Stalag in Moosburg:Schicksale von Menschen ans Licht bringen

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Sebastian Grießl und Martin Pschorr haben einen Film über Heimatvertriebene in Moosburg gedreht. Er ist als Fortsetzung der Produktion zum Lager Stalag VII A zu verstehen.

Interview von Till Kronsfoth, Moosburg

Mit den mehr als 2000 Flüchtlingen, die im und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Moosburg kamen und auf dem Gelände des Kriegsgefangenenlagers Stalag VII A einen neuen Stadtteil, die Neustadt, aufbauten, beschäftigt sich der Film "Der lange Weg in die neue Heimat" von Sebastian Grießl, der jetzt im Rosenhofkino als Vorpremiere gezeigt wurde. Mehr als zwei Jahre hat Grießl an dem Film gearbeitet, den er mit beratender Unterstützung von Stalag-Museumsleiter Martin Pschorr erstellt hat.

SZ: Sie haben anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung schon einmal einen Film über das Lager gemacht, Sie haben sich im vergangenen Jahr zusammen mit Stadtrat Martin Pschorr an der Gestaltung des Stalag-Museums beteiligt. Woher kommt dieses Interesse am Stalag VII A?

Sebastian Grießl: Ich verfolge sehr aufmerksam das kommunalpolitische Geschehen im Landkreis Freising. Je mehr ich mich mit dem Stalag beschäftigte, desto mehr musste ich feststellen, dass dort noch vieles aufzudecken ist und dass die Moosburger sich mit diesem Thema bis vor Kurzem noch sehr schwergetan haben. Nach dem 69. Jahrestag der Befreiung dachte ich: 'Zum 70. Jahrestag könnte ich mir etwas einfallen lassen.' Mit meiner Idee bin ich dann an Martin Pschorr herangetreten. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass er Historiker ist und ich bei ihm genau an der richtigen Adresse war. Wir sind mit unserer Idee an die Stadt herangetreten. So kam eines zum anderen. Hätte ich mit meiner Idee bis zum 71. Jahrestag gewartet, wäre ich zu spät gewesen.

In Ihrem neuen Film beschäftigen Sie sich mit dem Schicksal der Heimatvertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Areal des ehemaligen Lagers angesiedelt wurden. Wo liegt der Unterschied zwischen diesem Film und Ihrem ersten Stalag-Film?

Wir konnten für den ersten Film keine Zeitzeugen befragen. Wir hatten zwar drei Geschwister, Söhne eines französischen Soldaten, der im Lager Gefangener war, die uns freundlicherweise ein Interview gegeben haben, und Bernhard Kerscher, den Leiter des Heimatmuseums, der erzählte, wie er als Kind beobachtete, wie russische Soldaten von Moosburg aus nach Dachau deportiert wurden, aber keine ehemaligen Gefangenen, die wir interviewen konnten. Für den aktuellen Film haben wir Zeitzeugen interviewt, die zwischen 88 und 94 Jahre alt sind und über ein unglaubliches Gedächtnis verfügen. Diese Zeitzeugen sind Donauschwaben. Dass wir gerade sie interviewt haben liegt nicht daran, dass wir Sudetendeutsche, Ostpreußen oder Schlesier absichtlich außenvorgelassen hätten, sondern daran, dass wir aus diesen Gebieten keine Zeitzeugen mehr gefunden haben, die in der Lage wären, etwas zu erzählen. Man darf nicht vergessen, wir reden vom Zeitraum zwischen 1944 und 1948.

Kann man in diesem Fall sagen, dass es sich um den zweiten Teil des Stalag-Filmes handelt?

Unbedingt! Es ist die Fortsetzung. Im Mittelpunkt des ersten Filmes stand das Stalag, also die Zeit zwischen 1939 und 1945. Vereinzelt kamen die Heimatvertriebenen dort auch schon zu Wort und da kam die Idee, einen zweiten Teil über deren Leben zu machen, von 1945 bis in die Gegenwart. Vor zwei, drei Jahren habe ich angefangen, Material zu sammeln, denn mir war klar, dass wir nicht ewig Zeit hatten. Die Geschichte des ehemaligen Lagers zwischen 1945 und 1948 liegt weitgehend im Dunkeln. Diese Zeit haben wir am Rande auch behandelt. Das ist die Zeit, in der das Lager als Internierungslager von der US-Armee genutzt wurde. Die Flüchtlinge wurden nach 1948 in den Baracken einquartiert. Deshalb sind die Donauschwaben am interessantesten, weil sie schon 1944 ankamen und die Befreiung des Lagers miterlebt haben.

Jetzt sind Sie ja eigentlich Maler.

Eigentlich bin ich Sozialpädagoge. Ich war lange Zeit bei der Caritas brschäftigt. Malen ist meine Leidenschaft. Ich porträtiere gerne Menschen. Das ist die Parallele zum Film. Schicksale von Menschen ans Licht zu bringen finde ich total spannend.

Premiere im Rosenhof-Kino
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In Ihrem Film schlagen Sie einen Bogen zu Menschen, die heute auf der Flucht sind. Denken Sie, dass Vertriebene, die früher ein ähnliches Schicksal erlitten haben, eher in der Lage sind, Verständnis für jene Menschen aufzubringen, die heute zu uns kommen?

Unbedingt! Ich habe das Thema ganz bewusst an den Schluss des Films gestellt. Die Donauschwaben haben bereits kurz vor ihrer eigenen Flucht Rumänen aufgenommen. Später mussten diese Gastgeber von Flüchtlingen dann selber zu Flüchtlingen werden. Es gab allerdings auch Vertriebene, die auf der Suche nach Identität einen starken deutschen Nationalismus entwickelten und sich in rechten Parteien organisierten. Das konnte ich bei jenen Menschen, die ich in meinem Film interviewe, zwar überhaupt nicht feststellen, aber wenn man in die Geschichte Moosburgs zurückblickt, dann gab es schon vereinzelt Vertreter der Vertriebenen, die politisch rechts außen zu verorten sind.

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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