geliebt." Erst bei einem Aufenthalt im Krankenhaus nach einem Gewaltausbruch wird ihr bewusst, dass sie Opfer häuslicher Gewalt ist. Auch eineinhalb Jahre nach der Trennung fürchtet sie sich davor, ihm zu begegnen. Lisa hat wegen des gemeinsamen Kindes noch Kontakt zum Ex-Mann. Das fällt ihr schwer, sie ängstigt sich. Tami hat sieben Jahre lang die psychische, verbale und körperliche Gewalt seiner Freundin erlebt und nach der Trennung gemerkt, dass es für Männer kaum Hilfe gibt. Er hat dann selbst einen Verein gegründet.

Im Landkreis Fürstenfeldbruck bietet der Verein "Frauen helfen Frauen" vor allem weiblichen Betroffenen Unterstützung an, mit Beratung am Telefon, online oder persönlich sowie im neuen Frauenhaus in Germering. Was es nicht gibt: eine Selbsthilfegruppe. "Der Austausch mit Frauen, denen das auch passiert ist, der fehlt mir", sagt die Fürstenfeldbrucker Betroffene. Angehörige und Freunde spielten das Geschehene oft eher herunter.

Wer Gewalt nicht selbst erlebt habe, könne sie in der Regel nicht nachfühlen, bestätigen Rafaela Mötsch und Anna Lehrmann von "Frauen helfen Frauen". Frauen, die sich in einer Selbsthilfegruppe organisieren wollen, können sich beim Verein melden. Wenn sich eine Betroffene findet, die eine solche Gruppe organisieren und leiten will, könne man Unterstützung und einen Raum anbieten, sagen beide.

"Du bist nicht schuld. Du musst dich nicht schämen" sind die wichtigsten Botschaften.

Lehrmann und Mötsch berichten von ihrer Arbeit im Landkreis. Hilfreich sei schon, den Frauen klarzumachen: "Du bist nicht schuld. Du musst dich nicht schämen. Und: Du bist nicht allein." Lehrmann sagt: "Viele, die zu uns kommen, haben vorher mit niemandem gesprochen." Die Frauen glaubten, sich nicht einmal der besten Freundin anvertrauen zu können - wenn sie denn noch eine haben. Mötsch zufolge ist eine wichtige Botschaft der Hilfe-Profis: "Sie können mir das erzählen, ich halte das aus."

Und wie verhält man sich richtig, wenn man den Verdacht hat, jemand könnte Gewalt in der Beziehung erleben? Diese Frage stellt eine Besucherin. Sie hat beruflich mit einer Frau zu tun, die manchmal blaue Flecken hat - wohl wegen häuslicher Gewalt. Auch sie könnte sich an den Verein wenden, ebenso wie Angehörige oder Freunde, sagt Lehrmann. Die möglicherweise misshandelte Person direkt darauf ansprechen solle man nicht, rät sie. Stattdessen könne man behutsam signalisieren, dass man bereit ist zuzuhören. Man könne auch sagen: "Ich habe das Gefühl, dir geht es nicht gut." Aber man könne niemanden überreden, den Mann zu verlassen und sich Hilfe zu holen: "Die Initiative muss von der Frau kommen, und das kann dauern."

Frauen helfen Frauen, Beratung unter Telefon 08041/29 08 50 oder per E-Mail an fachberatung.frauen@fhf-ffb.de. Infos unter https://www.frauen-helfen-frauen-ffb.de/ Das weitere Programm in der Aumühle: Musikalische Lesung "Dunkelziffer" mit Klaus Zeh und Adeline, Mittwoch, 23. November, 19.30 Uhr . Eintritt: acht Euro. Informationstag, Freitag, 25. November, 14 bis 18 Uhr: Frauen helfen Frauen, Amnesty International, Opferschutzorganisation "Weißer Ring", Ökumenische Erziehungsberatungsstelle, Gleichstellungsstelle des Landratsamts und Plan International, Lesesaal der Bibliothek. Eintritt frei. Selbstverteidigungskurs am Samstag, 26. November, 10 bis 16 Uhr, Info und Anmeldung per E-Mail an frauennotruf@fhf-ffb.de .

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