Maisach:Der lange Weg zum Kindergarten

Meisaha-Rezensionen

Die Nationalsozialisten haben 1939 einen so genanten Erntekindergarten der NS-Wohlfahrt in Maisach eröffnet, um die Frauen bei der Feldarbeit zu entlasten. Nach dem Einmarsch der Amerikaner wird er aufgelöst.

(Foto: Archiv Heimatbühne)

Wie schwierig es war, in Maisach die erste Kita zu schaffen, beschreibt Helga Rueskäfer in der aktuellen Ausgabe des Meisaha. Erst 1968 wird eine Einrichtung eingeweiht

Von Peter Bierl, Maisach

Es ist noch nicht lange her, da wurden Kindergärten von Konservativen als Kaderschmieden des Sozialismus verdammt. Der Wind hat sich längst gedreht, weil die meisten Frauen inzwischen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, weil sie wollen oder müssen. Wie schwierig es war und wie lange es dauerte, solche Kindertagesstätten zu schaffen, berichtet die Historikerin Helga Rueskäfer in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Meisaha am Beispiel Maisachs. Sie hat dazu ausführlich recherchiert und liefert einen interessanten Überblick, der deutlich macht, von welchen sozialen, politischen und persönlichen Faktoren die Einrichtung abhing.

Die allerersten Kindergärten, schreibt Rueskäfer, seien bereits im frühen 19. Jahrhundert entstanden, um die Bäuerinnen zu entlasten. In Maisach waren es die Nationalsozialisten, die einen solchen Erntekindergarten einrichteten, vermutlich nicht zufällig 1939, dem Jahr, in dem das faschistische Regime den Zweiten Weltkrieg vom Zaun brach. Die NS-Volkswohlfahrt (NSV) richtete diese Kita im Heim der Hitlerjugend ein, in dem heute das Jugendzentrum untergebracht ist, wie Rueskäfer schreibt. Die Einrichtung war damals vom 15. Mai bis 15. Oktober geöffnet, aufgenommen wurden Kinder vom zweiten bis zum siebten Lebensjahr. Die Gemeinde zahlte Unterkunft und Verpflegung der Kindergärtnerin, den Lohn übernahm der NSV. Beim Einmarsch der Amerikaner wurde der Kindergarten im Frühjahr 1945 aufgelöst.

Die nächsten vier Jahre waren die Frauen wieder auf sich alleine gestellt. Erst als im Oktober 1949 in der Hasenheide am Fliegerhorst in alten Baracken eine Wohnsiedlung für Flüchtlinge eingerichtet wurde, entstand ein Kindergarten im Bau der ehemaligen Wehrmachtsküche, geführt von der Caritas. Kinder aus Maisach und Bruck gingen dorthin. Weil das Gebäude auf Maisacher Flur stand, musste die Gemeinde es unterstützen, was anscheinend in Form von Brennmaterial geschah.

Gleichzeitig versuchte die Caritas seit 1945 auch in Maisach selbst wieder einen Kindergarten zu eröffnen, unterstützt vom Pfarrer, der allerdings riet "sich nicht zu sehr auf die politische Gemeinde zu verlassen". Tatsächlich passierte gar nichts. 1959 spendete ein Bauer 100 Mark für einen Kindergarten, 1960 ergriffen Eltern die Initiative, aber Bürgermeister Franz Moser (SPD) wehrte ab: wegen des Baus der Wasserversorgung sei kein Geld in der Gemeindekasse.

1963 beschloss der Gemeinderat einen Notgroschen einzuführen, der bei Eintrittskarten für öffentliche Veranstaltung erhoben wurde. Im März 1966 begannen tatsächlich die Bauarbeiten für das Gebäude, die Gemeinde bezahlte einen Anteil von rund 100 000 DM. Im November 1967 wurden die ersten Kinder aufgenommen, die offizielle Einweihung fand im Januar 1968 statt. Bereits im ersten Jahr kamen etwa 100 Kinder, zehn davon ganztags. Die Einrichtung bestand aus drei Räume mit je 60 Quadratmetern, einer Halle, Küche, Garderoben, Toiletten und Waschräumen. Das Personal bestand aus der Leiterin, einer Halbtagskraft, Köchin und Reinigungsfrau.

Rueskäfer betont, dass die moderne Kindergartenpädagogik in den Anfängen steckte. Es gab weder Teamgespräche, noch Rahmenpläne oder Fortbildungen für das Personal. Dass die Ansprüche bald stiegen, zeigt eine Kritik von Eltern aus dem Jahr 1971. Sie bemängelten, dass es weder Turnen noch Gymnastik gab, und der Pfarrer sowie die Leitung angeblich keine Vorschulerziehung wollten.

Meisaha-Hefte zur Gemeindegeschichte, Nr. 12, 2020, 31 Seiten, fünf Euro, erhältlich im Rathaus von Maisach

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