Fürstenfeldbruck:Kinderporno als Meme

Lesezeit: 2 min

Ort der Entscheidung: Am Amtsgericht Fürstenfeldbruck werden viele Urteile gefällt, auch das gegen einen 56-Jährigen, der im Mai am S-Bahnhof Eichenau vor einem Teenager onaniert hat. (Foto: Günther Reger)

Richterin verurteilt Puchheimer zu 3600 Euro Geldstrafe. Sie glaubt ihm, das Video unbedacht versendet zu haben.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Ein unbedachter Klick und schon hat man sich strafbar gemacht, zum Beispiel als Konsument und Verteiler von Kinderpornos. Was übertrieben klingen mag, ist in dieser schnelllebigen Zeit und der digitalen Welt durchaus realistisch, wie ein 30 Jahre alter Puchheimer am Mittwoch vor dem Amtsgericht erfahren musste. Der nicht vorbestrafte Mann wurde wegen Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften zu 3600 Euro Geldstrafe verurteilt. Wie er selbst zugab, hatte er von einem Kollegen ein Meme geschickt bekommen und es weitergesendet, ohne genauer darüber nachzudenken oder es auch nur einmal ganz angesehen zu haben.

Die fragliche Videodatei wurde vor etwas mehr als zwei Jahren über soziale Netzwerke verschickt. Laut Anklage zeigt sie einen nackten Buben, nicht einmal 14 Jahre alt. Der Puchheimer soll sie erhalten und weiterversandt haben. Das bestreitet er in der Gerichtsverhandlung auch gar nicht. Aber der 30-Jährige ungarischer Herkunft unterstreicht, dass ihm der strafrechtliche Inhalt nicht bekannt gewesen sei. "Ich kenne eine kürzere Version, auf der war kein Kinderporno."

"Das ist ein Meme", erläutert sein Verteidiger. Die kurzen, lustigen Bilder oder Videos, meist von irgendeinem User kreativ neu kombiniert, verbreiten sich häufig sehr schnell, gerne eben auch über soziale Netzwerke. Der Anwalt, der angesichts seiner Sprachkenntnisse mutmaßlich selbst ungarische Wurzeln hat, erklärt, dass es in der ungarischen Community von der Aufnahme des Buben verschiedene Memes gibt, die meisten ohne kinderpornografische Tendenz. Der Bub sei "in Ungarn sehr bekannt. Das läuft im Internet rauf und runter." Viele würden so ein Meme bekommen und es dann weiterschicken, ohne darüber nachzudenken.

"Das wird alles berücksichtigt", sagt die Vorsitzende Richterin Alexandra Marinelli. Aber trotzdem bleibe der Vorwurf des Verbreitens kinderpornografischer Schriften bestehen, schließlich habe der Puchheimer die Videodatei erhalten und weitergeschickt. "Der Angeklagte ist kein Sexualstraftäter", weist der Verteidiger darauf hin, dass der 30-Jährige weder einschlägige Vorstrafen habe noch - wie normalerweise üblich bei Menschen, die wegen Besitzes oder Verbreitens kinderpornografischer Inhalte straffällig werden - dass weitere strafbare Fotos oder Videos auf seinen digitalen Geräten gefunden wurden. Im Übrigen habe sein Mandant seit etwa vier Jahren eine feste Freundin.

All die entlastenden Fakten aufzählend, will der Rechtsanwalt eine Einstellung des Verfahrens gegen 1000 Euro Geldauflage erreichen. Doch die Staatsanwältin ist nicht einverstanden. Angesichts der bereits gestandenen Tat - dem Versenden eines Videos - sieht sich auch die Richterin an den Strafrahmen gebunden. Der reicht beim Verbreiten kinderpornografischer Schriften von einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. "Das mag schon sein, dass das ein unreflektierter Vorgang war", sagt Marinelli bei der Urteilsverkündung. Doch jeder User sei nun einmal verantwortlich für seine Handlungen im Netz - genauso wie in der realen Welt nun einmal auch. Mit ihrem Urteil, 90 Tagessätze zu je 40 Euro, bleibt sie deutlich unter dem Antrag der Staatsanwältin; die hatte 150 Tagessätze zu je 50 Euro gefordert. Und sie betont, dass die Strafe nicht noch geringer ausfallen könne.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: