Fürstenfeldbruck:Revolution auf den Tellern

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Auch in den Kantinen wünschen sich die Beschäftigten gesünderes und umweltverträglicheres Essen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Bio, regional, nachhaltig: Der Trend zu gesünderen und umweltschonenderen Lebensmitteln hat die Großküchen erreicht. Eine Fachtagung gibt das Wissen weiter.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Biologisch, regional, nachhaltig: So soll Ernährung in Zukunft sein. Das könnte nicht nur für die Menschen gesünder sein, sondern auch umweltfreundlicher, weil die Agrarindustrie einen nicht unerheblichen Anteil an der globalen Erwärmung hat. Deshalb hat die Ampelregierung dazu gesetzliche Vorgaben gemacht hat. Damit diese Ziele zeitnah in die Praxis umgesetzt werden, stand das Thema unlängst bei der jährlichen Fachtagung Gemeinschaftsverpflegung ganz oben auf der Tagesordnung. Etwa 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen Einrichtungen im Landkreis, von der Kinderkrippe bis zum Seniorenpflegeheim, konnten sich bei der alljährlichen Veranstaltung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Veranstaltungsforum Fürstenfeld informieren und Tipps für die Umsetzung bekommen.

"Nachhaltigkeit ist das zentrale Thema dieser Dekade, auch in der Gemeinschaftsverpflegung wird sie künftig einer der maßgebenden Faktoren sein", davon ist Rainer Roehl überzeugt. Der Ernährungswissenschaftler ist geschäftsführender Gesellschafter von Averdis, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus Münster, die Großküchen in Sachen Nachhaltigkeit berät, darunter beispielsweise die Kantinen der Bundesbank oder der Stadt Dortmund. Roehl ist außerdem ehrenamtlicher stellvertretender Geschäftsführer eines Demeterhofs. Er berichtet von großen Umbrüchen in der Branche.

So habe etwa der Konzern Audi sich zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet - in allen Bereichen, auch bei der Verpflegung der Mitarbeiter. Die Kantine fragt nachhaltigere Produkte nach, was beim Zulieferer Transgourmet aufschlägt. Laut Roehl üben Großkunden wie die Audi-Kantinen, die den zunehmenden Wunsch nach einer gesunden und umweltverträglichen Ernährung von ihren Gästen an ihren Zulieferer weitergeben, Druck aus auf den deutschen Marktführer im Bereich Großverbraucher-Belieferung. Und erreichen damit Veränderungen. Ein Klick auf die Transgourmet-Homepage zeigt jedenfalls direkt neben dem Appell für die Osterbestellung 2024 den Hinweis auf das aktuelle Sortiment für Bio-Lebensmittel; das Thema "Nachhaltigkeit" hat dort eine eigene Kachel.

In der Branche ist also vieles in Bewegung. Roehl berichtet etwa von einem Siegel für Nachhaltigkeit, das inzwischen auf dem Markt sei. Auch die Bundesregierung hat demnach 2021 mit einer Novellierung des Klimaschutzgesetzes sowie dem Lieferkettengesetz die Rahmenbedingungen in Richtung ökologischer Landwirtschaft gesteckt. Dem Koalitionsvertrag zufolge müssten in Deutschland bis 2030 insgesamt 30 Prozent der Nahrungsmittel aus ökologischer Landwirtschaft stammen. Nur noch sieben Jahre, betont der Referent: "Das ist fast übermorgen, wenn man in landwirtschaftlichen Zeiten denkt." Seine Formulierung lässt erkennen, dass er das für ein recht sportliches Ziel hält. Laut Umweltbundesamt betrug 2021 der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche 9,7 Prozent.

Ernährungswissenschaftler Rainer Roehl hat in der jüngeren Vergangenheit auch in der Gastronomie große Veränderungen beobachtet. Mehr als 20 Jahre lang sei der Umsatz gestiegen. Die Corona-Pandemie hat das kontinuierliche Wachstum ausgebremst. Viele Restaurants, Cafés oder Kneipen mussten schließen; erstmals seit Langem ist die Zahl der Betriebe deutschlandweit unter 200 000 gesunken. Roehl hat dafür auch eine Erklärung: "Das zeigt, dass die Zahl der Lieferdienste total zugenommen hat." Roehl berichtet außerdem vom ersten Pizza-Automaten, der im französischen Lyon den Konsumenten binnen vier Minuten die beliebte Speise serviert.

Wie sich derartige Veränderungen auf dem Speiseplan kommunizieren lassen, damit befasst sich Rosi Esterhammer. "Veränderungen erzeugen Widerstand", erklärte die Kommunikationstrainerin. Deshalb sei es hilfreich, diese anzukündigen und mit den Beteiligten gemeinsam zu planen. Zum Abschluss übt Esterhammer mit den Zuhörerinnen und Zuhörern. Dominik Leverenz von der Universität Stuttgart präsentiert die App "Resource Manager Food", mit der sich Lebensmittelabfälle darstellen und so auch leichter vermeiden lassen. Schließlich gibt Wilfrid J. Desnoyer, Küchenleiter und Fachlehrer, Tipps und Tricks, wie sich Speisen appetitlich und schön anrichten lassen. "Es ist immer schön, hierherzukommen, und der Austausch mit den anderen Teilnehmern ist sehr wertvoll für mich", sagt eine Teilnehmerin zum Abschied.

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