In Afrika gibt es ein Sprichwort, das vor allem auf Menschen aus westlichen Ländern gemünzt ist: "Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit". Saskia Traxler und Max Brück müssen sich da nicht angesprochen fühlen. Die beiden gebürtigen Eichenauer sitzen an einem Abend Ende Januar in ihrem Camper auf dem Wohnmobilstellplatz an der Amperoase. Und schnell wird klar: Die 30 Jahre alte Yogalehrerin und der 29 Jahre alte Schreiner haben Uhren und Zeit. Vor fast drei Jahren haben die beiden das Zimmer in einer Wohngemeinschaft aufgegeben, um eine Art modernes Nomadenleben zu führen. Anfang März wollen sie nun auf große Tour gehen - über Marokko und die Westküste Afrikas entlang bis zum Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze des Kontinents. Wie lange das dauern wird? Ob sie ihren eigens dafür angeschafften Geländewagen in Südafrika verkaufen oder doch lieber über die Ostküste zurückfahren nach Fürstenfeldbruck? Steht noch nicht fest. Ein Jahr? Zwei Jahre? Länger? Mal sehen. Hakuna Matata. Oder ins Bayerische übersetzt: "Schau ma moi, dann seng mas scho."
Wer Traxler und Brück besucht und Platz nimmt auf der kleinen Sitzecke in ihrem selbst umgebauten, vollintegrierten Wohnmobil, der lernt zwei Menschen kennen, die keine klassischen Aussteiger sind und auch nicht zwanghaft alles hinter sich lassen wollen, deren Augen aber leuchten, wenn sie über ihre Pläne sprechen. Und die nicht nur träumen wollen, sondern loslegen. Sie suchen ihr ganz persönliches Abenteuer, gehen gerne unkonventionelle Wege und haben erkannt, dass es Wichtigeres gibt als Luxus, eine große Karriere und einen Haufen Geld. Außerdem wollen sie die Gunst der Stunde, ihre Jugend, Fitness und die Unabhängigkeit nutzen, noch bevor es später mal um Dinge wie Familienplanung gehen mag.
Auf den Geschmack gekommen sind beide auf gemeinsamen Reisen. So waren sie von Mai bis Oktober 2021 fünf Monate mit dem Fahrrad unterwegs durch Europa. Über Belgien und Frankreich ging es mehr als 5000 Kilometer bis nach Portugal. Für ihr aktuelles Openend-Projekt ist ein Auto, in dem sie übernachten können, die bessere Alternative zum Fahrrad. Damit muss man nicht jeden Tag Wasser und Lebensmittel besorgen, kann stehen bleiben, wo man will und muss lediglich das auf dem Dach montierte Zelt aufklappen.
Gegenüber dem Wohnmobil-Parkplatz an der Klosterstraße steht am Straßenrand ihr Auto, das sie für das Projekt gebraucht gekauft haben. Den Toyota Hilux hat bereits der Vorbesitzer für seine Touren nach Marokko und die Arbeit auf der Alm mit einer umfangreichen Offroad-Ausrüstung ausgestattet. Er hat schon 250 000 Kilometer auf dem Buckel und quasi keine Ausstattung. Was das Auto nicht hat, kann auch nicht kaputt gehen - wenn sie in der Wüste die Klimaanlage vermutlich vermissen werden. Aber Traxler und Brück sind hoffnungsfroh, dass der Geländewagen durchhält. Und wenn nicht, muss eben repariert werden. Entweder machen das Menschen vor Ort oder notfalls mit Hilfe des Werkstattbuchs. "Wir lassen das auf uns zukommen", sagt Max, der Nordafrika von Rucksacktouren kennt.
Bei ihrer Reise wollen sie ausgetretene Pfade verlassen, sich auf die Menschen in den Ländern einlassen, gezielt Projekte von Hilfsorganisationen besuchen und alles mit der Videokamera dokumentieren. Saskia ist besonders neugierig auf Kamerun, Max findet Nigeria spannend - auch wenn man die Sicherheitslage im Auge behalten muss. Längst sind die beiden über soziale Medien in Kontakt mit Reisenden, die aktuell auf der Route unterwegs sind und wertvolle aktuelle Tipps geben können.
Sorgen um die Sicherheit
Natürlich gab es im Freundes- und Familienkreis Bedenken, die ganze Sache könne gefährlich werden. Aber die beiden gebürtigen Eichenauer sehen sich der Herausforderung gewachsen. Wer allen Risiken aus dem Weg gehen will, sollte besser zu Hause bleiben. Sie wissen, dass Afrika längst nicht so gefährlich ist, wie viele meinen - sofern man gewisse Grundregeln beherzigt, sich gut informiert und vor allem in den Großstädten aufpasst. "Meine Eltern waren nicht so begeistert, als sie von unseren Plänen gehört haben", räumt Saskia ein. "Aber sie können unsere Sehnsucht nach der Ferne gut verstehen, da sie selbst viel mit ihrem Wohnmobil unterwegs sind."
Die ganz große Umstellung wird das alles ohnehin nicht sein. Denn das Paar hat in den zurückliegenden Jahren gelernt, sich aufs Notwendigste zu beschränken. "Uns fasziniert das Leben auf kleinem Raum. Man ist gezwungen, sich mehr Gedanken über den eigenen Konsum zu machen und lernt Selbstverständliches wieder wertzuschätzen", sagt Max.
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In dem Wohnmobil ist der Stauraum begrenzt, auch wenn man etwas mehr Komfort hat als im Geländewagen - so sind eine Nasszelle und eine Standheizung an Bord. Anders ginge es im Winter gar nicht.
An diesem Abend stehen drei weitere Wohnmobile auf dem Platz. Eines kommt ebenfalls aus dem Landkreis, die anderen aus bayerischen Städten. Es gebe so eine Art Camper-Community, erzählt Saskia. Aber immer häufiger trifft man auch Menschen, die sich eine eigene Wohnung schlicht nicht leisten können und deshalb unfreiwillig im Auto oder Wohnmobil leben. Weil Saskia Traxler und Max Brück in Fürstenfeldbruck noch fest angestellt sind, übernachten sie meistens hier an der Amper oder auch mal am Pucher Meer. Im Sommer parken sie ihr weißes Haus auf Rädern auch gerne mal an malerischen Plätzen und genießen abends beim Grillen einfach das Leben.
Saskia Traxler und Max Brück haben einen Instagram-Account (@welt_erleben) und einen Youtube-Kanal (@welterleben) eingerichtet, um Interessierte mit auf das Abenteuer zu nehmen.