SZ-Adventskalender:Leben mit den Stimmen im Kopf

Lesezeit: 2 min

Wie ein Schatten legt sich die Erkrankung über das Leben des 45-jährigen Fürstenfeldbruckers. (Foto: Catherina Hess)

Vor gut zehn Jahren erkrankt Saimir S. an Schizophrenie. Seitdem ist er auf die Hilfe seiner Frau angewiesen. Für die Familie mit drei Kindern ist die Situation auch finanziell belastend.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Irgendwann sei es einfach losgegangen mit den Stimmen im Kopf, erzählt Saimir S. Wann genau, das könne er nicht mehr sagen, gut zehn Jahre sei es her. Seitdem ist vom alten Leben des heute 45-jährigen Fürstenfeldbruckers nicht mehr viel übrig. Anfangs kann er sich nicht erklären, was plötzlich in seinem Kopf los ist. Erst ein mehrwöchiger Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik in Haar bringt Klarheit: S. ist an einer Schizophrenie erkrankt. Er muss seinen Job in der Bäckerei aufgeben und ist seitdem komplett auf die Hilfe seiner Frau angewiesen. Die Familie mit drei Kindern lebt seitdem von seiner kleinen Rente und Geld vom Jobcenter in einer Dreizimmerwohnung. Große Anschaffungen sind nicht möglich - oft reicht es nicht einmal für das Nötigste. Aktuell stehen verschiedene Wünsche der Kinder auf der Liste, etwa ein Schreibtisch und technische Geräte. Der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung möchte die Familie deshalb finanziell unterstützen.

S. und seine Frau Rovena sind vor knapp 30 Jahren aus Kosovo nach Deutschland gekommen, schnell hat er eine Arbeit gefunden, die ihm auch Spaß gemacht hat. Heute muss er durchgehend von seiner Frau betreut werden, seine Erkrankung macht ihm ein selbständiges Leben unmöglich. "Schlimm" sei das für ihn, sagt der, der neben der Schizophrenie auch an Diabetes erkrankt ist. "Gott sei Dank habe ich so eine gute Frau", sagt er. Sich zugleich um drei Jugendliche und einen psychisch erkrankten Mann zu kümmern, ist für sie allerdings eine große Belastung, die sie oft an ihre eigenen Grenzen bringt. Vor allem, weil sie keinen Führerschein hat und deshalb alles zu Fuß und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erledigen muss. "Gerade im Winter bei diesem Wetter ist das schon schwierig", sagt sie. "Und dann ist alles teurer geworden, vor allem Strom und Lebensmittel."

Gedanken macht sie sich dabei aber nicht nur um ihren Mann. Durch die Corona-Pandemie hätten die Kinder im Alter von 10 und 11 Jahren den Anschluss in der Schule verloren. "Bei unserer Tochter haben wir vorher überlegt, ob sie auf das Gymnasium oder die Realschule geht, jetzt ist sie auf der Mittelschule." Wegen der knappen finanziellen Mittel gibt es im Haushalt keinen Computer. "Die Kinder mussten sich ein Handy teilen, um ihre Aufgaben zu machen. Da gab es natürlich auch Streit". Ein Leihgerät von der Schule habe es nicht gegeben - zu groß die Nachfrage, zu wenig Geräte, die vergeben werden konnten.

Anfangs habe er durch seine Erkrankung oft Suizidgedanken gehabt, erzählt Saimir S. Mittlerweile sei er medikamentös gut eingestellt und auch die regelmäßigen Gespräche mit dem Therapeuten seien seine große Hilfe. Dennoch schwanke seine Stimmung stark. Hobbys hat der 45-Jährige kaum noch, die meiste Zeit verbringt er zu Hause. Eine kleine Freude und Abwechslung seien die Spaziergänge, die er mit seiner Familie unternimmt - wenn es die psychische Verfassung zulässt.

Welche Pläne, Hoffnungen und Wünsche er für die Zukunft habe? "Viele", sagt der 45-Jährige. So viele, dass er gerade gar nicht konkret sagen kann, wohin sich seine Situation entwickeln soll. Dass er eines Tages wieder arbeiten gehen kann, glaubt Saimir S. nicht mehr. Aber zumindest etwas mehr psychische Stabilität, Gesundheit und mehr Selbstständigkeit, seien schon mal ein Anfang.

So können Sie spenden

Überweisungen sind auf folgendes Konto möglich: "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.", Stadtsparkasse München, IBAN: DE86 7015 0000 0000 6007 00, BIC: SSKMDEMM

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Adventskalender
:Erst bricht der Körper, dann die Seele

Nach einer psychischen Erkrankung bleibt einer Frau aus Fürstenfeldbruck so gut wie nichts. Von ihrer geringen Rente muss sie den Unterhalt für ihre Kinder zahlen.

Von Florian J. Haamann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: