Biotechnologie in Neufahrn:"Wichtiger Meilenstein" für die Krebspatienten

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Die Neufahrner Produktionsstätte erfüllt "die neuesten Sicherheitsvorschriften", sagte der ITM-Geschäftsführer Mark Harfensteller. (Foto: Marco Einfeldt)

In Neufahrn hat das Biotech-Unternehmen ITM die weltweit größte Produktionsstätte für Lutetium-177 eröffnet. Dabei handelt es sich um eine radioaktive Substanz, die in der Tumortherapie eingesetzt wird. Für viele Menschen ist das eine Hoffnung.

Von Francesca Polistina, Neufahrn

"Ein wirklich guter Tag für das Unternehmen, die Gemeinde Neufahrn und den Landkreis Freising. Aber vor allem ein guter Tag für die Menschen". Bayerns Staatsminister Florian Herrmann (CSU) findet große Worte bei der Eröffnung des neuen Produktionsstandorts des Biotech-Unternehmens ITM in Neufahrn. Im Nova-Gewerbepark soll nämlich eigenen Angaben zufolge die weltweit größte Produktionsanlage für Lutetium-177 - ein innovatives medizinisches Isotop, das in der Krebstherapie eingesetzt wird - entstehen. Und tatsächlich sprechen die Zahlen für sich: Eine Fläche von 7000 Quadratmetern, die perspektivisch noch größer werden sollte, bietet Platz für mehr als 200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. 65 davon arbeiten bereits am neuen Standort, die ersten Testläufe stehen bald an. Von Mitte 2024 an sollen von Neufahrn aus in die Welt "hunderttausende" Dosen von Lutetium-177 geliefert werden.

ITM steht für "Isotope Technologies Munich". Gegründet wurde das Unternehmen 2004 auf dem Campus der Technischen Universität München in Garching, wo immer noch der größte Firmenstandort liegt. Zwei weitere Standorte befinden sich in den USA und in China, insgesamt 500 Menschen arbeiten für ITM. Mit der Eröffnung der Produktionsstätte in Neufahrn auf dem ehemaligen Avon-Gelände sollen laut Angaben des Unternehmens die eigenen Herstellungskapazitäten für Lutetium-177 um das Zehnfache erhöht werden.

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Die Bestrahlung mit Lutetium-177 wird in der Behandlung mancher fortgeschrittener, metastasierter Prostata- sowie neuroendokriner Tumoren (das sind seltene Tumoren, die aus hormonbildenden Zellen entstehen) eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine zielgerichtete, vielversprechende Therapie, die für "austherapierte" Patienten eine Möglichkeit zur Lebensverlängerung bedeuten kann. Durch die Bestrahlung mit radioaktivem Lutetium werden außerdem bestimmte Tumorzellen erkannt, während für das umliegende gesunde Gewebe eine minimale Belastung entsteht. Konkret bedeutet das: wenige Nebenwirkungen und eine bessere Lebensqualität.

ITM beliefert mehr als 600 Kliniken in 60 Ländern

Der Standort in Neufahrn wurde nicht nur wegen der Nähe zu Garching, sondern auch wegen der direkten Anbindung an den Münchner Flughafen ausgesucht. Diese ermöglicht nämlich den schnellen Versand der Medikamente weltweit, auch für die Produktion selbst fliegt man das Element ins Ausland. Lutetium-177 ist nämlich ein künstlich hergestelltes Radioisotop, das durch ein komplexes Verfahren entsteht. Wie das funktioniert, das erklärte bei der Eröffnung am Montag der ITM-Geschäftsführer Mark Harfensteller: Das Rohmaterial, das laut Harfensteller "sehr begehrte" Element Ytterbium-176, wird zunächst in Quarzampullen gefüllt und zur Bestrahlung an verschiedene Kernreaktoren weltweit verschickt, zum Beispiel nach Südafrika oder nach Kanada. Danach kommen die bestrahlten Ampullen zurück, in Neufahrn werden die sich inzwischen gebildeten Lutetium-Atome durch ein mehrstufiges Verfahren isoliert und aufgereinigt, schließlich kundespezifisch angefertigt und dann weltweit an die Kliniken verschickt - und zwar so schnell wie möglich, denn Radiopharmazeutika haben eine sehr kurze Halbwertszeit.

Das ITM-Management-Team (von links): Philip Harris, Konstantin Zhernosekov, Mark Harfensteller, Sebastian Marx, Steffen Schuster, Klaus Maleck und Richard Henkelmann. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Unternehmen beliefert eigenen Angaben zufolge mehr als 600 Kliniken in mehr als 60 Ländern. Pro Jahr soll in der Neufahrner Produktionsstätte insgesamt gerade mal ein Gramm Lutetium abgefüllt werden - das klingt zwar extrem wenig, doch es reicht aus, um "hunderttausende" Dosen anzufertigen. Genauere Angaben zu der Anzahl der Dosen will der Konzern nicht preisgeben. Laut dem Geschäftsführer erfüllt die neue Produktionsstätte "die neuesten Sicherheitsvorschriften", das Ganze wird "von etlichen Behörden" geprüft, um Mitarbeitende sowie Anwohnende, Patienten, medizinisches Personal und die Umwelt zu schützen.

Der Neufahrner Bürgermeister Franz Heilmeier (Grüne) sagte bei der Einweihung des Standortes am Montag, er freue sich "außerordentlich" über die ITM-Produktionsstätte. Die Gespräche zwischen der Verwaltung und dem Unternehmen seien schon immer von "großer Offenheit und Wertschätzung " geprägt. Die Gemeinde Neufahrn, sagte Heilmeier weiter, "hat ein großes Interesse an ein Unternehmen wie Sie". Bayerns Staatsminister Florian Herrmann sagte, die weltweit größte Anlage zur Produktion von Lutetium-177 sei "ein wichtiger Meilenstein".

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