Freisings Polizeichef:"Ein Polizist muss höflich und freundlich sein. Aber Polizisten sind auch nur Menschen"

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Sein Schreibtisch steht künftig in München: Ernst Neuner wird dort Leiter der Verkehrspolizeiinspektion Verkehrsüberwachung. (Foto: Marco Einfeldt)

Ernst Neuner erzählt davon, wie ihn nach Kriegsende die Mission der International Police Task Force in Bosnien prägte und was er von seinen Mitarbeitern erwartet. Sein größtes Hobby ist sein Sohn.

Interview von Katharina Aurich, Freising

Für Freisings Polizeichef Ernst Neuner ist es das Wichtigste, dass sich alle Menschen sicher in ihrem Umfeld bewegen können. Als Maßstab nennt er die Grundrechte, etwa das Recht auf Versammlungsfreiheit. Seine eigene politische Haltung habe in seinem Job nichts zu suchen, er sei strikt neutral, betont Neuner. Noch immer sei er gerne draußen mit den Kollegen bei Einsätzen, aber die meiste Zeit verbringe er inzwischen am Schreibtisch.

SZ: Warum sind Sie Polizist geworden ?

Neuner: Mein Vater war Polizist und ich habe als Kind erlebt, wie abwechslungsreich die Aufgaben sind. Man erlebt viel, kann schlimme Ereignisse verhindern, Menschen helfen und etwas bewegen, Situationen beeinflussen. Um einen sicheren Job ist es mir nie gegangen, dieser Beruf ist meine Berufung und füllt mich aus.

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Ernst Neuner wollte nie Polizeichef werden - aber er ist es gerne

Sie haben im Lauf Ihrer Karriere viele verschiedene Aufgaben kennengelernt.

Ja, zunächst machte ich die Grundausbildung in der Polizeischule in Königsbrunn, dann fuhr ich zehn Jahre lang Streife. Das gefiel mir sehr. Aber mit 26 Jahren erfuhr ich von der Möglichkeit, an der Mission Peacekeeping der UN, einer internationalen Police Task Force in Bosnien nach Kriegsende, teilzunehmen. Dafür wurden zwölf bayerische Polizeibeamte entsandt, darunter ich, als Jüngster der Gruppe.

Eine mutige Mission - und nicht ungefährlich.

Wir trugen keine Waffen, die hätten uns auch nichts genützt, denn die Menschen dort hatten Kalaschnikows und Handgranaten, das war Alltag. Ich lebte im District Bihac bei einer Familie im Keller, wir Polizisten waren im Gegensatz zu den Bundeswehrsoldaten, die ein Camp hatten, privat untergebracht. Manchmal gab es Strom und Wasser, aber nicht immer. Das war für mich eine sehr wichtige Erfahrung.

Was war in dem halben Jahr in Bosnien Ihre Aufgabe?

Wir untersuchten Menschenrechtsverletzungen, da wurde beispielsweise Wegegeld verlangt, es gab ethnische Konflikte. Wir schulten die dortige Polizei und stellten Beweismaterial für eine Anklage vor dem Menschenrechtstribunal zusammen. Wir unterstützten bei der Öffnung von Massengräbern, der Untersuchung der Leichen und versuchten herauszufinden, wer das Massaker angerichtet und befohlen hatte. Wir konnten einiges ermitteln, denn die Folterer und Mörder hatten, wie sie es überall auf der Welt tun, penibel über ihre Gräueltaten Buch geführt.

Wie haben Sie diese Erfahrungen verkraftet?

Gut. Dafür war auch der Kontakt zu den Menschen dort sehr wichtig, wir sprachen Englisch und ich hatte auch einen Übersetzer. Dieses halbe Jahr hat mich erwachsen und reif gemacht, ich möchte die Zeit nicht missen. Der Kontakt dorthin ist aber leider eingeschlafen.

Hatten Sie schon einmal Angst bei der Arbeit?

Nein. Wir Polizisten haben wie viele andere Berufsgruppen ein hohes Risiko. Ich muss gut aufpassen, dass mir nichts passiert, aber das muss zum Beispiel ein Fensterputzer außen am Hochhaus auch tun, damit er wieder gesund nach Hause kommt. Unsere technische Ausstattung wird auch immer besser, aber die beste Lebensversicherung sind wir selbst und unsere Kollegen.

Wie ging es dann nach der Erfahrung in Bosnien weiter?

Ich ging zur Inspektion nach Neuperlach, dann studierte ich zwei Jahre für den gehobenen Dienst, arbeitete als Brandursachenermittler bei der Kripo München. Anschließend wurde ich in den Stabsbereich Einsatzplanung versetzt, ich erlebte die Umorganisation der Münchner Kripo mit, studierte zwei Jahre für den höheren Dienst und kam schließlich nach Ingolstadt als stellvertretender Abteilungsleiter ins Polizeipräsidium. 2014 wurde mir der Posten in Freising angeboten, worüber ich mich sehr gefreut habe. Mir ging es nie darum, Karriere zu machen, aber wenn man mehr Verantwortung hat, kann man mehr bewegen. Wichtig war mir immer, mich nicht zu verbiegen und es freut mich, dass es offensichtlich möglich ist, bei der Polizei Karriere zu machen, wenn man sich treu bleibt.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Ein Polizist muss höflich und freundlich sein. Aber Polizisten sind auch nur Menschen. Wenn jemandem nach acht Stunden Nachtschicht der Geduldsfaden reißt und er sich nicht im Griff hat, ist das nachvollziehbar. Aber dann wird ehrlich dazu gestanden, bei mir wird nichts vertuscht.

Wie beschreiben Sie Ihren Führungsstil?

Meine Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen, wenn sie in die Dienststelle kommen. Sie brauchen die Sicherheit, dass jemand hinter ihnen steht und sagt, was erwartet wird. Ich habe aber auch volles Verständnis dafür, wenn jemand mal bei seinem kranken Kind zu Hause bleibt. Kinder sind das Wichtigste.

Sie wohnen in München, haben Sie überlegt, nach Freising zu ziehen?

Nein. Es ist besser, wenn man als Polizist nicht im Dienstbereich wohnt. Wenn ich durch Freising gehe, werde ich oft angesprochen, das ist okay. Aber ich will Privates und Dienst auch räumlich trennen.

Wie sehen Sie Ihre Rolle als oberster Polizist in Freising?

Ich wahre Neutralität, gehe zu keiner politischen Veranstaltung, Einladungen lehne ich konsequent ab. Meine persönliche Gesinnung spielt für meinen Job keine Rolle, ich werde mich auch niemals zur dritten Startbahn äußern.

Haben Sie Hobbies ?

Mein größtes Hobby ist mein Sohn, mit dem ich gerne und viel Zeit verbringe. Ich mache Sport, laufe, fahre Ski, probiere gerne auch Neues wie Rafting oder Canyoning aus. Ich bin gerne draußen in Bewegung.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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