Das Freisinger Volksfest kann zwar der Münchner Wiesn in punkto Größenordnung nicht wirklich Konkurrenz machen, fesche Madln und Buam in Dirndl und Lederhose findet man aber auch hier. Was jedoch ein schönes Dirndl und eine ordentliche Lederhose eigentlich ausmacht, ist umstritten - zu oft hört man doch von Kennern den abschätzigen Begriff "Faschingsdirndl".
Um etwas Klarheit zu schaffen, hat die SZ Freising deshalb einige stolze Trachtenträger beim Volksfest fotografiert und ihre Outfits anschließend von Dagmar und Bianka Nowak bewerten lassen. Dagmar Nowak ist die Erste Vorsitzende des Freisinger Trachtenvereins Almrausch-Edelweiß, Tochter Bianka die Jugendleiterin. Die beiden sind also echte Experten, wenn es um das Thema Tracht geht.
"Ganz ordentlich"
Andre Fritzsch (35) genießt gemeinsam mit seiner Familie den Kindernachmittag auf dem Freisinger Volksfest. Sein ganz neues Trachten-Outfit habe er deshalb vorerst daheim im Schrank gelassen und gegen die Kindernachmittag-taugliche Montur eingetauscht, erzählt er lachend. Trotzdem bekommt er von Dagmar und Bianka Nowak ein Lob: "Das ist eine sehr ordentliche Tracht. Er trägt eine schöne Lederhose, ein weißes Hemd und gute Strümpfe. Auch die Schuhe passen dazu." Klar könne man noch Haferl-Schuhe daraus machen, räumt Jugendleiterin Bianka ein. Aber auch die Wanderschuhe würden insgesamt gut zum Outfit passen. "Den würden wir schon bei uns im Trachtenverein aufnehmen", lautet dementsprechend Dagmar Nowaks Urteil.
"Etwas düster"
Mihaela Russenberger (44) kommt eigentlich aus Rumänien. Tracht trägt sie dennoch gerne, erzählt sie. Das Urteil von Mama und Tochter Nowak fällt allerdings etwas gemischt aus. Zwar sei das Dirndl "an sich sehr schön", aber schwarze Bluse und Strümpfe seien "halt so eine Sache": "Es wirkt leider sehr schnell etwas düster. Für mich persönlich ist es deshalb für ein Volksfest nicht ganz so passend, eine weiße Bluse und eine Feinstrumpfhose fände ich schöner", meint Bianka Nowak. Trotzdem seien vor allem die Schuhe und die Frisur sehr schön und passend zur Tracht gewählt, ergänzt Mama Dagmar. Alles in allem also eine bodenständige Leistung.
"Nicht zu aufgetakelt"
Johanna Graf (14) genießt das Volksfest zusammen mit ihren zwei besten Freundinnen. Bei ihrem Outfit gehen die Meinungen von Mama und Tochter Nowak zum ersten Mal auseinander: "Für ein junges Mädchen durchaus in Ordnung" findet Mutter Dagmar, während Tochter Bianka die weißen Sneaker und die Jeansjacke kritisiert. Aber: "Sie ist sehr natürlich und nicht zu aufgetakelt, das finde ich ganz wichtig. Und das Dirndl an sich ist auch schön", meint die Jugendleiterin.
"Perfekt!"
Chiara Ecker (15) ist die beste Freundin von Johanna Graf. Für das Foto konnten sich die beiden deshalb nur schweren Herzens trennen. Ihr Outfit kann das Nowaksche Mama-Tochter-Gespann richtig begeistern: "Perfekt! Sie hat verstanden, worum es bei einem Trachtengewand wirklich geht - sie könnte sofort zu uns zum Trachtenverein", freuen sich beide. Der Grund: "Die Schuhe passen gut, sie trägt eine Feinstrumpfhose und das Dirndl und die Bluse sind einfach nur toll. Lediglich die Haare hätte sie vielleicht hochstecken können."
"Warum denn nicht?"
Daniela Katzer (46) ist ebenfalls gemeinsam mit ihrer Familie beim Kindernachmittag unterwegs. Nur deshalb habe sie überhaupt die Lederhose an, erzählt sie lachend. Denn normalerweise trage sie schon eher Dirndl, aber "mit meinen Jungs zusammen auf dem Volksfest ist die Lederhose einfach praktischer". Von den beiden Jurorinnen erhält sie dafür ein Lob: "Klar ist die Lederhose traditionell nicht für Frauen gedacht, aber wenn es gefällt und man nur privat unterwegs ist - warum denn nicht?" Jugendleiterin Bianka gibt sogar lachend zu, dass sie selbst dieses Jahr bereits in Lederhose beim Volksfest gewesen sei, natürlich nur privat. "Man sieht ja immer die Jungs darin und darf sie sonst nicht selber tragen, da wollte ich es auch mal selber wagen", meint sie lachend. Aber auch beim restlichen Outfit sei alles richtig gemacht: "Es ist ja eine schöne, ordentliche Lederhose, keine von diesen schlimmen rosa Hotpants. Und dann noch die richtigen Accessoires dazu, wie das karierte Hemd und die Haferlschuhe - da darf man das auch als Frau ruhig tragen", sind sich Mutter und Tochter auch hier einig.
"Das passt einfach"
Auch Zenta Karl (72) hat sich gemeinsam mit ihrem Enkel Maximilian (2) auf den Weg zum Kindernachmittag gemacht. Dass die beiden ein absolut fesches Duo sind, das finden auch die Nowaks: "Wenn alle Leute mit Tracht so toll ausschauen würden, hätten wir sicherlich noch viel mehr Mitglieder bei uns im Verein", meinen beide. "Sowohl die Oma als auch der Kleine schauen einfach super aus. Dass der Enkel auch noch Hut, Haferlschuhe und Strümpfe trägt ist einfach spitze", findet Jugendleiterin Bianka. "Gerade kleine Kinder sträuben sich manchmal gegen Dirndl oder Lederhose. Umso toller ist es, wenn man so kleine Trachtler sieht."
Beide sind seit ihrem sechsten Lebensjahr Mitglied im Verein. Eine eigene Tracht hat Freising zwar nicht, deshalb sei das Festgewand ihres Vereins auch eine selbstkreierte Mischung aus der Miesbacher und der Werdenfelser Tracht, erzählt Dagmar Nowak. Dennoch haben sie für jeden Anlass das passende Gewand, wie Tochter Bianka aufzählt: "Wir haben eben unsere Festtracht für große Anlässe wie etwa das Volksfest, dann gibt es noch eine Vereinstracht für kleinere, vereinsinterne Veranstaltungen und schließlich noch ein Trauergewand."
Doch obwohl die beiden einen traditionellen Hintergrund haben, sind sie offen für moderne Tracht-Interpretationen. "Das einzige, was wirklich gar nicht geht, sind diese albernen Frauenhüte mit den großen Federn dran, High Heels zum Dirndl und das ganze Strass- und Glitzerzeug", sind sich beide einig.