Lokale Geschichte:Vom Revoluzzertreff zum Swingerclub

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Der Biergarten über dem Keller ist Ende des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugsziel auch für Ausflügler aus München. (Foto: Archiv Späth/Archiv Mammendorf/oh)

Die bewegte Geschichte des Maisacher Sommerkellers ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Meisaha nachzulesen.

Von Peter Bierl, Maisach

Der Maisacher Sommerkeller hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die mehr als 250 Jahre zurückreicht. In dem unterirdischen Bau wurde einst das Bier gekühlt, im frühen 21. Jahrhundert diente die Wirtschaft darüber als Swingerclub. Nachzulesen ist die Entwicklung, die die Historikerin Helga Rueskäfer recherchiert hat, in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Meisaha, die der Arbeitskreis Ortsgeschichte herausgibt.

Das Bier musst früher bei tiefen Temperaturen gelagert werden, weshalb die Maisacher Brauerei um 1766 einen "Märzenkeller" bauen ließ. In der Umgebung legte der Brauereibesitzer ein Hopfenfeld an, über dem tiefen Gewölbe wurde Bier ausgeschenkt. Daraus entwickelte sich ein Lokal, das ein beliebtes Ausflugsziel für Münchner Familien wurde, nachdem Maisach ab 1889 durch einen Vorortzug im Stundentakt mit der Landeshauptstadt verbunden worden war.

Bereits zwei Jahre zuvor bespitzelte die Polizei das Treffen eines Gesangsvereins, einer Tarnorganisation für die verbotene sozialistische Partei, deren Anhänger aus München und Augsburg sich dort trafen. Nachdem die Teilnehmer rote Tücher schwenkten und die künftige sozialistische Weltrepublik hochleben ließen, schritt die Obrigkeit ein und ermahnte die Runde.

In der großen Halle wird das Bier der Maisacher Brauerei ausgeschenkt. (Foto: Archiv Späth/Archiv Mammendorf/oh)

Rueskäfer geht davon aus, dass der Sommerkeller seine Funktion als Kühllager um 1909 verlor, nachdem die Brauerei abgebrannt war und neu errichtet wurde. Der Biergarten und die Wirtschaft beim Keller bestanden aber weiter. 1927 wurde ein neuer Pächter gesucht, aus dieser Zeit stammt auch eine Beschreibung der Wirtschaft: Sie bestand demnach aus Gast- und Wohnzimmer, Schänke und einem Tanzsaal sowie dem Biergarten mit einer Kegelbahn. In einen Teil des Kellers zog in diesem Jahr das Geophysikalische Observatorium aus München ein. Der Standort war aber nicht mehr für die feinen Messinstrumente geeignet, als nebenan 1937 der Flugbetrieb begann.

Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Wirtschaft als Flüchtlingsunterkunft, Anfang der Fünfzigerjahre wurde der Sommerkeller wieder zu einem beliebten Ausflugsziel. Im Zuge der Gemeindegebietsreform von 1978 musste Maisach die Hasenheide an Bruck abtreten, der Sommerkeller liegt seitdem auf dem Gebiet der Stadt. Bis 2002 waren Wirtschaft und Biergarten noch in Betrieb, dann fand sich ein neuer Pächter, der das Anwesen in einen Swingerclub umwandelte, nicht gerade zur Freude des Brucker Stadtrates.

In weiteren Heftbeiträgen präsentiert Fritz Aneder die Ergebnisse archäologischer Grabungen, die Relikte aus der Bronzezeit zu Tage förderten, während Karl Muth den Niedergang des Einzelhandels in der Gemeinde schildert. Bis in die Siebzigerjahre gab es in Maisach ein Sortiment, das den größten Teil des damaligen Lebensbedarfs abdeckte, fußläufig erreichbar, was heute unter dem Umweltaspekt wünschenswert wäre, lautet die Bilanz. Stefan Schader hat die Geschichte des Autohauses Walter sowie der Gernlindener Kohlehandlung Sistig aufgeschrieben, Cornelia Schauer schildert die Entwicklung des Kinderspielplatzes von Gernlinden. Wiederabgedruckt ist ein Aufsatz des Ortsarchivars und Meisaha-Redakteurs Stefan Pfannes über die Kinos in Maisach, von denen es einst mehrere gab.

Arbeitskreis Ortsgeschichte, Meisaha, Hefte zur Gemeindegeschichte, Ausgabe 2022, fünf Euro, erhältlich bei Schreibwaren Auer, im Schokoladen, in örtlichen Banken und der Lindenapotheke Gernlinden

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