Weihenstephan:Aufsehenerregende Forschung an der TU München

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In einer kleinen Klimakammer am Institut zieht das Team um Caroline Gutjahr die Pflanzen an, die für die Forschung benötigt werden. (Foto: Lukas Barth)

Caroline Gutjahr untersucht die Wurzelsymbiose zwischen Pflanzen und Pilzen und trifft damit einen Nerv.

Von Petra Schnirch, Freising

Viele Phänomene der Natur muten wie kleine Wunder an. Noch viel faszinierender werden sie oft, wenn die Wissenschaft ihnen auf den Grund geht. Caroline Gutjahr, Professorin für Pflanzengenetik an der TU München in Weihenstephan, untersucht die Wurzelsymbiose von Pflanzen und Bodenpilzen, arbuskuläre Mykorrhiza genannt. Von diesem Zusammenspiel profitieren beide Seite. Der Pilz ist abhängig von der Pflanze, kann ohne sie nicht überleben. Er erhält Zucker, das ist seit längerem bekannt, aber auch Lipide, also Fette, wie Gutjahr erklärt. "Das ist eine unserer Entdeckungen der vergangenen Jahre." Die Pflanze bekommt im Gegenzug von den Pilzen Nährstoffe, darunter Stickstoff und Phosphat, aus dem Boden.

Die Untersuchung der molekularen Mechanismen dieser Symbiose hat in den vergangenen Jahren in der Fachwelt für Aufsehen gesorgt. Gutjahr erhielt 2017 einen der begehrten ERC Starting Grants, eine mit bis zu 1,5 Millionen Euro dotierte Förderung des Europäischen Forschungsrats. Damit werden exzellente Nachwuchswissenschaftler ausgezeichnet, die eine eigene Arbeitsgruppe aufbauen wollen. Bis 2023 ist das Projekt dadurch gesichert. Bereits 2014 erhielt sie ein ähnlich dotiertes Emmy-Noether-Stipendium von der deutschen Forschungsgemeinschaft.

Noch gibt es viele offene Fragen

Caroline Gutjahr und ihr Team wollen die komplexen Prozesse der Symbiose verstehen, etwa wie die Pflanzenzelle dazu gebracht wird, sich umzuorganisieren, um den Pilz zu beherbergen, und wie zu diesem Zweck Pflanzengene in diesen Zellen angeschaltet werden. Noch gebe es viele offene Fragen, erklärt Gutjahr - auch ganz grundlegende, etwa wie die Pilze die Wurzeln besiedeln können und welche molekularen Mechanismen eine Rolle spielen.

Die Symbiose ist bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt. Inzwischen weiß man, dass sie bei etwa 80 Prozent der Landpflanzen vorkommt. Was genau auf molekularer Ebene passiert, damit sich die Symbiose ausbildet und funktioniert, kann erst jetzt, mit modernen wissenschaftlichen Methoden, aufgeschlüsselt werden. Der Pilz wächst in einzelne Pflanzenzellen hinein. Er bildet darin Strukturen, die aussehen wie kleine Bäumchen, wie Caroline Gutjahr anhand von Modellen am Bildschirm zeigt. Sie heißen Arbuskeln (lateinisch arbuscula = kleiner Baum). Die 42-Jährige schafft es, auch komplexe Zusammenhänge, konzentriert auf das Wesentliche, verständlich zu erklären.

Ein schottischer Professor begeistert Gutjahr für das Thema

Die Pflanzen, mit denen die Wissenschaftler arbeiten, ziehen sie in einer kleinen klimatisierten Kammer im Institut an. Es handelt sich überwiegend um Lotus japonicus, eine Leguminosenart und enge Verwandte des Hornklees. Auch gentechnisch veränderte Pflanzen benötigen die Forscher für ihre Arbeit, um herauszufinden, welche Gene für die Besiedelung der Wurzel notwendig sind. Schon im Studium in Freiburg sei die Pflanzenphysiologie, die Wissenschaft von den Funktionsabläufen, bald ihr Lieblingsthema gewesen, erzählt Gutjahr. Bei einem Studienaufenthalt in Aberdeen, Schottland, begeisterte sie ein Professor dann speziell für die Symbiose zwischen Pflanzen und Pilzen. Galt dies früher eher als Randthema, ist inzwischen fast ein Hype daraus geworden. "Wir haben einen Nerv getroffen", sagt Gutjahr. Von der neuen Aufmerksamkeit profitiert nun auch das Freisinger Forschungsteam.

Seit 2017 lehrt und forscht Gutjahr an der TU München. Dank des prestigeträchtigen ERC Starting Grants wird sie zu mehr Vorträgen und Konferenzen eingeladen, und immer öfter in zentraler Funktion als Plenarsprecherin . Allerdings verbringe sie die meiste Zeit am Computer, erzählt die 42-Jährige, was sie etwas bedauert. Sie benötigt Zeit, um Anträge zu schreiben und weitere Drittmittel zu sichern, damit die Arbeit ihres Teams langfristig weitergehen kann. Zwar betreibt die Wissenschaftlerin in erster Linie Grundlagenforschung. Ihre Erkenntnisse aber könnten direkte Auswirkungen auf die Praxis haben, vor allem in der Landwirtschaft, beispielsweise wenn es darum geht, den Kunstdünger-Einsatz zu reduzieren. Pflanzen, die eine Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen eingehen, sind in der Regel vitaler. Nicht jede aber reagiert gleich gut auf den Pilz. Die Freisinger Forscher wollen daher in der Kulturpflanze Mais die Genvarianten finden, die für eine optimale Wachstumsantwort auf den Pilz verantwortlich sind. "Dieses Wissen könnte für die Züchtung Symbiose-optimierter Kulturpflanzen behilflich sein", träumt die Forscherin.

© SZ vom 06.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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