Wirtshaussterben:Die letzten Tage des Dorfwirts

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Noch immer ein schmucker Bau ist die alte Dorfwirtschaft von Aich, doch seine Tage sind gezählt. Der Moosburger Bauausschuss hat dem Vorbescheid auf Abriss kürzlich zugestimmt, stattdessen entstehen zwei Reihenhäuser. (Foto: Marco Einfeldt)

In Aich wird das Gasthaus abgerissen. Damit endet eine Geschichte, die im 18. Jahrhundert mit einer Wirtskaserne begann, mit "Joe's Disco" und als Eishockey-Vereinslokal weiter ging und als griechisches Restaurant ausklang.

Von Alexander Kappen, Moosburg

Der bislang letzte Pächter hat den Betrieb Mitte September aufgegeben. Die Dorfwirtschaft an der St.-Georg-Straße 3 in Aich ist derzeit geschlossen. Im Prinzip ist das nichts Neues, Pächterwechsel gehören in dem Gasthaus seit der Jahrtausendwende zur Routine, teilweise wechselten die Betreiber hier im Jahresrhythmus. Doch die Gewissheit, dass auf einen alten Wirt in ein paar Wochen immer wieder ein neuer folgt, haben die Aicher nun nicht mehr - die Tage des Gasthauses, unweit der Kirche gelegen, sind gezählt. Ende September hat der Moosburger Bauausschuss einem Vorbescheid zugestimmt, wonach das Gebäude abgerissen und durch zwei Reihenhäuser ersetzt werden darf.

Bereits 1750 wurde an der Stelle in der Aicher Dorfmitte "eine Wirtskaserne erwähnt", sagt Hermann Bienen. Er ist Vorstandsmitglied im Freisinger Stadtheimatpflegeverein und erforscht derzeit die Gaststätten im Landkreis und ihre Geschichte. Eine lückenlose Aufarbeitung ist im Fall der Aicher Wirtschaft wie in vielen anderen kleinen Ortschaften schwer bis unmöglich. "Bei den Eingemeindungen ist in den Dörfern leider viel weggeschmissen worden", bedauert Bienen. Aus seinen Aufzeichnungen geht hervor, dass ein gewisser Josef Forster, der1870 geboren wurde, die Wirtschaft bis zu seinem Tod im Jahr 1913 führte. Anschließend betrieb dessen Frau Ursula Forster die Gaststätte. Danach übernahm diese Lorenz Beck (1883 bis 1949). Aus dieser Zeit stammen auch einige Postkarten, die auf der Internetseite alt-moosburg.de von Karl A. Bauer zu sehen sind.

Im Jahr 1956 war die Dorfmitte noch locker bebaut

Im Moosburger Stadtarchiv findet man eine Luftaufnahme aus dem Jahr 1956, sie zeigt die Gasstätte mit ihren Nebengebäuden in der damals noch locker bebauten Dorfmitte als eine Art Dreiseithof. Aufzeichnungen aus früheren Zeiten findet man im Stadtarchiv nicht. Informationen zu der Wirtschaft gibt es dort erst mit Beginn der 1970er Jahren. Etwa aus dem August 1970, als die damalige "Gastwirtschaft Deutinger" den Neubau einer WC-Anlage beantragte. Unterschrieben ist das Dokument vom Bürgermeister der damals noch eigenständige Gemeinde Pfrombach, zu der Aich gehörte.

In früheren Jahrhunderten wurden sogar Postkarten vom Wirtshaus gemacht. (Foto: Stadtarchiv Moosburg)

Später hieß die Wirtschaft "Gasthof zum Postmeister", in Anlehnung an die Poststelle, die sich dort mal befand. In der Folgezeit gab es immer wieder Um- und Anbaumaßnahmen. Im Dezember 1978 beantragte der damalige Eigentümer Lothar Hirschmann den Anbau eines zweiten Treppenhauses an der Seite de Gebäudes. "Wahrscheinlich wegen der Disco, die dann dort aufgemacht hat", sagt Stadtarchivar Wilhelm Ellböck. Aus dem Mai 1979 stammt die Baugenehmigung für besagte Diskothek, die Sepp Bernhardt im ersten Stock betrieb, während seine Frau die Wirtschaft im Erdgeschoss führte.

Auch ein griechisches Restaurant war das Aicher Wirtshaus

In alten Zeitungen findet man eine Anzeige vom Februar 1981, als "Joe's Disco", wie sie hieß, zu einem "Weißen Fest" einlud. Ein weißes Kleidungsstück war für jeden Gast Pflicht. Allerdings machte sich der Betreiber mit seiner Disco nicht nur Freunde. Im Stadtarchiv gibt es etwa ein Dokument aus dem Jahr 1981 über einen Besuch der Polizei. Es gab seiner Zeit Ärger wegen zugeparkter Straßen, Gehsteige und Hofeinfahrten sowie Beschwerden über Lärm, der aus der Disco nach außen drang und den die Besucher im Freien verursachten. "Da hat der Betreiber offenbar Probleme bekommen", so der Stadtarchivar. 1985 - ein Jahr, nachdem ein Teil der Nebengebäu abgebrochen worden war - gab es in der Diskothek eine Ortsbegehung, um den Schallschutz zu überprüfen. Der "Postmeister" selbst diente in den 80er Jahren auch den Eishockeyspielern des EV Aich als Vereinslokal, die dort 1981 zum Beispiel mit Landshuter Nationalspielern wie Erich Kühnhackl, Alois Schloder, Helmut Steiger, Berni Englbrecht und Klaus Auhuber ihr Klubjubiläum feierten.

Seit den 1990er Jahren war das Aicher Wirtshaus dann ein griechisches Restaurant mit wechselnden Pächtern und Namen. So hieß es mal "Alexis Zorbas", von 1999 bis 2003 sowie von 2006 bis 2013 "Kreta" und zwischendrin "Olympia". Von April 2014 bis vergangenen September wurden dort unter dem Namen "Taverna Georgios" griechische Spezialitäten serviert. Demnächst soll für immer Schluss sein und das Wirtshaus verschwinden, "so wie viele andere Ortsgaststätten, die Jahrhunderte lang ein Treffpunkt im Dorf waren", sagt Hermann Bienen: "Das ist leider der Trend der Zeit."

© SZ vom 23.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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