Brauchtum:Den Kärntner vom Podest gestoßen

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Und dann fallen beide Stecher: Der Musikverein Windach (links) tritt beim Fischerstechen gegen den Obst- und Gartenbauverein Türkenfeld an. (Foto: Jana Islinger)

Die Feuerwehr Zankenhausen gewinnt das Finale des Fischerstechens gegen die Freunde aus der österreichischen Partnerstadt. Und 2500 Menschen sind am Dorfweiher bestens unterhalten.

Von Erich C. Setzwein, Türkenfeld

Die Bedingungen hätten nicht besser sein können. Wenn nur alle vier Jahre ein Spektakel wie das Fischerstechen auf dem Türkenfelder Dorfweiher stattfindet, dann haben es Organisationsteam und alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer verdient, wenn die Augustsonne strahlt und Publikum bei 32 Grad im Schatten das Ufer säumt. Nach neun Vorbereitungstagen bei ebenfalls stets gutem Wetter hat am Sonntag der Wettkampf stattgefunden, und als Sieger hat die Mannschaft der Freiwilligen Feuerwehr Zankenhausen das grün-braune Wasser des Weihers im Ortszentrum verlassen. An dem fünf Wettbewerb beteiligten sich 16 Mannschaften, darunter vier neue. Erstmals traten zwei reine Frauenmannschaften an, aus Sicherheitsgründen allerdings außerhalb der Konkurrenz.

Organisatorin des insgesamt zehntägigen Events während der Sommerferien ist seit 1981 die Freiwillige Feuerwehr Türkenfeld. Sie hat nicht nur die Logistik und das Organisationstalent, sondern sie zeigt auch eine besondere Hingabe. Wie selbstverständlich werden die Küchenzelte aufgebaut, in den Pavillons und an den Bierbänken um den Weiher halten sich an diesem Sonntag geschätzt 2500 Zuschauerinnen und Zuschauer auf - die unter 16-Jährigen nicht mitgerechnet, die keinen Eintritt zahlen müssen. Schon vom ersten Abend an geht dort gute Stimmung aus. Wer eine Grillwurst mag, bekommt sie für 4,50 Euro in der Semmel, dazu ein Bier um vier Euro. Auch Gerichte ohne Fleisch werden angeboten. So versorgt, lässt es sich am Weiher aushalten, und Bürgermeister Emanuel Staffler tut mit seiner Moderation ein Übriges, um das Publikum bei Laune zu halten.

Der Vorsitzende des Feuerwehrvereins, Wolfgang Neumeier, kommentiert den Wettbewerb. (Foto: Jana Islinger)

Mittendrin und stets ansprechbar sind Wolfgang Neumeier und Marco Göbel, die Vorsitzenden des Feuerwehrvereins. Die beiden zeigen jene Gelassenheit, die darauf beruht, dass sie zum einen den Job nicht erst seit gestern machen und sie zum anderen ganz genau wissen, dass sie sich auf ihre Mannschaft verlassen können. Feuerwehrvereine, aber auch die Vereine der Burschen, Madl, der Sportler, der Künstler und Gewerbetreibenden sind essenziell für ein lebendiges, vielfältiges Dorfleben, wie es sich in Türkenfeld zeigt. Anderswo, vor allem in größeren Kommunen, hat man längst aufgegeben, etwas für ein größeres Publikum auf die Beine zu stellen. Zu wenig Interesse und Engagement kann man den Türkenfelder nun wirklich nicht vorwerfen, die während der zehntägigen Veranstaltung an jedem Trainingsabend zahlreich an den Dorfweiher kamen, um dort einen Biergarten unter Bäumen oder Zeltdächern vorzufinden und den Mannschaften beim Üben zusehen zu können.

Außer Konkurrenz treten die Frauenteams der wilden Weiher Walküren in Schwarz gegen den Tacki-Stammtisch in Blau an. (Foto: Jana Islinger)

13 Punkte umfasst das Regelwerk des Fischerstechens, und es legt fest, dass eine Mannschaft aus sechs Mitgliedern zu bestehen hat. Da sind die vier Ruderer, der Steuermann und eben der Stecher, der auf einem Podest am Endes des Bootes steht. Er hat eine knapp drei Meter lange weiß-blau-gestrichene Lanze mit einer Gummispitze im Arm, die es ihm ermöglicht, den Gegner auf dem anderen entgegenkommenden Boot so an der Brust zu treffen, dass dieser das Gleichgewicht verliert und ins Wasser stürzt. So viel zur Theorie.

In der Praxis sieht das dann so aus, dass trotz allen Trainings die eine oder andere Stangenauseinandersetzung nicht funktioniert und beide Stecher auf dem Podest stehenbleiben. Wie etwa beim Aufeinandertreffen des Obst- und Gartenbauvereins und des TSV Türkenfeld Alte Herren. Zweimal treffen sich die Stecher jeweils so unglücklich an der Brust, dass die Lanzen abrutschen und durch die Gesichter fahren. Schmerzhafte Erfahrungen. Nach den Regeln muss der Stecher nach diesen Fehlversuchen gegen einen Ruderer getauscht werden, und bei der Erfahrung, die die AH hat, gewinnt sie den Kampf.

Doch der Sieger von 2019 kann seinen Erfolg nicht wiederholen. Denn zum zweiten Mal seit 2019 ist die Mannschaft der Feuerwehr Oberdraubach dabei. Mit dem 1200 Einwohner zählenden Ort pflegt die Gemeinde Türkenfeld eine lebendige Partnerschaft. Am Freitag vergangener Woche begann die Mannschaft von Stecher Christian Kaiser ihr Training, und sie zeigte nach so kurzer Zeit große Beständigkeit auf dem Dorfweiher.

Große Unterstützung bekommen die sechs Männer im Boot von der Bahnhofstraße, wo der Oberdrauburger Feuerwehrkommandant Johannes Egger, 26, mit etlichen Freunden sitzt und das Boot mit dem Kampfruf "Locos" anfeuert. Die Mannschaft nennt sich selbst "Bomberos Locos", also die verrückten Feuerwehrler. Doch alles Anschreien hilft nichts: Nach dem ersten Anlauf fliegt Kaiser ins Wasser, und als die Zankenhausener Feuerwehrkameraden zum zweiten Mal auf Angriffskurs gehen, stürzt der Kärntner Stecher erneut vom Podest. Zankenhausen hat, wie vorher von Emanuel Staffler gefordert, "die Gemeindeehre hergestellt".

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