Tierschutzvereine:"Jeder Euro, jede Dose ist wichtig"

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Ein Schäferhund hat in Weßling einen S-Bahnfahrer gebissen (Symbolbild). (Foto: Marco Einfeldt)

Inflation und steigende Energiekosten treffen die Tierschutzvereine hart. Hinzu kommt die Sorge, dass sich viele die Ausgaben für Futter und Tierarzt nicht mehr leisten können - und noch mehr Tiere bei ihnen landen.

Von Petra Schnirch, Freising

Die Tierheime in den Landkreisen Freising und Erding kämpfen derzeit gleich mit mehreren Problemen. Inflation und stark steigende Energiekosten treffen auch sie sehr stark. Hinzu kommt die Sorge, dass sich einige Menschen die Ausgaben für Tierarzt oder Futter nicht mehr leisten können und ihre Tiere deshalb abgeben. Die Heime sind aber schon jetzt übervoll. Spenden wie von Wolfgang Klier werden deshalb immer wichtiger. Er bedenkt den Freisinger Verein auch in diesem Jahr zu Weihnachten mit 500 Euro. Außerdem versorge der Freisinger das Tierheim "ganzjährig immer wieder mit Sachspenden aus dem Bereich Tierbedarf", sagt ein dankbarer Vereinsvorsitzender Joseph Popp. "Jeder Euro, jede Dose ist wichtig", meint auch Solveig Wanninger, stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzvereins Erding.

Auch in diesem Jahr spendet Wolfgang Klier (r.) aus Freising an den Tierschutzverein, links Vorsitzender Joseph Popp. Das Tierheim ist auf solche Unterstützung angewiesen. (Foto: privat)
Im Eingangsbereich des Tierheims Erding in Kirchasch steht ein Korb für Futterspenden. (Foto: Stephan Görlich)

"In diesen schwierigen Zeiten sind wir auf Spenden massiv angewiesen, um das Tierheim weiterbetreiben zu können", schildert Popp. Zur Finanzierung der Betriebskosten sind solche Zuwendungen für die Vereine lebensnotwendig. Zweites wichtiges Standbein ist die Fundtierpauschale. Im Landkreis Freising soll sie 2023 erhöht werden. 15 der 24 Kommunen sind hier dem Tierschutzverein Freising beigetreten, außerdem die Stadt Unterschleißheim. Der Fundtieranteil liegt laut Popp derzeit bei etwa 53 Prozent. Die Bürgermeister hätten für diesen Vorstoß Verständnis gezeigt. Jetzt müssten die Stadt- und Gemeinderäte darüber abstimmen. In Erding ist vorerst dagegen keine Anhebung geplant. Die stellvertretende Vereinsvorsitzende Solveig Wanninger glaubt, dass dies nur schwer durchzusetzen wäre.

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Die weitere Entwicklung der Kosten bereite ihm "echt Sorgen", sagt Popp. "Es gibt keine Planungssicherheit mehr." Für 2022 habe er zu Jahresbeginn zum Glück einen Fixpreis für Gas ausgehandelt, 2023 aber werde der um 75 Prozent nach oben gehen. Hinzu komme die Erhöhung des Mindestlohns, die Popp zwar für richtig hält, die das Budget des Vereins aber dennoch belastet. "Etwas beunruhigt", wie es weitergeht, sei er schon, gesteht er. Über 600 Tiere betreut der Verein durchschnittlich in einem Jahr, derzeit sind etwa 80 im Tierheim bei Mintraching in der Gemeinde Neufahrn untergebracht. Im Erdinger Tierheim in Kirchasch sind es im Schnitt 70, dazu kommen noch Pflegestellen. "Ohne die ginge es nicht", sagt Wanninger.

Endlich kann der Verein wieder auf Christkindlmärkten für seine Arbeit werben

Nach zweijähriger Corona-Pause ist Popp erleichtert, dass der Tierschutzverein wieder auf Christkindlmärkten um Spenden bitten und für seine Arbeit werben kann, etwa am kommenden Wochenende am Freisinger Marienplatz. "Das sind schöne Nebeneinnahmen." Noch entscheidender aber seien die Gespräche, die die Vereinsmitglieder dort führen könnten. Die zwölf Flohmärkte, die der Freisinger Verein vor der Pandemie pro Jahr veranstaltete, mussten dagegen eingestellt werden, weil das ehrenamtliche Event-Team in der Zwischenzeit stark geschrumpft ist. "Die Zeiten werden schwieriger", sagt Popp. Viele hätten sich in der Corona-Zeit anders orientiert.

Was ein Tierheim leiste, werde vielfach unterschätzt. 140.000 Euro an Spenden benötigt der Freisinger Verein nach seinen Worten, um die Betriebskosten tragen zu können. Deshalb sei ein großer Teil seiner Arbeit die Kommunikation, das Spenden einwerben. Auch die Erdinger haben gerade ihren Weihnachtsbrief verschickt. Die Hilfsbereitschaft der Menschen fasziniere sie jedes Jahr aufs Neue, schwärmt Solveig Wanninger.

Auch die Tierarztgebühren steigen

Auch sie sagt aber, dass mittlerweile jeder Monat eine Herausforderung sei. Hauptproblem auch in Erding sind die Finanzen. Wie stark die Kosten 2023 steigen werden, das werde sich erst im nächsten Halbjahr herauskristallisieren. "Ich denke, dass Tierheime einen schweren Stand haben werden." Was ihr zusätzlich Sorgen bereitet: die Erhöhungen in der Gebührenordnung der Tierärzte. Wanninger befürchtet, dass sich einige Tierhalter die Ausgaben nicht mehr leisten können und wieder mehr Tiere abgegeben werden. Zudem hat sich nicht zuletzt in der Corona-Zeit gezeigt, dass mancher sich leichtfertig Tiere angeschafft hat. Erst vor kurzem habe sie an einem Tag zwei Anrufe bekommen, dass die Leute mit ihren wenige Monate alten Welpen überhaupt nicht klar kommen. Ein anderes Paar, das sich einen Hund zugelegt hat, sei zwölf Stunden am Tag außer Haus.

Es gibt aber immer auch Lichtblicke: Die Quarantänestation mit drei Hunde- und vier Katzenboxen im Freisinger Tierheim bei Mintraching konnte inzwischen dank einer Erbschaft fertiggestellt werden, ebenso vier Hundezwinger mit Auslauf. Sie waren bereits 2016 mit dem Bauplan für den Neubau der Einrichtung genehmigt worden, bisher aber fehlte dafür laut Popp das Geld. 560.000 Euro hat der Verein dafür investiert, für den gesamten Bau waren es 2,4 Millionen Euro. "Jetzt ist das Baukonto leer." Solche Maßnahmen zu finanzieren, "ist unheimlich schwierig". Zwar gibt es dafür eigentlich eine staatliche Förderung, die nun auch über 2022 hinaus verlängert wird, wie Umweltminister Thorsten Glauber (FW) vor wenigen Tagen ankündigte.

Das Kleintierhaus soll nach Mintraching verlegt werden

Profitiert von solchen Bau-Zuschüssen haben die Freisinger jedoch nicht. Voraussetzung sei, dass ein Tierheim mindestens fünf Jahre bestehe, erklärt Popp, das Freisinger wurde erst 2018 eingeweiht. Dass der rührige Verein zuvor mit seinen Pflegestellen allein seit 2011 etwa 6500 Tiere aufgenommen habe, "interessiert niemanden". Ein entsprechender Zuschussantrag für die Quarantänestation sei deshalb abgelehnt worden. Künftig stehen die Karten für die Freisinger jedoch besser, dann ist die Frist erreicht.

Popp plant bereits weiter, um vorbereitet zu sein, sollte doch wieder eine größere Spende oder weitere Erbschaft eingehen. Das Kleintierhaus soll mittelfristig von Freising in die Gemeinde Neufahrn auf das Tierheim-Areal verlegt werden. Solche Unsicherheiten sei er gewohnt, meint Popp, nicht aber die generelle Preisexplosion.

Positiv immerhin: Der Freistaat verlängert auch sein Förderprogramm für die Tiervermittlung sowie die Kastration herrenloser Katzen und erhöht sogar die Pauschalen. 80 bis 9o Katzen werden auf Initiative des Freisinger Vereins pro Jahr kastriert, in Erding waren es in diesem Jahr aufgrund einiger größerer Aktionen sogar schon 200. "Die Katzen brauchen unsere Hilfe", sagt Wanninger. Denn wild lebende Tiere sind oftmals krank. Die neuen Sätzen kämen endlich "in die Nähe der realen Kosten", sagt Popp.

In den meisten Angelegenheiten "hängen die Tierheime aber in einem freien rechtlichen Raum", kritisiert er. Es gebe keine Zuständigkeiten für sie. Dass nicht anerkannt werde, dass die Arbeit der Tierheime Bestandteil der öffentlichen Teilhabe sei, verstehe er nicht. "Sonst ist in Deutschland doch alles geregelt." Eine geeignete Stelle dafür wäre seines Erachtens das Landratsamt.

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