Fürstenfeldbruck:Der Fall der Favoriten

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Jahrelanger Einsatz für die Kandidatur: Jan Halbauer. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Grüne und SPD nominieren für die Landtagswahl nicht die Kandidaten, denen die meisten Chancen eingeräumt worden sind. Weshalb sich Jan Halbauer und Christoph Maier verrechnet haben.

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Politiker und Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft: Christoph Maier. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Überraschend klar haben sich in diesem Herbst SPD und Grüne im Stimmkreis Fürstenfeldbruck-Ost bei der Nominierung der Direktkandidaten für die Landtagswahl 2023 gegen die jeweiligen vermeintlichen Favoriten ausgesprochen. Sowohl der Grüne Jan Halbauer also auch der Sozialdemokrat Christoph Maier fielen mit Pauken und Trompeten durch. Maier erhielt nur zehn von 50 Stimmen. Halbauer bekam nur 30, während es bei Andreas Birzele 66 waren. Dabei hatten sich die Unterlegenen gute Chancen ausgerechnet. Aber die Parteimitglieder honorierten deren jahrelanges ehrenamtliches Engagement nicht so, wie diese es erwarteten. Das hat bei beiden damit zu tun, dass es bei Nominierungen menschelt und vorab in Hinterzimmern oder in internen, vertraulichen Zirkeln Mehrheiten geschmiedet werden. Bewerben sich zudem für begehrte Mandate mehrere starke Kandidaten, kann es schon mal zu unvorhergesehenen Ergebnissen kommen.

Missglücktes Krisenmanagement

Diesen Faktor unterschätzte vor allem der unmittelbar nach der Niederlage enttäuscht als Kreisvorsitzender zurückgetretene Halbauer. Der Politologe und Mitarbeiter des Abgeordneten Martin Runge verhehlte nie seine Ambition auf ein Landtagsmandat. Er ackerte für dieses Ziel im Kreisverband, organisierte Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlkämpfe mit und gab so den Grünen als ehrgeiziger junger Nachwuchspolitiker ein Gesicht für die Zukunft. Zum Verhängnis wurden ihm Differenzen im Kreisvorstand und ein missglücktes Krisenmanagement.

Nach diversen Rücktritten und damit einhergehenden Verwerfungen im Kreisvorstand rumorte es bei den Grünen gewaltig. Der Führungsstil des Fürstenfeldbrucker Stadt- und Kreisrats Halbauer geriet mehr und mehr in die Kritik. Damit rückten auch Zweifel an dessen charakterlichen Qualitäten in den Vordergrund sowie dessen angebliches Machtstreben und Taktieren, das manchen nicht behagte. Je näher die Nominierung rückte und je weniger es gelang, die internen Querelen beizulegen, umso mehr Gewicht bekam noch etwas: Halbauer mobilisierte seine Unterstützer im Hintergrund ebenso wie dessen zwei Mitbewerber. Das ist bei einem solchen Wettbewerb normal. Normal war diesmal jedoch nicht, dass dieser Prozess durch die unbewältigte Krise im Kreisverband überlagert wurde, was Halbauers Position schwächte.

Zukunft der Partei

Solche internen Kontroversen gibt es im SPD-Unterbezirk Fürstenfeldbruck zurzeit nicht. Laut dem Unterbezirks- oder Kreisvorsitzenden Michael Schrodi kam es in der ersten Sitzung des Unterbezirksvorstands nach der Nominierung nicht einmal zu einer Aussprache zu dem Thema. Der Kreisvorstand habe das Ergebnis einmütig zur Kenntnis genommen. Die 40 Stimmen für Daniel Liebetruth und nur zehn für Maier interpretiert der Bundestagsabgeordnete Schrodi folgendermaßen: Der Gewinner habe die Genossen überzeugt, für die Zukunft der SPD im Landtag zu stehen. Zudem sei honoriert worden, dass er Impulse setzte und im Unterbezirk ebenso intensiv gearbeitet habe wie als Kreisrat und Stadtrat in Germering.

Norbert Seidl, SPD-Bürgermeister in Puchheim, bedauert es nach der "überraschenden Niederlage" von Maier, sich im Vorfeld der Nominierung nicht mehr für den Unterlegenen eingesetzt zu haben. Dass er sich getäuscht habe, begründet er damit, man wisse nie, wer im Hintergrund welche Fäden ziehe. Zudem menschle es in der Politik. So würden bei solchen Nominierungen vor allem Personen gewählt, nicht Programme. Geschadet habe Maier, bei der Kommunalwahl 2020 gegen den CSU-Landrat Thomas Karmasin angetreten und nur acht Prozent der Stimmen erhalten zu haben. Mit dieser Kandidatur sei er ein großes Risiko eingegangen. Das sei nicht honoriert worden.

Mit der fehlenden Anerkennung dessen, was Maier in etwa 30 Jahren für die SPD geleistet habe, begründet Seidl Maiers Enttäuschung. Das führte zu dessen Rücktritt vom Vorsitz der SPD-Kreistagsfraktion. Vom Sieger Liebetruth vermisst Seidl überzeugende inhaltliche Aussagen. Maier charakterisiert er dagegen als Politiker mit klaren Positionen, die er konsequent vertrete. Als ehrenamtlicher Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises verfolge er das ehrgeizige Ziel, billigen Wohnraum zu schaffen.

"Befreiendes Erlebnis"

"Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Mit diesem Zitat des Soziologen und Philosophen Theodor W. Adorno beschreibt Maier, weshalb er nach der Überwindung der ersten Enttäuschung seine Niederlage inzwischen als "befreiendes Erlebnis" empfinde. Nach 30 Jahren sei sein aktiver Weg in der SPD vorerst für ein Jahr vorbei. Sich in einer Partei wie der SPD zu betätigen, bestehe nicht nur aus Spaß und tiefer innerer Verbundenheit. Es gebe auch Anteile von Hassliebe. Irgendwann merke man, dass das möglicherweise nicht der richtige Weg sei. Sein Kreistagsmandat werde er weiter ausüben, sagt Maier, der sich für einen untypischen Sozialdemokraten hält. Ebenso führt er seine Tätigkeit bei der Wohnungsbaugesellschaft fort, die für ihn kein parteipolitisches Engagement ist. Seinen Rückzug aus der Kreispolitik verband Halbauer gegenüber der SZ mit dem Hinweis, zu seinen Beweggründen keine weitere öffentliche Stellungnahme abzugeben.

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