Prozessauftakt in Landshut:Unfall wird zum Kriminalfall

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47-Jähriger soll Lastwagenfahrer mit Medikamenten betäubt und dann ausgeraubt haben. Vorerst äußert sich der Mann nicht zu den Vorwürfen und schildert stattdessen seine gesundheitlichen Probleme.

Von Alexander Kappen, Freising/Landshut

Eine Nacht im Dezember 2012: Ein beladener Lastwagen, 40 Tonnen schwer, rast in Dietersheim mit an die 80 Stundenkilometer durch einen Garten, mäht mehrere Bäume um und verfehlt nur ganz knapp ein Wohnhaus, ehe er an einer Anhöhe zum Stehen kommt. Verletzt wird dabei glücklicherweise niemand.

Was damals zunächst nur nach einen spektakulären Unfall mit glimpflichem Ausgang aussah, entpuppte sich später als Kriminalfall, in dem sich seit Dienstag nun ein 47-jähriger Arbeitsloser aus dem südlichen Landkreis vor dem Landshuter Landgericht verantworten muss. Er soll dem Lastwagenfahrer an einer Tankstelle in Garching betäubende Medikamente in ein Getränk gemischt und ihn dann ausgeraubt haben. Unter dem Einfluss der Medikamente, so lautet die Anklage, verursachte der Lastwagenfahrer dann mit seinem Sattelzug den besagten Unfall.

Im Casino die Wirkstoffe Oxazepam und Metformin ins Getränk gemischt

Darüber hinaus wird dem Angeklagten vorgeworfen, im August 2014 einen Lastwagenfahrer in Eching angesprochen zu haben, mit ihm in ein Casino in Neufahrn gefahren zu sein und ihm dort ebenfalls ein Medikament mit den Wirkstoffen Oxazepam und Metformin in ein Getränk gemischt zu haben. Als der Mann das Bewusstsein verlor, soll der Angeklagte ihn ausgeraubt und zwei Handys und 400 Euro Bargeld gestohlen haben. In dem anderen Fall zuvor soll er ein Handy, 700 türkische Lira und 700 Euro erbeutet haben. Angeklagt ist der 47-Jährige zudem wegen eines Ladendiebstahls in einem Hallbergmooser Supermarkt, wo er im Januar 2015 Pfandflaschen und Reinigungsmittel im Wert von 25 Euro geklaut haben soll.

Der Angeklagte wollte sich zum Prozessauftakt zu den erhobenen Vorwürfen nicht äußern. Angaben machte er lediglich zu seinen persönlichen Verhältnissen. Demnach plagen den 47-Jährigen, der bereits Herz- und Knie-Operationen hinter sich hat, gesundheitliche Probleme, die ihn seinen Job gekostet hätten. Zudem leide er auch an Panik-Attacken und depressiven Schüben. Bereits 1989 habe er sich von einem Arzt erstmals Medikamente verschreiben lassen, weil er, als er in seiner türkischen Heimat zum Militär eingezogen worden sei, an Einsätzen gegen die PKK mitgewirkt und danach unter Angstzuständen gelitten habe.

Unter den Fahrern und Spediteuren gab es Gerüchte über K.o.-Tropfen

Die psychischen Beschwerden seien jedoch abgeklungen. In Deutschland, wo er seit 2000 lebt, traten sie wegen seiner beruflichen und gesundheitlichen Probleme später wieder auf. Er bekam abermals Medikamente - laut Vorsitzendem Richter Markus Kring offenbar auch die, die gemäß Anklage im Blut der Lastwagenfahrer gefunden wurden. Ein psychiatrischer Gutachter attestierte dem Angeklagten eine leichte Depression und Panik-Attacken, aber die hätten keine Auswirkung auf seine Schuldfähigkeit. Ihm gegenüber habe der Angeklagte die Taten abgestritten.

Er habe nur einem Lastwagenfahrer aus Hilfsbereitschaft mal zwei Tabletten ausgehändigt, weil der über Schlafstörungen geklagt habe. Der Angeklagte sei offenbar regelmäßig im Casino gewesen, aber eine Spielsucht verneine er, er habe dort nur "Kontakte zur türkischen Community gesucht, weil er schlecht Deutsch spricht". Laut Zeugen war der Angeklagte regelmäßig in Garching bei Lastwagenstellplätzen, um Kontakt zu türkischen Fahrern zu suchen und was mit ihnen zu trinken. Da unter Fahrern und Spediteuren Gerüchte über K.o.-Tropfen in Getränken die Runde machten, hielten sie den Angeklagten fest und holten die Polizei. Die fand in dessen Auto Medikamente und Geldforderungen. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 17.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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