Prozess:Die Liste der Vorwürfe ist lang

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37-Jähriger muss sich unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs und unerlaubten Waffenbesitzes verantworten

Von Alexander Kappen, Landshut

Mit einer Hand hält er sich ein Klammerbrett für seine Notizen vors Gesicht, um sich vor den TV- und Fotokameras zu schützen. Mit der anderen zieht der 37-Jährige aus dem südlichen Landkreis Freising seine Jacke aus. Die mediale Öffentlichkeit soll nicht sehen, wer dieser schlaksige, unscheinbar wirkende Mann ist, dem der Staatsanwalt beim Verhandlungsauftakt am Landshuter Landgericht anschließend in seiner rund halbstündigen Anklageverlesung eine Palette an Straftaten zur Last legt, die für vier bis fünf Prozesse reichen würde. Mehrfacher sexueller Missbrauch, Besitz zahlreicher Kinderpornos, Herstellen und Verkauf gefälschter Arzneimittel, unerlaubter Erwerb und Besitz von halb automatischen Schusswaffen - die Liste ist lang.

Bevor die Verhandlung richtig beginnt, wird sie wieder unterbrochen. Auf Antrag des Verteidigers ziehen sich die Verfahrensbeteiligten zu einem Rechtsgespräch zurück. Dieses zieht sich lange hin, ist aber von Erfolg gekrönt. Das Gericht unter Vorsitz von Ralph Reiter einigt sich mit Staatsanwalt und Verteidiger auf eine Verständigung. Der Angeklagte räumt sämtliche Vorwürfe uneingeschränkt ein. Dafür wird ihm eine Strafe zugesichert, die nicht unter drei Jahren und zehn Monaten liegt, aber auch nicht über vier Jahre und zehn Monate hinausgehen wird.

Mit seinem Geständnis erspart der 37-jährige gebürtige Nordrhein-Westfale, der im August 2012 mit seiner Mutter nach Bayern gezogen ist, dem Missbrauchsopfer eine Aussage vor Gericht. Die junge Frau, ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen, hatte der Angeklagte dort im Jahr 2010 bei seiner Ausbildung kennengelernt. Offenbar waren sie enger befreundet. In der damaligen Wohnung des Angeklagten kam es zwischen November 2011 und November 2013 zu vier Übergriffen, bei denen der heute 37-Jährige die bewusstlose Frau in einem Fall begrapschte und dreimal den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog.

Der Angeklagte nahm alle Taten auf Video auf und speicherte die Dateien auf dem Computer. Auf diesem wurden Ende Oktober 2015 bei der Durchsuchung seiner Wohnung im Kreis Freising auch mehr als 200 Bild- und Videodateien mit kinderpornografischen Inhalten sichergestellt.

Die Missbrauchs-Videos wurden von einer Rechtsmedizinerin analysiert. Sie sollte herausfinden, ob das Opfer betäubt worden war. Auf den Filmen liege die Frau regungslos da, bis auf ihre Atmung sei keine Bewegung zu erkennen, sagt die Gutachterin im Gerichtssaal. Auf einem Video nässe sich das Opfer ein. Das spreche für eine Tiefenbewusstlosigkeit. Es sei "eine Intoxikation zu diskutieren". Ob die durch Alkohol, Medikamente, Betäubungsmittel oder eine Kombination daraus zustande gekommen sei, könne man nicht beurteilen. Theoretisch könne der Zustand des Opfers allein auf Alkohol zurückzuführen sein. Da die Frau nach Aktenlage zu der Zeit viel Alkohol konsumiert habe, daran also gewöhnt gewesen sei, müsste sie bei den Taten "schon eine große Menge konsumiert haben", so die Gutachterin. Der Angeklagte lässt über seinen Anwalt erklären, "ihr keine bewusstseinsstörenden oder narkotisierenden Mittel" gegeben zu haben.

Die drei Schusswaffen der Marke Glock samt 90 Stück Munition, die ebenfalls in der Wohnung des Angeklagten gefunden wurden, habe er 2013 im Darknet bestellt, "sie aber nie benutzt", heißt es in seiner Erklärung. Er habe die Waffen "zerlegt und verpackt aufbewahrt". Sie seien für einen möglichen Selbstmord bestimmt gewesen. Er habe seinen Vater und Großvater an schweren Krankheiten leiden und sterben sehen und zwei missglückte Selbstmordversuche seiner Großmutter mitbekommen. Mit den Waffen wollte er bei einem möglichen eigenen Selbstmordversuch auf Nummer sicher gehen, behauptete er.

Zu guter Letzt verkaufte der 37-Jährige auch noch in 98 Fällen das angeblich pflanzliche Potenzmittel "Maxidus" im Internet, das er aus zerkleinerten Viagra-Tabletten und Kakaopulver herstellte. Der Grund: Geldknappheit. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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