Olympia-Attentat 1972:Rückkehr an den Ort schrecklicher Erinnerungen

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Hans Völkl teilt seine Erinnerungen an den 5. September 1972 mit jungen Sprtlerinnen und Sportlern in der Ausstellung im alten Tower des Fliegerhorstes Fürstenfeldbruck. (Foto: Lukas Barth)

Hans Völkl tut 1972 Dienst im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck, als die Polizei versucht, die israelischen Geiseln zu befreien. 50 Jahre später berichtet er jungen israelischen Sportlern davon.

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Hans Völkl und Pavel Kolosovski hatten nichts miteinander zu tun. Bis die beiden an diesem Freitagvormittag im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck aufeinandertreffen. Völkl, 71 Jahre und aus dem Landkreis Freising, wird dem 40 Jahre alten Betreuer junger Gewichtheberinnen und Gewichtheber aus Israel an der Stelle von den schrecklichen Ereignissen des 5. September 1972 erzählen. Er wird ihnen berichten, wie die Hubschrauber mit den neun israelischen Geiseln und deren palästinensischen Entführern in Fürstenfeldbruck landeten - genau vor dem Fenster seiner Dienststelle mit Blick auf das Vorfeld des Militärflugplatzes. Und Pavel Kolosovski wird dem Zeitzeugen zuhören und mit seinen Schützlingen an diesem Wochenende über das Olympia-Attentat sprechen und dabei an den Gewichtheber Yossef Romano erinnern, der das zweite Opfer der Terroristen war und in München starb. Zum Gedenken am Romano veranstaltet der Eichenauer Sportverein am Sonntag ein Turnier, an dem neben den Talenten aus dem israelischen Jugendnationalkader mehr als 30 weitere Gewichtheberinnen und Gewichtheber teilnehmen werden.

Es ist warm und stickig im alten Tower am Rande des Flugplatzes Fürstenfeldbruck. Es wird nicht häufig gelüftet in dem Gemäuer mit Geschichte. Die jungen Sportler zeigen Interesse wie Gleichaltrige in Deutschland bei einem Museumsbesuch. Menschen, die älter sind als ihre Lehrer daheim, erklären auf Englisch, was sich am 5. September 1972 in München und Fürstenfeldbruck zugetragen hat. Ulrike Bergheim, Vorsitzende des Historischen Vereins für die Stadt und den Landkreis Fürstenfeldbruck hat die Schlüssel zum alten Tower, sperrt einen Raum nach dem anderen auf und erläutert die Dauerausstellung, die zum 40. Jahrestag gestaltet wurde. Nun, zehn Jahre später und vor dem bedeutenden 50. Jahrestag des Anschlags, ist die Ausstellung zwar um eine Schautafel ergänzt worden, aber die Öffentlichkeit hat immer noch keinen Zugang zu dem Schauplatz, an dem acht israelische Sportler und ein bayerischer Polizeibeamter ums Leben kamen.

Fotos machen die Teilnehmer der Führung im Fliegerhorst an der Stelle, an der eine Tafel an den dort erschossenen Polizeibeamten Anton Fliegerbauer erinnert. (Foto: Lukas Barth)

Hans Völkl erzählt der Sportlergruppe, dass er im letzten Monat seines zweijährigen Dienstes bei der Luftwaffe vom 5. auf den 6. September für die Nachtschicht eingeteilt war. Der Unteroffizier hatte während der Olympischen Spiele die Aufgabe, die Piloten jener Flugzeuge zu betreuen, die die Olympiateilnehmer nach Fürstenfeldbruck brachten. Nächste Station war das Olympische Dorf. Dort drangen am frühen Morgen des 5. September Angehörige der Terrorgruppe Schwarzer September in die Unterkunft der israelischen Mannschaft ein, erschossen zwei Olympiateilnehmer, unter ihnen Yossef Romano, und nahmen neun Geiseln. Im Tower von Fürstenfeldbruck verfolgte Hans Völkl die Ereignisse auf einem kleinen Schwarz-weiß-Fernseher. Plötzlich und unerwartet landet eine Passagiermaschine, wird seitlich vom Tower abgestellt und wartet mit laufenden Turbinen. So erinnert sich der heute 71-Jährige, der danach in seinem kleinen TV-Gerät den Abflug von zwei Hubschraubern in München mit den Terroristen und ihren Geiseln an Bord sieht und annimmt, dass sie zum Flugplatz München-Riem unterwegs sind. "Zehn Minuten später habe ich die Helikopter aus Richtung Gröbenzell kommen gehört." Von seinem Platz im Erdgeschoss aus, sieht er, wie Terroristen aus den Hubschraubern übers Vorfeld zu der Passagiermaschine laufen, sie inspizieren und wieder zurückgehen. In dem Moment begann ein Feuergefecht zwischen der Polizei und den Attentätern, vor dem sich Völkl unter seinem Schreibtisch in Sicherheit brachte. Er sieht noch, wie zu Beginn der Schießerei der Polizist Anton Fliegerbauer aus dem Gebäude stürmt - und vor dem Eingang tödlich getroffen wird.

Auf einer Tafel vor dem alten Tower wird an den Anschlag auf die israelischen Sportler erinnert. (Foto: Lukas Barth)

Völkl, das ist ihm anzusehen, bewegen die Schilderungen sehr. Es sind zwar 50 Jahre vergangen, aber er hat an diesem Ort Menschen sterben sehen. Er hat die israelischen Opfer in den Hubschraubern gesehen und die zwei der drei Terroristen, die schwer verletzt überlebten und in seinem Büro gefesselt und blutend auf dem Boden lagen. Er kann diese Eindrücke ohne Verklärung oder Pathos vermitteln, er tut dies auf Englisch, und den Gästen des Historischen Vereins und des Eichenauer Sportvereins dürfte klar geworden sein, dass es eben kein Museumsbesuch ist, den sie da erleben. Es ist nun die Aufgabe von Pavel Kolosovski, an diesem Wochenende über Olympia 1972, das Attentat und Yossef Romano zu reden. Ihn selbst verbindet mit Romano, dass er zwischen 2000 und 2009 selbst israelischer Champion im Mittelgewicht war und am Gedächtnisturnier für Romano teilgenommen hat. Damals, erzählt er im erste Stock des Towers mit Ausblick auf das Vorfeld, wo die Sportler umgebracht wurden, habe er von Romanos Witwe Ilana eine Auszeichnung bekommen. Von jener Frau, die 2012 vergeblich versuchte, dass bei den Olympischen Spielen der israelischen Opfer mit einer Schweigeminute gedacht wird.

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