Fürstenfeldbruck:Premiere für Maxl und Wiggerl

Lesezeit: 3 min

Die Leonhardifahrt ist neben dem Volksfest die größte Brauchtumsveranstaltung in Fürstenfeldbruck. (Foto: Johannes Simon)

Nach mehrjähriger Pause wird bei der Leonhardifahrt der Wagen des Edigna-Vereins wieder von einem Ochsengespann gezogen. Tausende Zuschauer säumen am Samstag die Straßen.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Maxl und Wiggerl haben sich ins Zeug gelegt, damit kein Schatten auf ihren Premierentag fällt. Und diese Aufgabe fing lange an, bevor die beiden vier Jahre alten Ochsen am Samstagnachmittag den mit gelben Herbstastern geschmückten Wagen des Edigna-Vereins zwei Runden durch die Brucker Innenstadt ziehen. Denn Maxl und Wiggerl haben alles aufgefressen, was man ihnen vor Antritt der Reise in Tiefenbach bei Landshut so vorgesetzt hat. Ordentlich Heu, darunter auch die Leibspeise Waldheu, und zur Feier des Tages auch Gelbe Rüben fast ohne Ende. Wer brav auffrisst, der wird mit gutem Wetter belohnt, heißt es.

So kommt es bei der Leonhardifahrt auch. Die Sicht unter einem strahlend blauen Himmel wird nur von ein paar bodennahen Wolken vernebelt - durch den Weihrauch beim Votivamt vor der gelb-weiß beflaggten Kirche Sankt Leonhard. Das wird zelebriert von Stadtpfarrer Otto Gäng, zu den Klängen der Stadtkapelle. Bei Temperaturen um die 20 Grad beschränken sich viele der mehreren Tausend Zuschauer auf T-Shirt und teils sogar kurze Hosen. Kaum zu glauben, dass in den vergangenen Jahren am letzten Samstag im Oktober oft ein schneidend-kalter Wind wehte und es kaum ohne Mütze und Handschuhe ging.

Die beiden Ochsen Maxl und Wiggerl (Foto: Johannes Simon/Johannes Simon)

Maxl (eine Mischung aus Holsteiner und Weiß-Blauem Belgier) und seinem Kompagnon Wiggerl (ein Rot-Bunter) ist ausgelassene Euphorie freilich fremd. Stoisch ziehen sie den Wagen des Edigna-Vereins über die Amperbrücke durch das dichte Spalier der Menschen, um am Rande des Marktplatzes die Segnung zu empfangen. Nehmen die beiden nicht an Festzügen wie jüngst beim Gäubodenfest teil oder stehen auf der heimischen Weide unter Apfelbäumen, dann ziehen sie mit dem gleichen Langmut schon mal gefällte Bäume aus dem Wald.

In Fürstenfeldbruck sind beide erstmals dabei, als Nachfolger von Max und Moritz, die beim Festzug 2019 ihren Abschied gaben. Auf dem Kutschbock sitzt Stadtrat Willi Dräxler. Aber die beiden von Hubert Fischer und Silke Reinhart flankierten Schwergewichte werden von Ochsenführer Thomas Engelbrecht gesteuert. Der weiß, wie's läuft und kennt die Zauberwörter: " Ziag o! Stopp! Häää!" Für den Fall der Fälle ist in Anbetracht des langen Anhaltewegs aber auch Xaver Rampel immer in der Nähe. Der ist Bremser.

Pfarrer Otto Gäng segnet die vorbeiziehenden Teilnehmer des Festzugs. (Foto: Johannes Simon)
Ein kleiner Bub reitet auf einem Esel. (Foto: Johannes Simon)
Von der Leonhardskirche (hinten) geht es zum Rathaus und dann in einem großen Bogen durch die Innenstadt. (Foto: Johannes Simon)
Ministranten in einem Truhenwagen. (Foto: Johannes Simon)
Original und Replik: Pferdekutsche mit Modell der Leonhardskirche. (Foto: Johannes Simon)
Ein Achtspänner auf der Hauptsraße. (Foto: Johannes Simon)
Mitglieder des Edigna-Vereins in historischen Kostümen. (Foto: Johannes Simon)
Glanzvoll vom Helm bis zur Sohle: Feuerwehrmänner mit einem zwei PS starken Einsatzfahrzeug. (Foto: Johannes Simon)
Das Bild des Schutzheiligen Sankt Leonhard prangt auf der Rückseite eines Truhenwagens. (Foto: Johannes Simon)
Ein Handwagen führt die Stadtkapelle an. (Foto: Johannes Simon)
Votivamt vor der Kirche Sankt Leonhard. (Foto: Johannes Simon)
Der Fanfarenzug Graf Toerring aus Gernlinden. (Foto: Johannes Simon)

Der Fall der Fälle tritt aber nicht ein: Die beiden Ochsen reihen sich ein in den Festzug aus Pferden aller erdenklichen Rassen und Größenklassen, Zwei-,Vier- und Achtspännern, zwei Eseln, drei Hunden, Musikkapellen, Vertretern von Vereinen, Ministranten und sehr vielen festlich gekleideten Reitern und Mitfahrern. In einer großen Runde geht es zweimal durch die Stadt, von der Kirche Sankt Leonhard bis zur Endstation Volksfestplatz. Vorne weg der Fanfarenzug Graf Toerring Gernlinden, gefolgt von prächtigen Truhenwagen, dem Kreuzwagerl des Edigna-Vereins, dem Wagen mit der Leonhardifigur und eben jenem von den beiden Ochsen gezogenen Wagen des Edigna-Vereins.

Auf dem Marktplatz gibt es einen Stau. Diesmal stört das niemanden

Edigna Kellermann, die langjährige Vorsitzende, hat den Wagen gemeinsam mit acht Helfern geschmückt und freut sich, dass der Brauch der Leonhardifahrt so hochgehalten wird in Fürstenfeldbruck. Auch die Dorfgemeinschaft von Puch profitiere davon. Um die 15 Kinder sind mit Begeisterung dabei - und werden damit herangeführt an den Verein und vielleicht ja auch mal auf der Bühne stehen bei den Edignaspielen.

So wie Magdalena, 7, und Raphael, 6, die stolz sind, dass sie auf dem von Ponys gezogenen Kreuzwagerl mitfahren dürfen. Magdalena ist schon das zweite Mal dabei, weiß also, wie der Hase läuft. Dass man den Passanten zuwinkt und am besten auch noch ein strahlendes Lächeln schenkt - "das ist toll und macht Spaß". Noch routinierter sind natürlich die Ehrengäste und Politiker, die auch diesmal wieder in den Kutschen mitfahren dürfen. In einer davon sitzt Alt-OB Sepp Kellerer gemeinsam mit den Abgeordneten Katrin Staffler, Benjamin Miskowitsch und Hans Friedl.

Dass der ganze Festzug dann erstmal auf dem beflaggten Marktplatz zum Stehen kommt, bringt niemanden aus der Ruhe - Staus gehören dort zum Alltag. Für die Familie Ammar zudem eine gute Gelegenheit, die prächtigen Rösser und Kutschen in aller Ruhe zu betrachten. Seit sechs Jahren leben sie im Landkreis. "Eine schöne Tradition ist das", sagt Abdul Ammar. In ihrem Heimatland Syrien gebe es prächtige Festzüge dieser Art nicht.

Eine halbe Stunde lang geht dann auf der Schöngeisinger Straße nichts voran. Ein Rettungswagen ist dort im Einsatz. Mit der Leonhardifahrt hat das aber nichts zu tun.

Die Wurzeln des Festzugs reichen zurück bis ins Jahr 1743. Damals gelobten die Einwohner des Marktes unter dem Eindruck einer grassierenden Viehseuche ein jährliches Votivamt. Dies alles geschieht zu Ehren des heiligen Leonhard, der seit dem 16. Jahrhundert als Patron der Tiere gilt, insbesondere der Pferde, sich aber auch für Gefangene eingesetzt haben soll. Im sechsten Jahrhundert lebte der Heilige Überlieferungen zufolge in der Provinz Gallien. In der Nähe von Limoges gründete er ein Kloster und lebte dort bis zu seinem Tod als Abt. Sein Ehrentag ist der 6. November. Die erste Leonhardifahrt in Fürstenfeldbruck im heutigen Sinn fand 1921 statt, regelmäßig ausgerichtet wird sie seit 1966.

Auch in vielen anderen bayerischen und österreichischen Städten gibt es Leonhardifahrten oder -ritte. Als größte und bedeutendste Leonhardifahrt wurde jene in Bad Tölz 2016 als immaterielles Kulturerbe Bayerns anerkannt. Sie findet heuer am Montag, 7. November, statt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Gesundheit
:Klinikum ächzt weiter unter Corona

Geplante Operationen werden verschoben, viele Mitarbeiter sind krank, eine Station muss schließen. Und die nächsten Probleme sind schon da: die steigenden Kosten.

Von Heike A. Batzer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: